Vergleich der Generationen:Was der alte Mini dem neuen voraushat

Der neue Mini One und der alte Mini

Vor allem frontal betrachtet fallen die Größenunterschiede zwischen dem neuen und dem alten Mini auf.

(Foto: Sebastian Hofmann)

Der neue Mini ist schneller, sicherer und sparsamer als sein historisches Vorbild. Dennoch würden ihm einige Qualitäten des Ur-Mini guttun.

Von Jörg Reichle

Am Anfang war die Idee: Vier kleine Rädchen an den vier Ecken eines außen winzigen, innen vergleichsweise riesigen Autochens, vier Sitze, vorn in Querlage ein Motörchen mit vier Zylindern, fertig. So stellte der Konstrukteur Sir Alec Issigonis sich Ende der Fünfzigerjahre des letzten Jahrhunderts das ideale Personenbeförderungsmittel für die Straße vor. Auf eine Serviette, so will es die Legende, hatte der gebürtige Grieche den Entwurf hingekritzelt. Im Lastenheft wurden dann noch tadellose Fahreigenschaften, ein möglichst geringer Benzinverbrauch - die Suez-Krise hatte ihre Spuren hinterlassen - und ein günstiger Preis nachgeschoben.

Was daraus entstand, ist bekannt, auch wenn das Endprodukt dann doch nicht ganz auf eine Serviette passte. Ende August 1959 kamen die ersten Mini auf den Markt, als Zwillinge gewissermaßen, die sich bloß durch den Kühlergrill, die Radkappen und die Außenfarben unterschieden. Und durch den Namen: Morris Mini Minor hieß der eine, Austin Seven der andere.

Meistverkauftes britisches Auto aller Zeiten

Putzig waren sie beide. Und erfolgreich wurden sie rasch. Zwischen 1959 und 1967 verkaufte man 510 000 Stück, 20 Jahre später, Mitte der Achtzigerjahre, waren es fünf Millionen, jede Menge Varianten wuselten da im europäischen Straßenalltag oder feuerten als Mini Cooper S auf dicken Walzenrädchen über die Rennstrecken und Rallyepisten. Bis zum Ende. Am 4. Oktober 2000 lief der letzte klassische Mini, meistverkauftes britisches Auto aller Zeiten, vom Band.

Und dann? 2001 wird Mini als Marke geboren. Sie schreibt sich in Versalien und gehört zu BMW. Und auch sie wird ein Erfolg. Heute steht der Mini One ganz unten auf der, so scheint es, nach oben offenen Modellskala, die inzwischen vom Zweitürer bis zum Crossover und zum Cabrio reicht. Schwer zeitgeistig designt mit optischen Bezügen zum Original tritt er auf, viel größer allerdings und modern motorisiert: 1,2-Liter-Dreizylinder mit 55 kW (102 PS) Leistung bei 4250 bis 6000 Umdrehungen, das ist gut für 9,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h und 195 km/h, wenn es sein muss.

Gemessen am neuen Mini konnte der Ur-Mini gar nichts

Für mindestens 17 700 Euro bekommt man außerdem ein betont sportliches Fahrwerk, ABS und ESP sowieso, vier Scheibenbremsen, dynamische Stabilitätskontrolle mit Bremsassistent, eine Berganfahrhilfe, dynamische Traktionskontrolle. Die Richtung hält eine elektrisch unterstützte Zahnstangenlenkung mit Servo, die Leistung gibt ein Sechsgang-Schaltgetriebe an die Vorderachse weiter, wahlweise eine Automatik mit ebenso vielen Fahrstufen.

Und manches kann er auch schon ganz allein, beispielsweise das Tempo regulieren, selbst einparken, auf- und abblenden, Verkehrszeichen erkennen, drohende Auffahrunfälle und kreuzende Fußgänger erkennen und im Fall des Falles von selbst abbremsen. Daran gemessen, konnte der Ur-Mini gar nichts. Außer fahren, und das nicht sonderlich schnell.

