Übernahmepläne durch Peugeot:Opel erreicht ein Blitz aus düsterem Himmel

Erst kürzlich gelang es, das Image zu entstauben - auch dank Jürgen Klopp. Doch die Übernahme-Gerüchte wecken böse Erinnerungen.

Von Thomas Fromm und Max Hägler

Bei Opel im hessischen Rüsselsheim beherrschen sie das Bauen von Autos schon seit vielen Jahrzehnten, so ist es nicht. 24 Feststoffraketen montierten die Ingenieure einst auf ein stählernes Chassis, und auch wenn nicht alle zündeten, schoss die derart motorisierte Höllenmaschine über die Avus in Berlin. So ungefähr mit 230 Kilometern pro Stunde. Weltrekord in diesem Moment. Aber das ist lange her, 90 Jahre bald.

Die Firma Opel von heute ist ein Autobauer ohne Rekorde und mit einer schwierigen Verfasstheit. "Umparken im Kopf" lautet der recht einprägsame Werbeslogan aus Rüsselsheim, er soll potenzielle Kunden zum Nachdenken bewegen, Modernität und Flexibilität vermitteln. Jetzt könnte wohl gelten, dass die Opelaner selbst umparken müssen: nicht mehr der US-Konzern General Motors (GM) als Muttergesellschaft, sondern der französische PSA-Konzern. Nicht mehr Autos der Marken GM und Cadillac als Geschwister, sondern Opel als dritte Marke neben Citroën und Peugeot? Das wäre etwas ganz anderes. Und es wäre wieder einmal Anlass für die 35 600 Beschäftigten, mit Sorge in die Zukunft zu schauen.

Die Franzosen bauen Autos in ähnlichem Format für eine ähnliche Zielgruppe auf demselben Markt - Europa. Es ist offenkundig, dass es um Synergien geht, also wahrscheinlich Jobs wegfallen würden. Wieder einmal. Und vielleicht dramatischer als in all den bisherigen Krisen.

Entstanden ist das Unternehmen aus einer Nähmaschinen-Fabrik, die der Schlosser Adam Opel im Jahr 1862 in seinem Heimatort Rüsselsheim aufbaute. Es kamen Fahrräder dazu und 1899 der erste Motorwagen. In der Weimarer Republik ist Opel der größte Automobilhersteller Deutschlands - doch die Weltwirtschaftskrise bringt die Hessen in Not. Und zu General Motors: Seit dem Jahr 1929 gehört die Marke mit dem Blitz den Amerikanern.

Schon 2008 steht Opel kurz vor dem Verkauf

Dauerhaft glücklich sind die beiden Firmen schon seit Jahrzehnten nicht mehr. In den 1990er-Jahren begann GM immer stärker in Rüsselsheim zu regieren, andauernd wurden Manager aus den USA nach Hessen gesandt. Sie veranlassten hohe Überweisungen zur Konzernmutter, insgesamt 4,5 Milliarden D-Mark in jenem Jahrzehnt. Zugleich setzten sie ein Sparprogramm durch, unter dem die Qualität der Autos litt, und sie entschieden sich auch noch gegen Investitionen in Dieselmotoren, die damals in Europa gefragt waren.

Und immer wieder überlegen die Amerikaner, die europäische Tochter loszuwerden. Im Jahr 2008, der Zeit der Finanzkrise, steht GM vor dem Zusammenbruch: In den USA verkaufen sich immer weniger Autos. Schließlich springt der Staat ein, gewährt 50 Milliarden Dollar Hilfe. Auch Opel ist in Schwierigkeiten in Europa - und soll verkauft werden. Der damalige Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will der deutschen Tochter keine Subventionen gewähren, will Opel in die Insolvenz gehen lassen. Auch sein Nachfolger Rainer Brüderle (FDP) bleibt hart: Der Bund gibt kein Geld. Fiat bietet sich als Käufer an und auch der Autozulieferer Magna - doch in letzter Sekunde wird die Konzernmutter GM wieder handlungsfähig und beschließt: Opel bleibt amerikanisch!

