Unterwegs:Angenehm entspannt

Wer mit einem in die Jahre gekommenen Durchschnittsauto unterwegs ist, fühlt sich auf dem Land wohler. Denn da fahren die meisten solche Autos.

Von Richard Christian Kähler

Wenn man einen schon ziemlich in die Jahre gekommenen Durchschnittswagen fährt, fällt einem irgendwann auf, dass man sich in einer Kleinstadt auf dem Land irgendwie wohler fühlt als in der Großstadt und seiner Glitzercity. Bis auf ein paar auffallende Luxusautos der städtischen Landhausbesitzer fahren hier fast alle eher leicht abgerockte Standardkisten.

Und man muss kein Sozialist sein, um zu ahnen, dass dieses pares inter pares, dieses "Gleicher unter Gleichen"-Sein die Gemeinschaftsgefühle deutlich mehr stärkt als die nicht vorhandenen Gemeinsamkeiten zwischen den prekären Kleinstwagentreibern und den SUV-Bolidenlenkern der eiligen "Urban Elite" in einer Millionenstadt. Im angenehm unaufgeregten Normalstädtchen fährt man durch die niedliche Minieinkaufsstraße freiwillig mit maximal 30 Kilometer pro Stunde - allein schon, weil man sonst in einer Minute wieder hindurch wäre. Und mangels Menschenmassen betrachtet man interessiert jede einzelne Gestalt rechts und links der Straße, grüßt seine Sparkassenberaterin in der Mittagspause und winkt dem lustigen Herrn zu, mit dem man gerade eben noch am Postschalter geschwatzt hatte.

Und donnert wenig später dann doch der kreisbekannte Motorradraser durch die Straße, schüttelt die Handvoll Passanten einheitlich missbilligend den Kopf. In einer Metropolen-City unter 10 000 und mehr Fremden ist man hauptsächlich mit Nichtansehen beschäftigt, hier hingegen schweift der Blick auf steter, neugieriger Suche. Unter Millionen sieht einen eben keiner, in der Kleinstadt indes jeder. Das lässt einen beruhigend uneinsam fühlen.

Und rollt man dann in entspanntem Tempo wieder raus auf die Landstraße, trifft man doch noch ein paar Spinner, wie man sie aus der Großstadt zuhauf kennt und die man schon fast vermisst hatte. Die zwischen zwei Tempo-70-Strecken mindestens einmal kurz auf 180 Sachen kommen müssen. Nun ja: Es gibt leider doch kein Paradies ganz ohne Fehler.

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