Unterwegs:Hupen und hoffen

Wer sich über den Verkehr in Deutschland aufregt, sollte dringend nach Asien reisen, Sri Lanka zum Beispiel. Zwischen wildgewordenen Tuc Tucs und Schulbussen im Renntempo lernt man das Fürchten. Und freut sich wieder auf daheim.

Von Jörg Reichle

Am deutschen Verkehr gibt es ja immer was zu meckern: an Baustellen und an den Staus, an Tempolimits, Falschparkern, Radlmobbern und Fußgängerschrecks. Dazu kommen Schlaglöcher und (demnächst wieder) trantütige Schneeräumer. Und, klar, die Bei-Grün-nicht-Losfahrer, die Überhol-Rowdys und Vordrängler, die Schnarchnasen und die Nichtblinker. Und die ganzen Lastwagen. Überhaupt: Die Straßen sind zu voll, der Lärm unerträglich und die Luft verpestet.

Wenn Sie also denken, es gibt nichts Schlimmeres als den deutschen Verkehr sollten Sie dringend Ihren nächsten Urlaub in Asien verbringen. In Sri Lanka, zum Beispiel. Dort fahren alle Autos auf der falschen Seite. Nein, kein Scherz. Offiziell heißt es natürlich, dass hier Linksverkehr herrscht. Tatsache ist aber, dass hier jederzeit jeder jedem entgegenkommt. Nehmen wir nur mal eine ganz normale zweispurige Landstraße. Oder eine Ortsdurchfahrt. Es fahren also beispielsweise in die eine Richtung und irgendwie nebeneinander, wohl gemerkt: drei bis zehn Tuc Tucs, das sind diese drolligen motorisierten Baldachins mit drei Rädern, die man in anderen Weltregionen als Heuschreckenplage bekämpfen würde, ein gefühltes Dutzend Motorräder, ein paar altersschwache Lieferwagen, diverse aus vollen Töpfen röhrende Laster, und, gleichsam als Krönung des Ganzen, renntaugliche Schulbusse nahe der Haftgrenze. Dazwischen kämpfen ums Überleben: jede Menge Fußgänger, hier nicht zuletzt in Gestalt von dürftig bekleideten Straßenhändlern und Rudel von mehr oder weniger gelangweilten Straßenkötern. Wer überholt (also jeder!), hupt und hofft - dass sich im breit heranrauschenden Gegengewimmel doch zu guter Letzt doch noch eine klitzekleine Lücke auftun möchte. Was, oh Wunder, auch (fast) immer klappt.

Polizei gibt es übrigens auch: Wo immer eine durchgezogene weiße Mittellinie die Oberhand über das Chaos gewinnen möchte, lauern die Motorradstreifen, braun uniformiert, im Halbschatten. Und lieben alle, die keine Quittung für ihr Bußgeld wollen. Einen kleinen Schwatz gibt's dann gratis. Wer das alles unbeschadet übersteht, den kann nichts mehr schrecken, zumindest nicht in Deutschland.

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