"Urban Outlaw" Magnus Walker:Gesetzloser mit Rauschebart

Porsche-Sammler und Urban Outlaw Magnus Walker

Porsche-Sammler Magnus Walker und sein Lieblingsspielzeug, ein Porsche 911 T von 1972.

(Foto: STG)

In Los Angeles lebt einer der verrücktesten Porsche-Sammler der Welt. Magnus Walker nennt sich selbst "Urban Outlaw", Gesetzloser der Stadt. Und so fährt er auch.

Von Steve Przybilla

War die Ampel wirklich schon grün? Schwer zu sagen bei dem Tempo. Schemenhaft fliegt Los Angeles am Fenster vorbei. Passanten winken, Autos hupen, manche bremsen abrupt. Was wohl jetzt in Magnus Walker vorgeht? Unter dem langen Bart und den Dreadlocks ist sein Gesicht kaum zu erkennen. Er zieht den weiß-roten Porsche 911 mit der aufgemalten Startnummer 277 auf die rechte Spur, schaltet in den dritten Gang. Dann gibt er, natürlich unangeschnallt, Vollgas, mitten in der Stadt, ein Mann im Temporausch.

Der Name ist Programm, Urban Outlaw nennt er sich selbst, ein Gesetzloser der Stadt. Mindestens einmal am Tag macht er einen solchen Ausflug - manchmal über die Serpentinen des Pacific Coast Highway, manchmal nur eine kurze Runde um den Block. "Es kommt dabei alles zusammen", sagt Walker, "der Sound, der Geruch und das Gefühl, wie das Blut durch deine Adern rauscht." Urban Outlaw, das ist mehr Marke als Name, denn Imagepflege ist in diesem Geschäft fast genauso wichtig wie Pferdestärken.

Das Erscheinungsbild täuscht

Magnus Walker, 46, gehört zu den leidenschaftlichsten Porsche-Sammlern der Welt. "Dabei entspreche ich so gar nicht dem Bild des typischen 911-Fahrers", sagt der Gesetzlose, während sich ein Lächeln unter dem Rauschebart abzeichnet. Alles an ihm ist wild und zugleich sorgsam bedacht: die abgenutzten Lederstiefel, die bunt tätowierten Arme, die Baseballmütze mit Firmenlogo. Die längste Strähne seiner Mähne reicht bis zum Oberschenkel. Käme Walker in eine deutsche Bank, würde der Kundenberater vermutlich den Sicherheitsdienst rufen. Doch das Erscheinungsbild täuscht. Der gebürtige Brite, der mit 15 Jahren die Schule schmiss und mit 19 sein Heimatland verließ, hat viel Geld auf dem Konto. "Mein Hobby wurde zur Leidenschaft und die Leidenschaft zum Geschäft", sagt er, nun sehr überlegt und gar nicht mehr so ungezähmt, wie das Äußere vermuten lässt.

Für Walker ist der amerikanische Traum wahrgeworden. "Ich kam mit 200 Dollar hier an und habe erst mal nur an Sex, Drogen und Rock 'n' Roll gedacht", sagt der Porsche-Fan, nun wieder ganz der Outlaw. Um sich über Wasser zu halten, stöberte er auf Flohmärkten nach gebrauchter Kleidung, um sie erneut zu verkaufen. Heute, fast 30 Jahre später, gehört dem Auswanderer ein eigenes Modelabel. Sogar Madonna gefalle seine auf alt getrimmte Rock-and-Roll-Kleidung. "Das Geschäft läuft so gut, dass ich mir um mein liebstes Hobby keine Sorgen machen muss", freut sich Walker. Es ist die Euphorie des kleinen Arbeiterjungen aus Sheffield, der mit zehn Jahren einen Brief an die deutsche Porsche-Zentrale schrieb. "Ich wollte meinen eigenen Porsche entwerfen", sagt Walker, "und sie antworteten mir, dass ich mich noch einmal melden soll, wenn ich alt genug bin."

Porsche-Sammler und Urban Outlaw Magnus Walker

Wenn Walker Gas gibt, dann richtig.

(Foto: STG)

Direkter Draht nach Stuttgart

Der Zeitpunkt ist wohl inzwischen gekommen. Zwar bastelt Walker lieber an seiner eigenen Sammlung, aber mit dem Unternehmen aus Stuttgart steht er noch immer in Verbindung. Im März lud ihn Porsche auf die Oldtimer-Messe "Techno Classica" ein, um Autogramme am Firmenstand zu geben. "So jemand ist natürlich immer ein Hingucker", sagt Porsche-Sprecherin Helga Ohlhäuser, "auch wenn er bei uns noch nicht ganz so bekannt ist wie in anderen Ländern."

Die Wirkungsstätte des 911-Meisters liegt in der Innenstadt von L. A. Wer es nicht weiß, fährt einfach vorbei. Der Imbissverkäufer, der gegenüber Tacos anbietet, kennt den Urban Outlaw nicht. Auch die Nachbarn, die nur Spanisch sprechen, haben noch nie von ihm gehört. Das alte Industrieareal gehörte einmal zu den Gegenden, um die man lieber einen großen Bogen machte, vor allem nachts. Doch das Viertel wandelt sich. Alte Fabriken werden zu Wohnhäusern, spielende Kinder treten an die Stelle von Drogendealern.

