Süddeutsche Zeitung

Tunnelbau:Das Geschäft mit dem Feuer

Mit neuer Technik schützen die Alpenländer ihre Tunnel vor Bränden. Eine Handvoll Firmen bekommt die Millionenaufträge.

Varinia Bernau

Das Feuer hat den Tank erfasst. Grelle Flammen zucken aus dem Wagen. Dichter Rauch wabert durch den Tunnel. Der Gestank beißt in der Nase. "Nun wird es so langsam ungemütlich hier", sagt Max Kobler so bedächtig, wie dies wohl nur mit Schweizer Dialekt möglich ist. Gelassenheit gehört zu seinem Geschäft. In einem fünf Kilometer langen Versuchsstollen nicht weit von St. Gallen legt der Verkaufsleiter für Siemens-Sicherheitssysteme regelmäßig Feuer. Für Planer und Betreiber von Tunneln stellt er nach, welche Gefahren darin lauern - und wie sie gebannt werden können.

Siemens hat dazu ein Glasfaserkabel entwickelt, das auch unter der Decke des Schweizer Stollens gespannt ist. Nicht einmal so breit wie ein Fingernagel. Mit der aufsteigenden Hitze ändert sich der Verlauf des Lichts in dem Kabel, das so zu einem metergenauen Temperaturfühler wird. Das schrille Jaulen einer Sirene hallt bereits durch den Schacht, als Kobler an einen Bildschirm bittet. Darauf ist eine rote Linie zu sehen. Bevor er zündelte, verlief sie eben. Nun schlägt sie einen spitzen Zacken. Bis zur Marke von 83 Grad, auf der Höhe von Meter 37 des Kabels - an der Stelle also, an der das brennende Auto steht. Alle 15 Sekunden werden die Daten aktualisiert. Je genauer die Temperaturkurve, desto schneller kann der Brand gelöscht werden. Mit dieser Technik hält Siemens etwa 70 Prozent des Schweizer Markts. Weltweit hat der Konzern 2500 Kilometer des Glasfaserkabels verlegt - eine Strecke länger als die von Oslo nach Palermo.

Rein statistisch fängt in einem Schweizer Tunnel nicht einmal alle zweieinhalb Jahre ein Auto Feuer. Doch auch seltene Schäden können verheerend sein: Im Gotthardtunnel, einem der längsten Straßentunnels Europas, kamen bei einem Brand vor neun Jahren elf Menschen ums Leben. Die Schweiz investierte daraufhin umgerechnet mehr als 200 Millionen Euro, um die Straßentunnel sicherer zu machen. Der Ruf nach besserem Brandschutz ist dann am lautesten, wenn sich die bestehenden Richtlinien als zu schlecht erwiesen haben. So werden die Standards in den EU-Staaten schrittweise bis 2019 erhöht: Alle Tunnel über eine Länge von mehr als 500 Metern müssen bis dahin mit Detektoren ausgestattet werden.

Securiton, eine auf Alarm- und Sicherheitssysteme spezialisierte Tochter des Konzerns Securitas und Siemens wichtigster Konkurrent in den Schweizer Alpen, verspricht sich davon allein Aufträge im einstelligen Millionenbereich. In den nächsten neun Jahren sollen europaweit insgesamt etwa sieben Milliarden Euro in die Nachrüstung von Straßentunneln investiert werden, so eine Schätzung des Automobilclubs ADAC.

Der Konkurrenzdruck in dem Geschäft mit der Sicherheit ist jedoch hoch. Es ist ein abgesteckter Nischenmarkt. Nur eine Handvoll Generalunternehmer gibt es, die Bauprojekte an Land ziehen und dann einzelne Bereiche wie die Brandsicherheit an Spezialfirmen vergeben. Konzerne wie Siemens mit einem breiten Spektrum, das beispielsweise auch Belüftungs- und Beleuchtungstechnik umfasst, kommen dabei vielfach leichter an Aufträge.

"Sofern nicht schon lange Beziehungen zu den Generalunternehmern bestehen, ist einiges an Klimmzügen nötig, um an Aufträge zu kommen", sagt Markus Strübel von Securiton, die mit ihren Branddetektoren etwa 15 Prozent des Schweizer Markts hält. Und so entwickelt Securiton ebenso wie Siemens Sicherheitstechnik, die in Tunneln genauso funktioniert wie an Förderbändern oder in Kabelschächten.

Die rote Kurve auf dem Monitor von Max Kobler flacht ab. Wasser prasselt bereits seit etwa zehn Minuten auf den brennenden Wagen im Siemens-Schacht nieder. In echten Tunneln ist Löschwasser jedoch nur in geringen Mengen vorhanden. "Solche Reservoirs an mehreren Stellen des Tunnels vorzuhalten ist viel zu teuer", sagt Kobler. Ein Meter seines Glasfaserkabels koste mehr als 100 Euro, eine Löschanlage das Zehnfache.

In Zeiten knapper Kassen muss die Technik generell nicht nur gut sein, sondern auch preiswert. Die Technik muss robust, die Wartung unkompliziert sein. "Wer einen Tunnel ausgerüstet hat, der kann sich keine großen Baustellen zum Nachrüsten leisten", sagt Strübel.

Auch deshalb treiben die Hersteller der Sicherheitstechnik ihre Forschung voran: Siemens hat in den vergangenen zehn Jahren fast 300000 Euro in sein Testgelände unter Tage investiert - und einiges mehr über Tage. Gefördert vom Bundesforschungsministerium, hat der Konzern mit zehn Partnern aus Forschung, Verwaltung und Wirtschaft ein Verfahren entwickelt, das im Sommer in einem Straßentunnel bei München getestet werden soll. Wärmebildkameras prüfen dabei Lastwagen auf überhitzte Bremsen, Achsen und Motoren. Eine rote Ampel könnte den rollenden Brandherd sogar noch vor dem Tunnel ausbremsen.

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SZ vom 27.05.2010/gf
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