Opel-Chef Neumann hat mit seinem Team das Image gedreht

Immerhin, keine Abwicklung. Aber harte Einschnitte. Die Amerikaner fordern die Werke von Opel und dem britischen Ableger Vauxhall zum Wettstreit heraus: Die besten dürfen überleben. Die Fabrik in Antwerpen schließt; bald auch das Werk in Bochum. In guten Zeiten schafften hier über 20 000 Menschen. Als dann im Januar 2014 die damals neue GM-Chefin Mary Barra zum Antrittsbesuch nach Rüsselsheim kommt, scheint alles wieder zu laufen. An einem Mittag stand sie in der Halle des Adam-Opel-Haupthauses, Arbeiter um sie herum, einige lehnten sich in den oberen Etagen über das Geländer, und Barra sagte: "Opel ist eindeutig ein lebenswichtiger Teil unseres Unternehmens." Ein Bekenntnis. Zumal die Rede davon war, dass man gemeinsam einen Plan erarbeitet habe, der bis ins Jahr 2022 reiche.

Jürgen Klopp am Steuer eines Opel

Fußballtrainer Jürgen Klopp ist seit einiger Zeit Opel-Markenbotschafter - und half kräftig beim Imagewandel mit.

(Foto: Adam Opel AG)

Auch Opel-Chef Karl-Thomas Neumann war damals neu. Der studierte Elektroingenieur brachte eine Marketingchefin mit, die vorher Shampoo-Werbung gemacht hatte, und beschloss mit ihr diesen Slogan: Umparken im Kopf. Denn als Kernproblem hatte Neumann das Image ausgemacht: "Es ist wirklich eine Schande, dass die Marke Opel heute den großartigen Produkten eher im Weg steht, als dass sie hilft. Und das müssen wir wieder drehen." Von Astra über Manta bis Senator - allein die Namen der Modelle klangen verstaubt. Das hat Neumann mit seinem Team tatsächlich gedreht. Ganz persönlich, mithilfe von Twitter-Nachrichten, die er gerne verschickt. Und mithilfe von Prominenten, etwa dem Fußballtrainer Jürgen Klopp, der ja auch eher sperrig ist im Auftreten.

"GM hat jetzt endgültig die Lust verloren"

Das Image ist das eine, aber die Zahlen sind das andere. Im Geschäftsjahr 2016 solle Opel das erste Mal seit dem Jahr 1999 wieder Gewinn machen, forderte GM-Chefin Barra. Doch stattdessen: 257 Millionen Euro Verlust. Und der Marktanteil ist weiter entfernt von früheren Rekorden: sieben Prozent. Neumann erklärte das mit den Folgen des Brexit: Das Pfund sei schwach und habe die Bilanz zerstört. Das sehen Kenner des Unternehmen anders. "GM hat jetzt endgültig die Lust verloren", sagt ein Insider. "Der Brexit mag auch ein Grund sein für die Entwicklung bei Opel, aber er dient jetzt auch als Ausrede. Die Lage bei Opel ist auch ohne Brexit nicht gut."

Würden nun PSA und Opel zusammengehen, dann würde es zu "riesigen Überschneidungen" kommen. Mit anderen Worten: Das Geschäft ergibt nur dann Sinn, wenn Fabriken geschlossen und Arbeitsplätze kassiert werden. Nach dem Bochumer Werk könnte es nun das Eisenacher Corsa-Werk treffen. Der Corsa könnte ins spanische Opel-Werk in Saragossa verlagert werden. Abermals also Streichungen - bei denen Opel in einer sehr schlechten Verhandlungslage wäre: PSA ist inzwischen ein politisches Unternehmen mit dem französischen Staat und einem chinesischem Autobauer an Bord. "Opel würde in einer solchen Konstellation am seidenen Faden hängen und könnte seine Interessen kaum durchsetzen", so der Insider.

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