Umgang mit Verkehrsdaten:Offene Daten können uns mobiler machen

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Berlin cityscape with road traffic

Baustellen stressfrei umfahren und nie wieder mit Gepäck vor einem kaputten Lift stehen: Daten machen's möglich. Theoretisch.

(Foto: Getty Images)

Wo gibt es Staus? Welche Aufzüge sind kaputt? Verkehrsbetriebe und Stadtverwaltungen erheben solche Daten, legen sie aber nicht offen. Dabei könnten die Bürger enorm von ihnen profitieren.

Von Julia Kloiber

Die erste mobile Nahverkehrs-App für Berlin entwickelte 2008 der Student Jonas Witt. Innerhalb weniger Tage wurde "Fahrinfo" von Tausenden Menschen heruntergeladen. Drei Wochen später schaltete sich der lokale Verkehrsbetreiber ein und untersagte die Nutzung. Jonas Witt wurde aufgefordert, die Netzpläne aus urheberrechtlichen Gründen aus der Anwendung zu entfernen. Die Nutzerinnen und Nutzer protestierten. Sie wollten nicht einsehen, warum Informationen zu Bus- und Bahnverbindungen ein Geheimnis sein sollten. Mit Erfolg: Die App durfte wenig später mit einem Vermerk, dass es sich nicht um eine offizielle Anwendung der Verkehrsbetriebe handle, wieder online gehen.

Heute ist es kaum noch vorstellbar, sich in Städten ohne digitale Fahrplan- und Kartenanwendungen von A nach B zu bewegen. Trotzdem sind viele nützliche städtische Daten nicht offen verfügbar. Das blockiert nicht nur Innovation, sondern verhindert auch die Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern.

Daten sind längst nicht mehr nur nützliches Beiwerk, sie sind ein wichtiger Teil der Infrastruktur. Für BVG, MVV, VVS und Co. genügt es heute nicht mehr, den Fahrplan in Papierform auszuhängen oder über eine firmeneigene Anwendung anzubieten. Niemand will sich für jede Stadt eine andere App installieren. Die Menschen sind es gewohnt, Informationen über mehrere Kanäle zu bekommen. Deswegen müssen Daten offen zur Verfügung stehen. Nur dann können sie von Dritten genutzt und in neue Dienstleistungen und Services verwandelt werden.

Das gilt auch für Daten, die von Stadtverwaltungen erhoben werden - und davon gibt es jede Menge. Sie messen Verkehrsaufkommen und Lärmbelastung, wissen, wo es wie viele Parkplätze und Fahrradwege gibt und wie es um Barrierefreiheit und Umwelt bestellt ist. Sie haben Details über Planungsvorhaben, Baustellen und Unfallschwerpunkte.

Von den Daten würden alle profitieren

Diese Daten sind aber keinesfalls nur verwaltungsintern bedeutsam, sondern auch für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Forschungseinrichtungen interessant. Firmen können auf Basis solcher Informationen neue Dienstleistungen entwerfen oder bereits bestehende Angebote verbessern. Das Immobiliensuchportal der Zukunft könnte Lärmwerte, Luftqualität und das Verkehrsaufkommen vor der Haustür angeben. Forschungseinrichtungen könnten Verkehrsströme und Parkplatzauslastung simulieren, die wiederum den Verantwortlichen bei der Stadt helfen würden, besser zu planen. Journalisten könnten Themen wie Gentrifizierung und Bauvorhaben genauer unter die Lupe nehmen und die Einheimischen fundierter informieren. Und alle würden von diesen Entwicklungen profitieren. Baustellen ließen sich entspannt umfahren, Parkplätze schneller finden, und die Schienenerneuerung der Straßenbahn würde nicht schon wieder für Ärger sorgen, wenn man im Vorhinein wüsste, wo der Ersatzbus fährt.

Diese Szenarien liegen nicht in ferner Zukunft, sie sind jetzt schon Realität. Das zeigt die Anwendung "BrokenLifts". Sie informiert in Echtzeit über die Verfügbarkeit von Aufzügen in Berlin. Wer auf Rollstuhl oder Gehhilfe angewiesen oder mit dem Kinderwagen unterwegs ist, wird via Smartphone schnell und einfach über kaputte Aufzüge in Bahnhöfen informiert und kann den Weg durch die Stadt besser planen. "BrokenLifts" basiert auf Daten, die von den Berliner Verkehrsbetrieben offen zur Verfügung gestellt werden. Da es sich dabei nicht um personenbezogene Informationen handelt und das Argument Datenschutz also nicht zählt, fragt man sich doch, warum dies 2017 nicht schon in allen Städten möglich ist.

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