E-Mobilität:Urlaub mit Anschluss

E-Mobilität: Illustration: Stefan Dimitrov

Illustration: Stefan Dimitrov

Spontan im Elektroauto auf große Fahrt gehen? Das ist gar nicht so einfach. Wer den Stromer nachts am Hotel laden will, muss seine Route gut planen.

Von Steve Przybilla

Als Elisabeth Weidenbrück vor dreieinhalb Jahren ihre Ladestation installieren ließ, war ihr Elektriker skeptisch. Und nicht nur er. "Mich haben viele Leute belächelt", sagt die 40-jährige Unternehmerin, die das "Landidyll Hotel Weidenbrück" in Swisttal bei Bonn leitet. Dass Elektroautos in naher Zukunft einen Boom erleben würden, konnte sich damals kaum jemand vorstellen. Doch Weidenbrück ließ sich nicht beirren. "Ich bin gerne vorne mit dabei", sagt die Hotel-Inhaberin, die auch sonst auf Nachhaltigkeit setzt. "Unser Gemüse kommt aus der Region und ein Teil des Stroms aus unserem eigenen Blockheizkraftwerk."

Heute lacht niemand mehr über ihre Idee - höchstens die Gäste, die sich über die vorhandenen Ladeplätze freuen. "Wir liegen an der A61 und damit genau im Korridor zwischen den Niederlanden und Süddeutschland", erklärt Weidenbrück. Da in den Niederladen die Elektromobilität schon deutlich verbreiteter sei als in Deutschland, griffen viele Gäste die Lademöglichkeit dankbar auf. "Unsere Parkplätze sind gut belegt und werden fast jede Nacht genutzt", sagt Weidenbrück, die ihren Gästen 39 Zimmer und drei Ladeboxen offeriert: zwei für Tesla-Fahrer, eine mit einem regulären Typ-2-Anschluss. Manchmal sei die Nachfrage sogar höher als das Angebot. "Da müssen die Gäste nach ein paar Stunden umstecken", so Weidenbrück. Das klappe aber erstaunlich gut - E-Mobilisten seien eine sehr gutmütige Zielgruppe.

Was in dem familiengeführten Hotel gut funktioniert, lässt andernorts auf sich warten. Elektroautos erleben wegen diverser Förderprogramme derzeit einen regelrechten Boom. So wurden im Jahr 2020 insgesamt 194 000 reine E-Autos zugelassen, eine Verdreifachung im Vergleich zum Vorjahr. Auch die andere Hälfte der Stromer, also die Plug-in-Hybride, sollten möglichst oft geladen werden, um die Öko-Bilanz zu verbessern. Die Nachfrage nach den E-Modellen steigt in diesem Jahr dreistellig weiter. Doch während das Stromtanken zu Hause meist problemlos vonstatten geht, müssen sich E-Auto-Besitzer vor einer Reise auf eine umständliche Suche begeben: Wo gibt es am Zielort eine Ladestation? Ist sie mit der eigenen Ladekarte beziehungsweise App kompatibel? Wie teuer ist es, den eigenen Wagen dort aufzuladen?

Praktischer wäre es, das Auto einfach auf dem Hotelparkplatz abzustellen, so, wie man es mit Verbrenner-Modellen tut. Nur dass die elektrische Variante über Nacht eingestöpselt wird. Doch genau diese Möglichkeit bieten bisher nur sehr wenige Unterkünfte an. So hält etwa die Accor-Gruppe, die allein in Deutschland 380 Hotels betreibt, an 57 Standorten eine Stromtankstelle vor. In der Schweiz seien es dagegen bereits 30 Hotels, wie das Unternehmen auf Nachfrage mitteilt. Dort arbeite man gut mit dem Netzbetreiber "evpass" zusammen. Die Maritim-Gruppe wiederum hat an acht von 29 deutschen Standorten einen Elektroanschluss eingerichtet, Tendenz steigend. Der Strom stammt laut Unternehmensangaben von grünen Anbietern oder aus den eigenen Fotovoltaik-Anlagen.

