Unterwegs im Cabrio:Fiat 124 Spider: Alt und neu im Vergleich

Fiat 124 Spider alt und neu

Zwischen diesen Autos liegen 50 Jahre: Der alte folgt dem neuen Fiat 124 Spider.

(Foto: Sebastian Hofmann)

Fiats neuer Roadster ist in allen Belangen besser, da sind sich unsere Autoren einig. Doch trifft er auch das Herz so zielsicher wie der alte 124 Spider von 1966? Eine Annäherung bei einer gemeinsamen Ausfahrt.

Test von Peter Fahrenholz und Jörg Reichle

Ein Sommertag im Allgäu, gut 30 Grad im Schatten, Flimmern überm Asphalt, es duftet nach frischem Gras und Waldboden. Und obendrüber spannt sich ein fast schon kitschig schöner, blauer Bilderbuchhimmel mit weißen Wolkentupfen. Eins steht fest: Wer hier und jetzt kein Cabrio fährt, ist für diese Art Auto ein für allemal verloren. Und doch ist offen fahren nicht gleich offen fahren. Im vorliegenden Fall trennen den Fiat Spider und sein Vorbild von einst fast 50 Jahre automobile Entwicklung. Fit und unternehmungslustig sind sie beide an diesem Tag. Der 124 Spider, Erstzulassung Mai 1969, vier Zylinder, 90 PS, 2+2 Sitze, präsentiert sich in Rosso Scuro und technisch tipptopp, der aktuelle metallicblaue Spider, ein reiner Zweisitzer, hält mit 1,4-Liter-Turbo, 140 PS und maximal 217 km/h dagegen. So wird die Ausfahrt, auch, zu einer Zeitreise.

Fahrenholz: Klar ist der Alte eine Schönheit. Dass der 124 Spider, der zur gleichen Zeit wie sein italienischer Konkurrent, der Alfa Spider auf den Markt kam, zu den Ikonen des Autobaus zählt, wundert nicht, wenn man ihn leibhaftig vor sich sieht. Perfekte Proportionen, eine klare Linie, kein opulenter Chromschnickschnack, obwohl das Auto doch auf dem amerikanischen Markt reüssieren sollte. Was es dann auch getan hat. Gut 170 000 der insgesamt fast 200 000 gebauten Spider gingen in die USA. So ein Auto zu bestaunen oder es zu fahren, sind zwei ganz verschiedene Dinge. Der erste Griff über die Schulter nach links hinten, in Fleisch und Blut übergegangen seit vielen Jahren, geht jedenfalls ins Leere. Natürlich, den Sicherheitsgurt gab es damals noch nicht.

Reichle: Dafür hat man als Fahrer ein bildschönes klassisches Armaturenbrett vor sich, das seinen Namen auch wirklich verdient. Vor dem Lenkrad, so groß wie eine Riesenpizza, sind fünf chromumrandete Rundinstrumente ins Holzfurnier eingelassen, zwei große und drei kleine und wer die Bezeichnungen liest - Giri, Benzina oder Olio - hat den Zauber der traditionellen italienischen Autobaukunst im Grunde schon erfasst. Das gilt auch für die beiden filigranen Hebelchen rechts und links an der Lenksäule, für den Blinker und solche Sachen. Wie gemacht für elegante italienische Männer und fein gekleidete, sportliche Damen. Und dann dieser Klang! Kaum hat man das winzige Schlüsselchen im Zündschloss gedreht, schnurrt der Vierzylinder mit warmem Brummen los. Dass damals aber auch viel zusammengezimmert wurde, ist allerdings ebenfalls nicht zu übersehen. Spaltmaße, in denen mühelos ein kleiner Finger verschwindet, waren seinerzeit - nicht nur bei Fiat übrigens - eher Regel als Ausnahme und die Nähte der Kunstledersitze würden heute garantiert auch keine Qualitätskontrolle mehr überstehen.

