Süddeutsche Zeitung

Unterwegs:Der liebe Kokoschinski

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Herr Kokoschinski hat vor den Toren der Stadt eine kleine Autowerkstatt. Werkstatt, zwei Hebebühnen. Dort hört er sich geduldig die Klagen der Kunden an. Und manchmal kann er ihnen helfen. Doch Kokoschinski hat noch ein anderes Leben.

Von Christian Kähler

Herr Kokoschinski, der hier um die Ecke eine kleine Autowerkstatt mit zwei Hebebühnen und einer Grube betreibt und den gereiften Wagen der eigenen Frau und ihre Sorgen um ihn schon seit Jahren mit zuversichtlich nickendem Schweigen sowie handwerklich scheinbar kompetent begleitet, hat anscheinend auch noch eine andere Seite. Eine, die man nicht so leicht erkennt.

Und in dem Leben steht er nicht frühmorgens lächelnd da, während die Frau ihm Schlüssel und Papiere überreicht und ihm von dem "Klingeln irgendwie da unten irgendwo" erzählt und diesem "Poltern mehr so von hinten unten irgendwie". Er sitzt dann in seinem zwar preiswerten, aber trotzdem hochherrschaftlich aufgebockten SUV mit reichlich Offroad-Accessoires, der vor der Werkstatt steht, und brettert wahrscheinlich wild durch die Walachei. Ein Autofan von altem Schlag, irgendwie.

Und bevor man selbst seiner Frau weiter dabei zuhört, wie sie dem beneidenswert geduldigen Herrn Kokoschinski zu erklären versucht, dass da auch noch "irgendwas immer irgendwo so schrecklich quietscht", schaut man sich wie beiläufig auch noch die abenteuerlich wirkende Kiste von Kokoschinskis Gehilfen an, der soeben damit auf den Hof gefahren ist.

Und wird belohnt mit inzwischen ja eher seltenen, aber dafür um so erfrischenderen Autorebellen-Aufklebern: Ein Doppelauspuff und dazu "Eat My Feinstaub"' - ha, das ist ja fast schon ungutmenschlich! Und: ein Radarfallen-Symbol und daneben, wie in eine Knastmauer geritzt, acht Zählstriche. Da denkt man unwillkürlich: genau! So soll's doch zugehen in einer zünftigen Kfz-Bude, wo nicht nur noch Weißkittel mit Laptops herumlaufen. Autofreunde sind das, von altem Schrot und Korn

Aber als man abends den Wagen wieder abholt und zurück um den Block schnurrt, klingelt und poltert da nicht irgendwo immer noch irgendwas? - "Ja", säuselt da die Frau. "Aber irgendwie gar nicht mehr so schlimm, oder?" Mein lieber Kokoschinski, das muss man erst mal hinbekommen.

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Quelle:
SZ vom 02.01.2016
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