Süddeutsche Zeitung

Unterwegs:In der Parkplatzhölle

Eine Lücke am Straßenrand, das wär's doch! Wär das ein Glück, ja, ein wahres Wunder! Aber wie solche eben auch sehr selten.

Von Richard Christian Kähler

Straße um Straße reiht sich das Blech aufgefädelt wie Perlenketten. Hell und dunkel schimmern die Glanzstücke rechts, links und leider komplett lückenlos. Denn genau so eine Lücke, so eine wunderbar leere Lücke, am Straßenrand oder auf dem Bürgersteig unter den Bäumen, das wär's doch! Wär das ein Glück, ein Gottesgeschenk, ja, ein wahres Wunder! Aber wie solche eben auch sehr, sehr selten. Was bleibt, ist stetiges Grauen, ständiges Generve und ein immer schlimmer werdender pain in the ass - die allabendliche Parkplatzsuche im angestammten Quartier.

Und plötzlich wünscht man sich, dieser verdammte Blechballast um einen herum, an den man so gekettet ist, er würde einfach verschwinden, sich - Puff! - dematerialisieren. Und man dürfte als endlich autobefreiter Mensch auf seinen eigenen müden Füßen nach Hause trotten. In die beheizte Garage, die man ja wenigstens für sich noch hat, wenn denn schon als gewöhnlicher Open-Air-Parker keine Extrabehausung für den Wagen.

Abend für Abend fiebert man so wie auf der verzweifelten Suche nach seinem verlorenen Schlüssel rund und nochmal rund ums Eck, verfolgt und begegnet von den Scheinwerfern anderer Verzweifelter, die ebenfalls die dritte oder bereits vierte Blockrunde drehen: "Gott, bitte, lass direkt vor mir jemanden wegfahren!" - Hilft ein Stoßgebet? Und zusätzlich noch eine Bitte ans Universum? Warum nicht! Man muss jede eventuelle Wundermacht um 10 Quadratmeter freien und legalen Erdenboden anflehen, der noch nicht mit Automobilen bedeckt ist.

So stellt man sich die Hölle vor. Und hat sie schon hier auf Erden: Allein in einen Wagen eingesperrt, auf höllisch zugeparkten, düsteren Straßen unterwegs, betend, flehend, fluchend und die Ewige-Weiterfahr-Verdammnis fürchtend: "Ihr, die ihr hier eingetreten seid, um einen freien Parkplatz zu finden, lasst alle Hoffnung fahren . . ." - Aber da. Ja. Jaaa! Gott, Universum und der ganze Rest, man dankt aus aufrichtigem abergläubischem Herzen.

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Quelle:
SZ vom 19.03.2016
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