"Sind 140 PS zu mickrig? Nein, sie sind es nicht"

Fahrenholz: Nicht nur die Nähte. Auch das Material der Sitze ist längst aus der Zeit gefallen. Kunstleder, das ist ohnehin ein arger Euphemismus. Soll irgendwie nach Leder klingen, ist aber in Wahrheit Kunststoff, und von atmungsaktiv konnte damals natürlich auch noch keine Rede sein. Das heißt, bei sommerlichen Temperaturen schwitzt man binnen weniger Minuten ganz fürchterlich. Zumindest am Rücken. Von vorne kühlt einen Gott sei Dank der Fahrtwind. Ist ja ein Cabrio. Da bietet der neue Spider natürlich einen ganz anderen Sitzkomfort. Knackig eng sitzt man hinter einem aufgeräumten Cockpit (klar, so klassisch schön wie beim Alten ist es nicht) und was gegen das Bein drückt ist nicht etwa der Geldbeutel in der Hosentasche, sondern der Seitenhalt des Sitzes. Geradezu eine Einladung für eine flotte Kurvenwedelei. Dafür bietet der 140 PS starke Turbo-Benziner Power genug. Die 90 PS des Ur-Spiders waren damals eine Ansage. Heute kommt bei 140 PS schnell die Frage auf, ob das denn für einen Sportwagen nicht zu mickrig ist. Ist es nicht.

Reichle: Ach, im Grunde ist die Leistung bei solchen Autos sowieso nicht so wichtig und die Höchstgeschwindigkeit noch weniger. Dass der Ur-Spider 170 km/h lief und der neue mehr als 200 - geschenkt. Viel mehr kommt es aufs Fahrgefühl an. Präzise Lenkung für den sauberen Strich, gut abgestuftes Getriebe, spontane Reaktion aufs Gaspedal, gut dosierbare Bremsen. Nur eben wendig und knackig muss sich das Ding bewegen lassen.

Fahrenholz: Wendig und knackig ist der neue Spider in jedem Fall. Saubere Schaltung, präzise Lenkung, spielerisch leichtes Handling. Wer sich unmittelbar danach in den Alten setzt, merkt 50 Jahre automobile Entwicklung schon auf den ersten Metern. Die Kupplung verlangt einen intakten Wadenmuskel und die Bremsen machen den Eindruck, als sollte man ihnen eine abrupte Vollbremsung lieber nicht zumuten. Und auf eine Servolenkung möchte man auch nicht mehr verzichten.

"Dem alten 124er hört man gerne bei der Arbeit zu"

Reichle: Braucht man aber auch nicht bei den schmalen Rädern des Ur-Spiders. Aber so Sachen wie ABS oder Airbag vermisst man doch schmerzlich. Also fahrdynamisch und in Sachen Sicherheit ist der aktuelle Spider klar im Vorteil. Die Kurven rund um den Niedersonthofener See saugt er geradezu gierig auf. Dazu die direkte Lenkung mit dem steil stehenden Volant und die gut dosierbaren Bremsen - ein Gedicht. Und der Klang? Na ja, Vierzylinder bleibt halt Vierzylinder, ein ergreifendes Auspuffkonzert sollte man da nicht erwarten. Richtig unangenehm klingt der Spider aber nicht, trotzdem verdient sich der Alte in Sachen Akustik einen Extrapunkt. Der einst vom Ferrari-Techniker Aurelio Lampredi konstruierte Vierzylinder war ja auch ein besonders aufwendiges Triebwerk: Querstrom-Zylinderkopf aus Leichtmetall und die beiden obenliegenden Nockenwellen wurden von einem Zahnriemen aus Kunststoff angetrieben, was damals wirklich revolutionär war. Der Fiat klingt zwar nicht ganz so sonor wie ein Alfa aus den Sechzigern, aber man hört ihm trotzdem gerne bei der Arbeit zu.

Ein Japaner, verkleidet als Italiener

Fahrenholz: So viel Aufwand könnte sich Fiat heute gar nicht mehr leisten. Immerhin ist der Motor noch ein italienisches Eigengewächs. Was für den Rest nur bedingt gilt, denn eigentlich ist das Auto ja gar kein Italiener, sondern ein Japaner. Nämlich das Schwestermodell des Mazda MX-5, was man vor allem im Cockpit sieht, wo vieles sehr ähnlich aussieht. Auch gebaut wird der Fiat in Japan, nur der Motor wird aus Italien geliefert. Und ein schickeres Blechkleid hat man ihm in Turin geschneidert, von Design haben die Italiener eben schon immer etwas verstanden. Aber die Frage ist natürlich berechtigt: Steckt im neuen Spider wirklich noch etwas von den Genen des Alten? Oder ist er einfach nur ein gefälliges Baukastenauto, das mit viel Marketinggetöse zum Nachfolger einer Legende hochgejazzt wird?

