65 Jahre VW Bus:Unverwüstlicher Bulli

Spaßrendite auf der Straße: Nur teure Oldtimer lohnen als Anlage

Freiheitsgefühle: Der VW-Bus Typ 2 hat in den vergangenen Jahren an Wert gewonnen.

(Foto: dpa-tmn)
  • Der VW Bus wird 65 Jahre alt. Im März 1950 begann in Wolfsburg dessen Serienfertigung.
  • Heute wird für die ersten Modelle viel Geld bezahlt. Vor allem die Samba-Variante ist beliebt, weshalb es von diesem Modell viele Fälschungen gibt.
  • Der "Bulli" war nicht nur ein Traumauto für Handwerker und Familienväter, sondern auch für Camper und Hippies. So mancher Globetrotter erlebte mit ihm echte Abenteuer.

Von Michael Morosow

In dem Kinofilm "Das wilde Leben" (2007) treffen die Zuschauer zwei alte Bekannte aus den bewegten Sechzigerjahren wieder: Uschi Obermaier, Mitglied der Schwabinger Szene mit Hang zu Musikern der Rolling Stones, und Samba, den rockigen VW-Bus. Es ist ein Wiedersehen mit zwei Stars der Hippie-Bewegung. Der eine: flippiges Äußeres, ausgestattet mit wohlgeformten Rundungen an der richtigen Stelle, zu allem bereit. Der andere: Uschi Obermaier. Das ehemalige Fotomodell ist heute noch attraktiv, obwohl in die Jahre gekommen. Der coole VW-Bus dagegen, den der Volksmund schon früh Bulli nannte, ist nach wie vor ein Star, gar mehr noch als in seiner wilden Jugend.

Der heute 65 Jahre alte Typ 1 (T1) befindet sich nachgerade in der Blüte seines Lebens, ist begehrter denn je, und wer ihn sich leisten will, muss tief, sehr tief in die Tasche greifen. Für einen gut erhaltenen Bulli aus den Anfangsjahren bezahlen Liebhaber abenteuerlich anmutende Summen, der bisherige Rekord liegt bei 190 000 Euro. Selbst Rostlauben, aus deren Dächern bereits Bäume wachsen, finden Fans noch anziehend genug, um Tausende von Euro dafür hinzublättern.

Kultcharakter hat lange schon auch das erste Nachfolgemodell, der T2, erlangt, entsprechend horrend ist sein Preis. Sebastian Kroth und Felix Neresheimer betreiben einen Oldtimerhandel mit Werkstatt an der Marsstraße in München. Auf dem Vorhof steht unter anderem ein VW T2 Westfalia, Baujahr 1973. Er ist also älter als 30 Jahre und zählt damit in den Zulassungsstellen zu den Oldtimern mit günstiger Steuerklasse. 29 500 Euro soll er noch kosten.

"Der Samba ist ein Traumauto"

Einen T1 können die beiden gerade nicht anbieten. "Entweder ist die Qualität zu schlecht oder der Preis zu hoch", sagt Neresheimer, der den Hype um den Bus seit nun schon zehn Jahren verfolgt und seine Oldtimer auch an Filmproduktionen verleiht. "Der Samba ist ein Traumauto. Die Leute, die ihn kaufen, trauen sich damit aber gar nicht mehr zu fahren, außer zu Bulli-Treffen", weiß der Autohändler.

65 Jahre VW Bus

Vorfahrt auf der Theresienwiese: Beim Oldtimer-Treffen unter der Bavaria sind immer wieder alte VW-Busse zu sehen.

