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U-Bahn-Bau in Lausanne:Gib Gummi!

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Für den Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde: Lausanne wird die erste Stadt der Schweiz und die kleinste Großstadt der Welt mit einer eigenen U-Bahn sein - die noch dazu auf Pneus rollt.

Gerd Zitzelsberger

Wer die Lausanner beleidigen will, muss nur "Bergbahn" sagen. "Nein", gibt Jacques Filippini von den städtischen Verkehrsbetrieben indigniert zurück, "das ist keine Bergbahn, das ist eine richtige Metro". Lausanne mit seinen 130.000 Einwohnern wird in zwei Wochen die erste Stadt der Schweiz und die kleinste Großstadt der Welt mit einer eigenen U-Bahn sein: Mit einem Drei-Tages-Fest weihen die Lausanner vom 18. September an ihre "m2" ein. Danach wird sie wegen Programmier-Problemen wieder geschlossen, der kommerzielle Betrieb beginnt frühestens Ende Oktober. Aber das mindert die Euphorie nicht. Schließlich ist es wegen der schwierigen Topographie am Hang des Genfer Sees ein spektakuläres Projekt, und alle hoffen, dass die Bahn die Verkehrsprobleme der Stadt lindert.

Zwölf Prozent Steigung am Hang

In das Guinness-Buch der Rekorde wird das neue Bauwerk eingehen, weil es eben doch eine halbe Bergbahn ist. Keine andere U-Bahn der Welt hat ein so starkes Gefälle zu bewältigen. Vom einen Ende, der Station Ouchy am Ufer des Genfer Sees, bis zum anderen Ende, dem Vorort Epalinges auf den Hügeln hinter dem Stadtzentrum, misst die Strecke sechs Kilometer, der Höhenunterschied beträgt 338 Meter. Auf dem steilsten Abschnitt erreicht das Gefälle zwölf Prozent. Mit normaler U-Bahn-Technik wäre das nicht zu bewältigen. Deshalb fährt die m2 nicht auf Stahlrädern, sondern auf 16 Gummipneus, die wie Lkw-Reifen aussehen.

Getestet wurde die Technik bereits in Paris. Auch dort rollt eine Linie der Metro auf bereiften Rädern. Um die Rutschgefahr noch zu verringern, sind in Lausanne die Stahlplatten, auf denen die Bahn läuft, geriffelt.

Zehn Prozent der Strecke liegen über der Erde. Auch dort erfordert die Topographie ein unkonventionelles Bauwerk: An einer Brücke für den Autoverkehr haben die Ingenieure Löcher in die Pfeiler bohren lassen und die U-Bahn quasi als neues Tiefgeschoss einfach eingehängt. Anders als üblich steuert zudem kein Zugführer die Wagen, sondern sie geistern vollautomatisch durch die Tunnel.

Rekordverdächtig ist auch die Bauzeit. Zwar hatte es bis zur Entscheidung für die Bahn lange gedauert. Aber zwischen dem ersten Spatenstich und dem Betriebsbeginn liegen nur viereinhalb Jahre. Selbst dass die Tunnelbauer in der Altstadt plötzlich auf eine Grundwasser-Ader stießen und ein Tunnel deshalb einbrach, hat den Zeitplan kaum durcheinander gebracht.

Umgerechnet 450 Millionen Euro kostet das neue Glanzstück der Schweizer Verkehrstechnik. Dafür verkürzt sich die Fahrzeit von der Endstation Epalinges zum Lausanner Hauptbahnhof von 45 auf 15 Minuten. Der grüne Stadtpräsident Daniel Brélaz, einer der Väter des Projekts, schwärmt: "Die Metro verleiht der Stadt eine neue Dynamik." Lausanne ist zwar Sitz des Olympischen Komitees und vieler anderer internationaler Sportverbände. Dank der Metro würden nun neue Wohnhäuser in Vororten gebaut, möglicherweise siedelten sich auch neue Firmen an, hofft der Stadtpräsident.

Die wirklich erste U-Bahn im Land der 1000 Tunnel ist die m2 freilich nicht: Seit 1980 schon haben die Zermatter ihre Sunegga-Bahn. Sie fährt in einer Röhre im Felsen bis auf 2300 Meter hinauf.

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SZ vom 03.09.2008/gf
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