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Unterwegs:Voll Proll auf Tastendruck

Voll Proll auf Tastendruck: Der Klappenauspuff wird in der EU zwar verboten. Noch macht er Sportwagen aber zum Bürger-Schreck. Doch was soll den Spaß im Zeitalter der autonom fahrenden Elektroautos ersetzen?

Von Joachim Becker

"Rolling Coal" heißt der neueste Straßensport aus den USA: Einfach den Diesel-Truck so umbauen (lassen), dass er auf Knopfdruck eine fette Rauchfahne ausstößt. Besonders beliebt ist der Ascheregen, um Hybrid- oder Elektroautos komplett einzuschwärzen. In New Jersey sind solche Manipulationen illegal, in Colorado scheiterte die Verordnung am Widerstand der Abgeordneten. Dort haben freie Bürger weiterhin das Recht auf freie Fahrt mit ihren Dreckschleudern.

Die deutsche Variante von "Rolling Coal" heißt Klappenauspuff. Anders als in den USA kämen die rauchenden Diesel mit leergeräumten Partikelfilter-

Gehäusen bei uns nicht durch den TÜV. Wie kann man also am besten rumpöbeln, Dreck raushauen und mal richtig auf dicke Hose machen? Klar, mit dem Knopf für den "Motorsound" im Audi TT RS oder bei anderen halbstarken Sportlern. Der Drücker macht aus einem regelkonform leisen Motor einen echten Brüller. Einfach 1000 Euro in die Sportabgasanlage investieren und mit voller Dröhnung durch die Innenstadt brettern.

Dass der Klappenauspuff in der EU verboten wird, ist auch kein Problem: Zum Glück gibt es hilfreiche Internet-

Foren wie die TT-Freunde: "Ich hatte keine Lust mehr, mir von der Elektronik des RS vorschreiben zu lassen, wann die Klappen auf und wann die Klappen zu sein müssen", tönt ein Schreiber mit dem Pseudonym "Mammatempo". Nach nicht ganz legaler Umrüstung kann er die Nachbarn aus dem Bett husten: "Cool ist der Kaltstart mit offenen Klappen und gemessenen 95 dB."

Voll proll auf Tastendruck oder als Dauergeräuschdrohkulisse - das kennt man jetzt auch aus der Politik. Das Vulgäre wird salonfähig oder tobt sich zumindest auf der Straße aus. Schnell fahren geht auf den meist überfüllten Strecken ohnehin nicht. Dafür kann man seine Wut per Abgas-Megafon rausbrüllen. Bei der Testfahrt mit dem RS weichen die Vorausfahrenden auf der Autobahn tatsächlich verschreckt zur Seite. Man muss gar nicht besonders schnell fahren: freie Bahn mit dem Klappenauspuff - das Blaulicht des gemeinen Mannes.

Fragt sich nur, was den Spaß im Zeitalter der autonom fahrenden Elektroautos ersetzen soll? Na klar: Riskante Fahrmanöver, mit denen sich die defensiven Hightech-Karren einfach ausbremsen lassen. Solche Start-Stopp-Spiele könnten der Straßensport des nächsten Jahrzehnts werden.

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Quelle:
SZ vom 11.02.2017
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