Die Hotels könnten die Corona-Pause zum Einbau von Ladesäulen nutzen. Aber vielen Betreibern fehlt der Mut zu Investitionen

Fragt man nach, wie gut solche Angebote angenommen werden, erhält man recht unterschiedliche Antworten. Beispiel "Motel One": Die Budget-Kette verfügt aktuell über Ladestationen an drei Standorten (Frankfurt, Hamburg, Amsterdam). "Die Nachfrage ist nach unserem Kenntnisstand eher gering", sagt Motel-One-Sprecherin Ursula Schelle-Müller. In München habe der Betreiber der Ladestation diese sogar wieder abgebaut, weil sie nur zwei bis drei Mal im Monat genutzt worden sei. Trotzdem möchte die Firma weitere Stromanschlüsse verlegen, zumindest in der nahen Zukunft. "Es ist geplant, noch dieses Jahr mehrere Bieter einzuladen, um im Zuge eines Verhandlungsverfahrens einen geeigneten Partner für die europaweite Umsetzung der E-Ladestationen zu finden", erklärt Schelle-Müller.

Ganz anders die Reaktion bei Steigenberger. "Wir sehen, dass die Nachfrage innerhalb der vergangenen Monate immer stärker zunimmt", sagt Pressesprecher Sven Hirschler. Momentan seien 16 Hotels in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit Ladestationen ausgestattet. "Wenn wir Hotels neu bauen, sind die Ladesäulen von Anfang an mit in die Planungen integriert", so Hirschler. "Bestehende Hotels rüsten wir derzeit um, so dass wir diesen Service bald überall anbieten können." Für Gäste ist das Stromtanken bei Steigenberger kostenlos. In anderen Hotels existieren jeweils unterschiedliche Modelle - vom kostenlosen Laden über eine Pauschale bis hin zur Abrechnung über einen externen Anbieter.

Die großen internationalen Player geben sich aktuell noch zurückhaltend, was die Elektromobilität angeht. Marriott International, die größte Hotelkette der Welt, will die Frage mit Verweis auf Corona nicht beantworten. "Unser Fokus liegt derzeit auf der Wiedereröffnung der Hotels", teilt der Konzern mit. Ähnlich äußert sich Hilton.

Dabei ist unklar, wie viele Hotels inzwischen überhaupt mit Wallboxen ausgestattet sind. Zurückgreifen kann man allenfalls auf ältere Erhebungen, zum Beispiel auf eine Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) von 2017. Demnach verfügte jeder fünfte befragte Betrieb über eine Lademöglichkeit; 32 Prozent planten zumindest für die Zukunft eine solche Investition. Auf die Sterne-Kategorisierung wirkt sich ein solcher Service übrigens positiv aus. Eine Mindestanforderung für eine bestimmte Sternekategorie ist die Strom-Tanke aber nicht.

Doch wie können Reisende eine entsprechende Unterkunft überhaupt finden? Das Buchungsportal HRS bietet bislang keine entsprechende Funktion an, der Konkurrent Booking.com hingegen schon. Dort zeigt eine Suche, dass es um die Elektromobilität im Gastgewerbe wohl doch deutlich schlechter bestellt ist, als es die Dehoga-Zahlen vermuten lassen. Beispiel Köln: Hier listet Booking.com insgesamt 253 Hotels auf. Lässt man sich nur die Häuser mit Ladestation anzeigen, schrumpft die Liste auf 25 zusammen. Die Website "Hotels4EV" liefert zwölf Treffer; beim Elektro-Routenplaner "Going Electric" werden sogar nur fünf Hotels angezeigt. Das Tesla-eigene Navi wiederum bietet sechs mögliche Ziele an. Zum einen ist also noch viel Luft nach oben. Zum anderen zeigt das Beispiel, wie uneinheitlich die Ergebnisse sind.

Ein Trostpflaster bleibt: In Zukunft dürften wohl viele Hotels einsehen, dass Ladestationen gut fürs Image sind. Solaranlagen, eigener Strom, ein grünes Konzept - das kommt gut an bei einer bestimmten Zielgruppe. So sieht es auch Elisabeth Weidenbrück, die Hotel-Inhaberin aus Swisttal. "Die Leute schätzen das Gesamtpaket", sagt die Geschäftsfrau. Vor allem Tesla-Fahrer seien sehr ökologisch orientiert. Ob ihr die Ladesäulen zusätzliche Gäste beschert haben, kann sie nicht mit Sicherheit sagen. Sie vermutet aber schon. "Der Tesla-Routenplaner führt die Leute ja automatisch hier hin."

Bis andere Hoteliers ihrem Beispiel folgen, bleibt E-Mobilisten nur die Hotelsuche über diverse Portale. Und ein Anruf vor der Buchung, sicherheitshalber. Die Ladesäule soll schließlich auch funktionieren.

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