(Foto: Robert Haas)

Außerdem haben schon längst Fälscher eine lohnende Einnahmequelle entdeckt. "Die bauen einen normalen T1 zu einem Samba um, sägen zum Beispiel Dachfenster rein", berichtet er. Dazu muss man wissen, dass ein Samba zwar ein T1 ist, ein T1 aber nicht unbedingt ein Samba. Von diesem kultigsten aller kultigen VW-Busse sind nur 6241 gebaut worden, zum Neuwagenpreis von 8475 Mark. Heute sind die Samba-Bullis überaus rentierliche Wertanlagen, Garagengold zum Anfassen und Anhimmeln. Dabei hatten die VW-Konstrukteure eigentlich ganz anderes im Sinn, als ein Sammler-Fahrzeug zu entwerfen. Bulli begann seine Laufbahn als Arbeitstier.

Der "Transport-Käfer" begeistert Generationen

Im Jahr 1950 verließ das erste Modell vom Typ T1 das Fertigungsband in Wolfsburg, 34 PS stark, 95 Stundenkilometer schnell. Gerade rechtzeitig für die Wirtschaftswunderhandwerker, auf die viele Baustellen warteten im Nachkriegsdeutschland. Sehnsüchtig hatten sie dem ersten "Transport-Käfer" entgegengefiebert, mit dessen Hilfe sich das Bruttosozialprodukt schneller denn je steigern ließ.

1951: Der Samba tänzelte auf die Bühne

65 Jahre VW Bus

Auch dazu wurde der "Transport-Käfer" eingesetzt: ein Exemplar aus der Flotte der ADAC-Straßenwacht.

(Foto: Robert Haas)

Schon ein Jahr später tänzelte der Samba auf die Bühne, ein Typ, nicht allein zum Arbeiten geboren. Der Kastenwagen erfuhr eine Persönlichkeitsveränderung, wurde fescher, bunter, fröhlicher. Das Sondermodell bekam 25 Fenster, acht bis neun umklappbare Sitze, ein riesiges Faltdach, Ausstellfenster, Zierleisten an Stoßstangen und Schwellern, eine wohnliche Verkleidung im Innenraum, Uhr und Radio. Das Markenzeichen des Samba bis heute: eine durch eine Chromleiste zweigeteilte Windschutzscheibe, die seine Front wie ein lachendes Gesicht aussehen lässt.

Jetzt war er bereit auch für Familienväter, Globetrotter, Camper, Hippies der Woodstock-Generation und Uschi Obermaier. Viele seiner Besitzer gaben ihm mit Phantasie und Spraydose noch eine persönliche Note, sprühten bunte Blumen oder hippige Motive auf seine Flanken. Beinahe zum Standard gehörte es, ein Peace-Zeichen über das Logo an der Front zu pinseln. Wenn ein solches Gesamtkunstwerk in den Sechzigerjahren auf der Leopoldstraße oder am Hamburger Hafen entlangfuhr, drehten sich viele Hälse nach ihm.

Rainer Maria Strixner mit seinem VW Bus 1972.

Rainer Maria Strixner sonnte sich 1972 auf seinem Zebra-Mobil. Zusammen mit vier Österreichern hatte er sich auf den Weg in die Sahara gemacht.

(Foto: privat)

Das Abenteuer Sahara

Auch vier jungen Österreichern und dem Münchner Rainer Maria Strixner war das "G'schau" gewiss, als sie am 13. August 1972 zu einer Sahara-Expedition zum heißesten Ort der Welt, der Wüstenstadt Salah, aufbrachen. Ihr VW Bus, Baujahr 1951, sah von der Seite aus wie ein Zebra. Die Reise wurde zu einer Herausforderung für die Abenteurer, wie auch für den T1, auf den ein heißer Wüstentanz wartete, zumal er noch einen Vierzylinder-Boxermotor mit Luftkühlung mit Gebläse im Heck hatte, was jenseits der 50-Grad-Grenze und bergauf nicht gerade von Vorteil ist. Jetzt musste er beweisen, dass man ihn zurecht ob seiner Multifunktionalität als ein Schweizer Taschenmesser auf Rädern bezeichnete. Da reicht es nicht, dass die Burschen unter der Wüstensonne Spiegeleier auf dem Dach brutzeln konnten.