Auch in Hollywood ist Walker kein Unbekannter mehr. Und die Polizei kennt ihn sowieso

Wieder hatte Walker dieses Gespür fürs Geschäft, das er selbst als Bauernschläue bezeichnet: "Ich musste für das Gebäude fast nichts bezahlen. Die Besitzer waren froh, als sie es loshatten." Zusammen mit seiner Frau Karen restaurierte er die 3000 Quadratmeter große Halle, setzte ein Stahltor vor den Hof, hängte Porsche-Rennposter an die Backsteinwände. Das Obergeschoss wurde zum Arbeits- und Wohnbereich, inklusive Teppich mit britischem Union-Jack-Muster. Im Erdgeschoss wohnen seine Lieblinge: 20 Porsche-Modelle, sorgsam gebettet auf Parkettboden.

Die heilige Halle hat etwas von einem Museum, auch wenn der Outlaw das gar nicht gerne hört. Akkurat stehen die polierten Autos nebeneinander, an den Wänden hängen Spiegel und Poster von Amateurrennen, die Walker schon gefahren ist. "Es gibt viele Leute, die größere Sammlungen als ich haben", sagt er schließlich, "aber das Besondere ist, dass meine nicht nur rumstehen, sondern auch rauskommen." Erst durch Kratzer, Steinschläge und Matsch am Kotflügel bekomme ein Auto eine Seele. "Es will gefahren werden, es verlangt danach."

Lieblingsspielzeug mit Seele

Porsche 911 bei der Restauration

In seiner Werkstatt in Los Angeles basteln Walker und seine Mitstreiter an heruntergekommenen Porsche-911-Exemplaren.

(Foto: STG)

Dass das stimmt, beweist sein Lieblingsmodell, ein 911 T von 1972, mit dem er wenige Minuten zuvor durch L.A. gebrettert ist. Jahrelang hat er an diesem Auto gebastelt, bevor es zu dem wurde, was es heute ist: ein voll funktionsfähiger Rennwagen, tiefergelegt, ausgestattet mit Ölkühler, Sechspunktgurten und aufgeklebten Renn-Insignien. Nach der Seele seines Lieblingsspielzeugs muss man nicht lange suchen: Das Lederlenkrad ist abgegriffen, Bremsstaub bedeckt die Alufelgen. Auf dem Beifahrer-Sportsitz kleben die Haare von Skynyrd, Walkers 13-jähriger Labrador-Hündin.

"Das Besondere an diesen Autos ist, dass sie auch etwas für normale Leute sind", sagt Walker. Lamborghini oder Ferrari könnten sich nur die Reichen leisten - im Gegensatz zum Porsche. "Erst vor Kurzem habe ich bei Ebay einen 924-Turbo mit wassergekühltem Frontmotor ersteigert - für 4500 Dollar." Walkers Augen leuchten, als er davon erzählt.

"Ich bastle nur für mich"

Fast immer sind die Autos heruntergewirtschaftet, wenn Walker sie kauft. "Manchmal bekomme ich ein Wrack", erzählt der Bastler, der bei seinem Hobby auf freiberufliche Mechaniker, Lackierer und einen Schweißer zurückgreift. Wie bei "Pimp My Ride", der bekannten TV-Serie, in der Rostlauben zu Edelkutschen gemacht werden, gehe es in seiner Werkstatt aber nicht zu. "Im Fernsehen machen die das, um etwas zu verkaufen. Ich bastle nur für mich."

Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit, vor allem, seit seine Unikate immer begehrter werden. "Ich verkaufe ein Auto, wenn es jemand aus ganzem Herzen will", sagt Walker. Und natürlich, wenn der Preis stimmt. Im Nebenraum steht ein aufgebockter 911 - jedenfalls das, was davon übrig ist. Walker schaut unbeeindruckt. "Jetzt ist es nur eine Hülle, aber in ein paar Jahren werde ich damit durch die Gegend fahren und Spaß haben."

Wie der Namensvetter in "Fast and Furious"

Die Suche nach dem perfekten Auto hat er schon lange aufgegeben. Viel lieber durchstöbert er Schrottplätze, Ebay oder Gebrauchtwarenbörsen. Das Endergebnis kann man im Internet bewundern. Regelmäßig lädt Walker Videos hoch, in denen er seine Schätzchen ausführt. Verblüffend viel erinnert dabei an den Raser-Film "Fast and Furious", dessen Hauptdarsteller Paul Walker den gleichen Nachnamen trägt wie der Urban Outlaw. Man sieht die glitzernde Großstadt, traumhafte Strände, nächtliches Tuning bis zur Erschöpfung. Der Fuß verlässt nie das Gaspedal, der Straßenverkehr wird zum Erwachsenen-Spielplatz. Ein Spaß, der schnell tödlich enden kann: Erst vor wenigen Monaten kam Kinostar Walker in einem Porsche ums Leben, mit weit überhöhter Geschwindigkeit.

Wie es sich für einen Outlaw gehört, ist Magnus Walker wegen seines Hobbys schon oft mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Auf seinem Schreibtisch stapeln sich Strafzettel wegen Speeding, wie die Raserei im Englischen heißt. "Einmal hat ein Cop sogar seine Waffe auf mich gerichtet", erzählt er. "Aber damit musst du leben." Die meisten Polizisten wüssten inzwischen, wer er ist. Auch in Hollywood ist der Urban Outlaw kein Unbekannter mehr. Das Interesse der Filmfirmen ist inzwischen so groß, dass er aus seiner Werkstatt ausgezogen ist. "Die Lagerhalle dient nun auch als Kulisse", sagt Walker. Das neue Haus liegt gleich um die Ecke, weshalb sich Porschefahrer Walker nun sogar als Umweltschützer sieht: "Während andere jeden Tag zur Arbeit pendeln, gehe ich zu Fuß. Ich wette, das entlastet die Luft in L.A."

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