Im Vergleich ein Spielzeugauto

Lokaltermin bei BMW Classic: Alt gegen neu ist das Thema und die Frage, was die Zeit aus Mini im Besonderen und aus Autos im Allgemeinen gemacht hat. Es treffen sich dazu: ein fliederfarbener Morris Mini Minor, Baujahr 1959, und ein aktueller Mini One in modischem Mausgrau, genannt Moonwalk Grey Metallic. Und schon das bloße Nebeneinander zeigt die Zeichen der Zeiten: Neben dem modernen Mini, 3,82 Meter lang, 1,73 Meter breit, 1,41 Meter hoch, wirkt das Vorbild wie ein Spielzeug. Ganz verschüchtert steht es da. Dass der Ur-Mini 77 Zentimeter kürzer ist als sein Nachfolger, ist noch gar nicht mal das Augenfälligste. Viel eindrücklicher ist seine 1,41 Meter schmale Gestalt und, dass er mit 1,35 Meter Höhe einem erwachsenen Mann gerade mal bis zur Brust reicht.

Doch kaum hat man das dünne Türchen geöffnet und sich auf die spartanisch gepolsterten Sitzchen hinabfallen lassen, sieht die Welt ganz anders aus - luftig, weiträumig, hell. Vor einem weitet sich das Halbrund des Armaturenbretts, das genau genommen aus einer einzigen Ablage besteht, über der mittig ein riesiger Tacho prangt. Darin gibt es ein paar Kontrolllichtchen für Zündung, Blinker und so Sachen. Das war's dann auch. Weiterhin findet man vor sich: ein wagenradgroßes Volant mit fingerdünnem Kranz, einen Schalthebel, lang wie eine Wünschelrute, einen Anlasserknopf, einen Blinkerhebel und eine Handbremse.

Die Gummifederung prügelt den Fahrer unbarmherzig

Dagegen fühlt man sich im neuen Mini in die Enge getrieben hinter kleinen Fenstern, massivem Armaturenträger und allerlei Schickimicki-Architektur, Farbdisplays und Instrumenten, darunter einem riesigen in der Mitte samt "Lichtinszenierung mittels LED-Ring für optisches Feedback auf Bedienung zahlreicher Funktionen", wie der Pressetext verspricht.

Der Ur-Mini hat das alles nicht, wozu auch. Er schnurrt mit seinem 848 Kubik-Vierzylinder und 34 PS vergnügt dahin, schafft 115 km/h, und dass bis dahin gefühlt eine halbe Ewigkeit vergeht, stört den Fahrer kein bisschen. Eher schon, dass ihn die Gummifederung unbarmherzig prügelt. Und dass manchmal das teilsynchronisierte Getriebe kratzt.

Der Charme des Vorbilds ist perdu

Der neue Mini kann natürlich vieles besser: Beschleunigen zum Beispiel, Kurven fahren und bremsen. Er ist sicherer und sparsamer. Aber: Nicht nur der Charme des Vorbilds ist perdu, auch dessen perfekte Tauglichkeit für einen Alltag in engen Parklücken und auf überfüllten Straßen vermisst man. Ob das nicht einem wahren Mini heute gut zu Gesicht stünde?

Stattdessen blättert man noch mal im aktuellen Pressetext und der liest sich dann so: "Mehr Fahrspaß durch Mini-typische Funktionen wie Mission Control, Dynamic Music, Driving Excitement und Minimalism Analyser; neuer Mini Connected XL Journey Mate mit Real Time Traffic Information; Online-Verbindung ermöglicht außerdem die Nutzung sozialer Netzwerke wie Facebook, Twitter und Foursquare sowie Glympse, den Empfang von RSS Newsfeeds sowie Entertainment-Angebote wie Aupeo!, Stitcher, Deezer, Nepster und Tune In."

Das geht dem Kleinen dann doch über die Hutschnur. "Nicht meine Welt", denkt er sich und hoppelt zurück ins Museum - ob beschämt, oder doch ein bisschen selbstbewusst, bleibt sein Geheimnis.

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