Süddeutsche Zeitung

Unterwegs mit dem "Hamburg-Köln-Express":Mit dem Zug, ohne die Bahn

Eine Zugfahrt von Hamburg nach Köln ist ab sofort für 20 Euro zu haben, allerdings nicht mit der Deutschen Bahn. Der Privatanbieter "Hamburg-Köln-Express" (HKX) fährt die Strecke täglich. Eine Probefahrt.

Steve Przybilla

Die Fahrt beginnt mit flotten Sprüchen. "Wenn das früher mal die erste Klasse war, bin ich froh, heute zu leben", sagt ein junger Mann, nachdem er die quietschende Tür seines Abteils zugezogen hat. Einen Waggon weiter wippt eine Rucksacktouristin vorsichtig auf ihrem Polstersitz: "Ist doch ganz bequem." Gemeint ist der Hamburg-Köln-Express (HKX), der seit dem 23. Juli der Bahn auf dieser Strecke Konkurrenz macht. Obwohl der Markt schon seit 1996 für private Konkurrenz geöffnet ist, hat sich vor dem HKX im Fernverkehr bisher nur ein einziger Wettbewerber etabliert: der Interconnex auf der Strecke Leipzig-Berlin und Leipzig-Rostock.

Weil die eigentlich dafür vorgesehenen HKX-Waggons noch immer in Polen überholt werden, ist der Zug mit Großraumwagen aus den Siebzigerjahren unterwegs. Luxus - für damalige Verhältnisse. Es gibt keine Steckdosen, kein Wlan, keine speziellen Handywagen und erst recht keine Flüsterzonen. Allein die Tatsache, dass nicht jeder gedankenversunken aufs Laptop-Display starrt, macht den HKX irgendwie persönlicher, weniger anonym. Es vergehen keine zehn Minuten, da sind die ersten Passagiere in ihren Sechser-Abteilen miteinander im Gespräch.

Halb so teuer wie mit der Bahncard

Die einen besuchen Oma und Opa, die anderen wollen das Reisen an sich genießen. Mit ruckelnden Waggons, roten Armlehnen und Fenstern, die man oben noch öffnen kann. Das Hauptargument bleibt aber der Preis. "Ich habe nur 20 Euro für die Fahrt von Köln nach Hamburg bezahlt", freut sich die 19-jährige Inken Piekenbrock, die den HKX nutzt, um zu einem Festival zu fahren. "Sogar die Reservierung war im Preis inbegriffen." Ihre Freundin Jana Scherfose stimmt zu: "Bei der Bahn hätten wir mehr als das Doppelte bezahlt." Und zwar mit BahnCard-Rabatt. Ansonsten kostet eine Intercity-Fahrt von Köln nach Hamburg 83, im ICE 92 Euro.

Die Bahn verteidigt ihre Preispolitik: "Wir beobachten den Wettbewerb sehr genau, sind aber sowohl von unseren Angeboten als auch den Tarifen überzeugt", so eine Sprecherin. Immerhin ermöglichten es Sparpreise, schon ab 29 Euro bundesweit unterwegs zu sein. Was sie nicht sagt: Die Kontingente sind oft so knapp bemessen, dass sie schon Wochen vor Fahrtantritt vergriffen sind. Für die besagte Strecke von Köln nach Hamburg offerierte die Internetseite der Bahn 18 Tage vor Fahrtantritt noch genau ein Sparangebot: 89 Euro für eine Strecke in der ersten Klasse.

Manchen geht es aber nicht nur ums Geld. Der einzige Geschäftsmann im Abteil hätte den Tiefstpreis nicht nötig. "Ich nehme sonst immer die Bahn, wollte aber den neuen Anbieter einfach so mal testen." Er lacht. "Diese gemütlichen Waggons haben es mir angetan. Früher war alles besser."

Viel Platz für's Gepäck

Die Klimaanlage kann er damit kaum gemeint haben, sie kühlt viel zu stark und lässt sich nicht regeln. Kommentar des Zugbegleiters: "Machen Sie einfach die Tür zum Gang auf, dann wird's wärmer." Auch die Tatsache, dass die Sitze bei jeder Positionsveränderung nach vorne auszuklappen drohen - man kann sie nämlich als Mini-Schlafbank zusammenschieben -, macht die Reise nicht bequemer. Immerhin ist viel Platz für's Gepäck.

Fahrkartenkontrolle: Ein Kringel mit dem Kuli auf den ausgedruckten Onlinetickets, fertig. Fahrkarten für den HKX kann man nur im Internet, per Telefon (neun Cent/Minute) oder gegen Aufpreis direkt an Bord kaufen, Automaten oder Schalter am Bahnhof hat das Unternehmen nicht. Wenige Minuten später ist der Zugbegleiter schon wieder da, diesmal allerdings als Servierer. Ein halber Liter Mineralwasser kostet 1,90 Euro; das "Menü" aus Vollkornschnitte und Getränk macht 3,90 Euro. Auf Gemüse-Sticks und Obst müssen die Fahrgäste allerdings verzichten - ausverkauft. Stattdessen präsentiert der Zugbegleiter Schokoriegel.

Der Verkauf an Bord läuft offenbar nicht schlecht, zumal es keinen eigenen Speisewagen gibt. In jedem Abteil schlägt jemand zu; das junge Publikum bedient sich ausgiebig beim Bier - wohl etwas zu ausgiebig, denn eine halbe Stunde später ist Schluss. "Die kriegen nichts mehr", sagt der Zugbegleiter zu seiner Kollegin. "Nicht dass die hinterher noch randalieren."

Vom Fahrplan her kann der HKX mit der großen Konkurrenz noch nicht mithalten. Montags bis mittwochs gibt es nur eine tägliche Verbindung; von Donnerstag bis Sonntag fährt der HKX bis zu drei Mal. Am Wochenende greift das Unternehmen dafür auch auf Züge der privaten Nord-Ostsee-Bahn zurück. "Mittelfristig werden wir weitere und auch längere Wagen einsetzen", stellt HKX-Geschäftsführerin Eva Kreienkamp in Aussicht. Von 2013 an sollen schließlich die modernisierten Waggons rollen, die früher in Österreich fuhren. Mit der bisherigen Entwicklung der Passagierzahlen ist Kreienkamp zufrieden: "Wir haben volle Züge, in denen viele zufriedene Fahrgäste sitzen." In diesem Jahr peilt das Unternehmen einen Umsatz von zwei bis drei Millionen Euro an.

Etwa vier Stunden braucht der HKX für die Strecke nach Hamburg - nur wenige Minuten mehr als die staatliche Konkurrenz. Und dann setzt der Zugbegleiter noch einen drauf und verabschiedet sich von einigen ungarischen Fahrgästen in deren Landessprache. Der junge Mann ist baff. "Erst ist er voll nett und dann redet er auch noch ungarisch. So was hab ich bei der Bahn noch nie erlebt."

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Quelle:
SZ vom 20.08.2012/goro/pak
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