Unterwegs:Das Tempolimit durch die Hintertür

Pragmatismus ist: Langsam fahren. Denn es ist inzwischen selbst für Besser-verdiener ein Unterschied, ob ein Tank für 250 oder 400 Kilometer reicht.

Jörg Reichle

Neuerdings kann man auf deutschen Autobahnen Ungewöhnliches beobachten. BMWs auf der rechten Spur zum Beispiel. Oder hochprozentige Audis, die sich behutsam mit Richtgeschwindigkeit fortbewegen. Auch Mercedesse wurden bereits gesichtet, die freiwillig die Überholspur räumten und Kleinwagen widerstandslos vorbeiziehen ließen. Selbst brachiale Cayenne trödeln inzwischen friedfertig hinter linkslastigen Sharan dahin, ohne mit der Lichthupe zu zucken.

Was ist geschehen, fragen wir uns. So viele randvolle Flensburger Punktekonten kann es doch nicht einmal unter Vielfahrern geben. Die tappten früher gerne multipel in Tempofallen und mussten dann um ihre Lizenz zum Löten bangen. So wurden sie demütig und gesetzestreu.

Nein, die neue Friedfertigkeit unter den vormaligen Herrenfahrern könnte, ganz banal, mit den derzeitigen (und wohl auch künftigen) Benzinpreisen zu tun haben, auch so manche Äußerung an deutschen Stammtischen deutet darauf hin. Es ist schließlich inzwischen selbst für Besserverdiener ein Unterschied, ob eine Tankfüllung bloß für 250 Kilometer reicht, oder für 400. Und jeder, der seinen Gasfuß zügelt, weiß, dass er damit seine Reichweite angesichts des Peak of Oil wenigstens vorübergehend ein bisschen erweitern kann.

Ganz abgesehen vom Benzinsparen hat das Ganze aber noch einen kuriosen Nebeneffekt: Denn während noch der Bundesverkehrsminister in einvernehmlicher Betonköpfigkeit mit der deutschen Autoindustrie wacker gegen ein generelles Tempolimit auf Autobahnen zu Felde zieht, das Brüssel so gerne hätte, laufen ihnen still und leise die einst tempotrunkenen Getreuen davon und wechseln PS-stark ins Lager der Pragmatiker über. Auch ein Erfolg.

© SZ vom 26.04.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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