Reichle: Klar, dass das Marketing kräftig an der Legendenbildung arbeitet, die Vergangenheit kann man ja nicht einfach zurückholen, auch wenn sich die Designer wirklich Mühe mit ihren optischen Zitaten gegeben haben. Der Kühlergrill etwa erinnert an das Vorbild, oder die dezent angedeuteten Heckflossen, die ein bisschen aussehen wie ein Schwalbenschwanz. Vom Preis des alten Spiders haben sich die Fiat-Leute leider bloß indirekt inspirieren lassen. Nur 10 980 hat man bei seiner Markteinführung 1966 verlangt, Deutsche Mark wohlgemerkt. Das war deutlich weniger als ein Alfa Spider oder ein Triumph TR4 damals gekostet haben. Heute kriegt man gut erhaltene 124 Spider aus dieser Zeit kaum noch unter 30 000 Euro.

"In 50 Jahren hat sich der Preis vervierfacht"

Fahrenholz: Dafür bekommt man ja schon einen Neuen! Die Basisversion kostet knapp 24 000 Euro, wer 17-Zoll-Räder, Ledersitze eine Klimaautomatik und noch ein paar weitere Extras möchte, muss für die Lusso-Variante noch mal etwa 1 500 Euro zusätzlich zahlen. Gemessen an den Preisen, die heute für Autos verlangt werden, ist der Spider zwar kein Schnäppchen, aber auch kein unerschwingliches Auto. Gemessen an seinem 50 Jahre älteren Vorfahren indes hat sich der Preis mehr als vervierfacht. Sind Autos heute aber auch viermal so gut wie damals?

Reichle: Ob drei- vier, oder fünfmal, wer kann das schon so genau sagen? Tatsache ist, dass der neue Spider technisch in so gut wie jeder Beziehung besser ist als der alte - fahrdynamisch, in Sachen Sicherheit und was die Umweltfreundlichkeit angeht, sowieso. Nehmen wir nur mal den Verbrauch. 14, 15 Liter gönnt sich der alte leicht auf 100 Kilometer, mit dem neuen schafft man die Hälfte. Und so wie der alte stinkt, sieht es mit den Schadstoffen nicht besser aus. Ein Riesenthema war früher auch der Rostfraß, der hat die Spider seinerzeit reihenweise dahingerafft. Davon spricht heute niemand mehr.

Fahrenholz: Was spricht dann heute überhaupt noch für diesen Oldtimer, nur die schöne Farbe und viel Sentimentalität?

"Im Alten spürt man jede Biegung, jede Rille im Asphalt in den Fingerspitzen"

Reichle: Natürlich ist da eine Riesenportion Romantik im Spiel, die Sehnsucht nach einer Zeit, als die Autos und die Welt noch einfach zu begreifen waren. Nichts ist an diesem Auto aus den Sechzigerjahren zu viel, das fängt beim Design an und geht bei der Bedienung weiter. Touchscreen, Keyless go und so Sachen, wer braucht das wirklich? Dafür spürt man jeden Meter dieser herrlichen Landstraßen im Allgäu in den Fingerspitzen. Jede noch so kleine Biegung, jede Rille im Asphalt. Schnell fahren muss man dazu gar nicht, so 80, 90 Sachen reichen schon. Immerhin hatte der Spider schon damals ein Fünfganggetriebe und Scheibenbremsen an allen vier Rädern serienmäßig. Und weil's noch keine Windschotts gab, braust an Tagen wie diesen der Wind von überall her und treibt einem die trüben Gedanken aus.

Fahrenholz: Ein Windschott hat der neue auch nicht. Das haben sich die Entwickler gespart, genauso wie etwa eine Nackenheizung. Ja, so etwas gibt es heute für Cabrios, was die Frage aufwirft, warum einer dann Cabrio fährt, wenn er die frische Luft gar nicht spüren möchte. Insofern steckt im neuen Spider doch mehr vom alten als nur der Name: Er ist ein auf puren Fahrspaß getrimmtes Auto. Sicher, er ist das technisch bessere Auto als der alte, wäre es nicht so, hätten die Entwickler 50 Jahre lang geschlafen. Doch je länger man ihn fährt, desto mehr entfaltet sich der Reiz des Alten. In so einem Auto mit der gebotenen Rücksicht auf ältere Herrschaften über kurvige Landstraßen zu fahren, ist die perfekte Entschleunigung in einer Zeit, wo alles immer schneller gehen muss. Klar, der Außenspiegel ist winzig, der Rückspiegel wackelt ab Tempo 50 wie ein Lämmerschwanz und in Rechtskurven produziert der Wagen merkwürdige, scheppernde Geräusche. Aber was macht das alles schon?

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