Unterwegs:Freiheit auf die altmodische Tour

Gurtpflicht

Seit 1970 gilt in Deutschland die Anschnallpflicht - Oldtimerfahrer sind davon aus technischen Gründen ausgenommen.

(Foto: Bernd Settnik/dpa)

Kein Gurt, kein Airbag - das ist so unvernünftig wie Rauchen, Trinken und viel zu viel fettes Essen auf einmal!

Von Richard Christian Kähler

"Das Land ist wirklich schön und die Leute fast schon erschreckend freundlich und normal - im Vergleich zur Großstadt jedenfalls!" Sprach der Freund und Großstadtflüchtling. Nach dem geruhsamem Landleben heißt es umschalten auf den Stadtmodus und heruntergefahrene Reaktionen blitzschnell reaktivieren. Ein Glück, dass man kein echtes Landei ist! Hätte man diese vielspurigen Verrücktheiten und überraschenden Hindernisse, spinnerte Spurwechsler und sinnlose Ampelsprints nicht auf dem Radar, finge man jetzt an, Blut zu schwitzen.

Doch was den Kick der Rushhour noch mal erhöht: Wenn man nicht angeschnallt ist. "Gurte? Musst du nicht", antwortet der Freund bei der Ausflugs-Einweisung für seinen 67er-Oldie. Stimmt, Anschnallpflicht gibt's erst seit den 70ern. - "Und kannst du auch nicht! Er hat keine. War so original und darf auch so bleiben. Das vergünstigte H-Kennzeichen gibt's schließlich für die Pflege eines historischen Fahrzeugs!"

Unglaublich: Man macht sich nicht strafbar. Kein Knöllchen, keine Punkte, und da piepst auch nichts! Und als Erlebnis eine Zeitreise in den nackten ungeschützten Wahnsinn. Ein haltloses und vogelfreies Gefühl wie James Dean in den Fifties im Porsche Spyder kurz vor dem Crash. Kein Gurt, kein Airbag - das ist so unvernünftig wie Rauchen, Trinken und viel zu viel fettes Essen auf einmal!

Bei 30 km/h ist das schon so ein rebellisches Gefühl wie artig angeschnallt im Bugatti ab 300 km/h. Prompt fragt man sich, ob Nichtanschnallen zu Versicherungsverlust führt? Und man geht durch die Scheibe und wird nur noch notdürftig zusammengetackert? Legal unangeschnallte Fahrer werden für Unfallfolgen, die mit Gurt glimpflicher ausgefallen wären, trotzdem häufig nicht zur Extrakasse gebeten.

Doch allein ums eigene Heilbleiben besorgt, fährt man ohne Gurt noch vorsichtiger. Nicht langsamer, aber noch vorausschauender. Wie es selbstverantwortliches Beschleunigen, Lenken und Bremsen einer 1000-Kilo-Kutsche fordert: mit hellwachen Sinnen, im Gigabereich trillernden Nerven und Hirnprozessorkernen, die in tiefer, glücklicher Autofahrer-Konzentration leise vor sich hin glühen.

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