Bei aller Fröhlichkeit, die ein Samba-Bus ausstrahlt, sein Sicherheitsstandard lässt Wünsche offen, Sicherheitsgurte sind Fehlanzeige. Nicht von ungefähr haben die Brasilianer dem Bulli den Beinamen "Jesus me chama" (Jesus ruft mich) verpasst. Knapp 60 Jahre lang baute das VW-Werk in Brasilien den legendären Bus, vom T1 bis zum T4. 1,56 Millionen der weltweit 6,2 Millionen produzierten T1- und T2-Modelle rollten seit 1957 in Sao Bernardo do Campo vom Band. Der letzte 2013, weil in Brasilien Airbags und ABS-Bremssysteme für Neufahrzeuge zur Pflicht wurden.

Beide Standards konnte erst recht jener Bulli nicht aufweisen, für den die fünf jungen Abenteurer vor 43 Jahren ihr Erspartes opferten, 4000 Mark. Dafür aber bekamen sie ein williges, wendiges, praktisches, vielseitiges und anspruchsloses Fahrzeug, einen Allrounder, den sie mit geringem Aufwand wüstentauglich machen konnten. Den Proviant für fünf Wochen verstauten sie im doppelten Boden, auf das Dach banden sie sechs mit Münchner Trinkwasser gefüllte 50-Liter-Kanister und eine Sandleiter. Sechs Ersatzreifen, eine komplette Campingausrüstung und die fünf Burschen fanden auch noch Platz. Insgesamt wog die Zuladung wohl mehr als die erlaubten 930 Kilogramm, jedenfalls erlitt ihr VW Bus im spanischen Algeciras einen Hinterachsenbruch. Glücklicherweise gehörte der Automechaniker Bodo aus Linz zum Team, der den Schaden reparierte, so dass das Quintett nach Afrika übersetzen konnte. Weiterhin bestens gelaunt.

Alles geklaut - nur der Bulli nicht

"Das war ein Gefühl von Freiheit hoch drei", erinnert sich Strixner, der im Glockenbachviertel eine Holzbildhauer-Werkstatt betreibt. Obwohl ihr T1 ein breites Bett besaß, geschlafen wurde auf dem Busdach oder drumherum auf Klappliegen im Sand, "damit keiner einbrechen kann", wie der Münchner berichtet. Eines Nachts aber in Algerien schliefen die Burschen, nachdem sie in einem Teehaus auf ein Gläschen eingeladen worden waren, allzu tief. Als sie aus ihrer Bewusstlosigkeit erwachten, lagen sie bis auf die Unterhose entkleidet im Sand. Liegen, Schlafsäcke, Kleidung, Fotoapparate weg. "Wir haben ausgespielt, wer in der Unterhose neue Kleidung kaufen muss." Warum die Diebe ihre Finger vom VW Bus ließen? "Durch die Wüste führen wenige Wege, die wären schnell geschnappt worden", glaubt Strixner.

Dass man besser nicht auf dem blanken Wüstensand schläft, erfuhr der Mike aus Linz auf sehr schmerzhafte Weise im algerischen Teil der Sahara, als ein Skorpion in seinen neu erworbenen Schlafsack kroch und ihn stach, worauf Mike, den Tod vor Augen, die letzten Dinge regelte. Auf dem Weg quer durch die Sahara ins 300 Kilometer entfernte Krankenhaus habe er zuerst einen Abschiedsbrief geschrieben und dann nur noch geröchelt. Sein Zustand besserte sich auch nicht, als ihm der Arzt versicherte, dass ihn ein ungiftiger Skorpion gebissen hatte. "Der war psychisch so kaputt, dass wir frühzeitig die Expedition abbrechen mussten", berichtet Strixner. Ihr treues Gefährt brachte sie schließlich nach 24 Tagen wohlbehalten nach Hause. Was aus dem Bulli geworden ist, weiß der Münchner nicht mehr. Dass man für ihn heute 70 000 Euro und mehr bekommen würde, das will er irgendwie gar nicht hören.

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