Süddeutsche Zeitung

Tuning-Firma Singer:Porsche de luxe

In Kalifornien baut eine kleine, feine Werkstatt klassische Porsches um. Der Umbau soll den Charakter des Wagens nicht überdecken. Im Gegenteil - er soll ihn hervorlocken. Kann das gutgehen?

Von Johannes Boie

Rob Dickinsons erster großer Job war Rockstar und das erklärt einiges. Als Rockstar muss man nicht jeden Tag um 8.30 Uhr im Büro sein, weshalb Dickinson das Vergnügen fand, neben der Arbeit seinen Porsche 911 umzubauen, einen Wagen aus dem Jahr 1969. Mit dem fuhr der Brite, der nach der letzten Welttournee seiner Band im Jahr 2000 erst nach New York und schließlich nach Los Angeles gezogen war, durch Hollywood. Er hatte sein Auto mit viel Geschick, großer Liebe zum Detail und Stilsicherheit in eine kalifornische Variante des durch und durch schwäbischen Edelproduktes verwandelt, oder wie er selber sagt: "Mein Porsche ist das coolste Auto in Hollywood gewesen."

Im Unterschied zum Original: Breiter. Lässiger. Kräftiger. Aber nicht unelegant. Im Motorraum ein komplett anderer Motor als der, der irgendwann mal eingebaut wurde, ein aufgebohrter Sechszylinder aus einem Nachfolgemodell. Eigentlich ist das ein Sakrileg in der Porsche-Szene: Motor, Getriebe und Karosserie gehören für Puristen zusammen.

Aber in Hollywood sieht man die Dinge weniger eng als in der Porsche-Heimat Stuttgart-Zuffenhausen, wo Karrieren selten als Rockstar beginnen und wo man sich weniger wegen der Wahl zwischen Gelb und Grün, sondern wegen der zwischen Silbergraumetallic und Anthrazitgraumetallic plagt.

Das Auto ist der Star

In Hollywood gibt es dagegen ziemlich viele abgefahrene Autos, Muscle Cars, aus deren Hauben der Big-Block-Motor herausragt, pinkfarbene Bentleys, deren Farbe nur von den Fingernägeln ihrer Besitzerin übertroffen wird, nicht zu vergessen die schwarzen Cadillac-Escalade-Monster ihrer starken Beschützer sowie die schweren AMG- und BMW-M-Limousinen der Studiobosse, Anwälte und sonstiger Millionäre. Dickinsons Porsche war selbst hier einzigartig. Es dauerte nicht lange, bis ihm ein Mann an der Ampel zuwinkte: "Ich brauche deine Karre. Sag einfach einen Preis." Das war der Schauspieler Orlando Bloom. Und das war nur der Anfang.

Wenn die Stars dein Auto wollen, ist dein Auto ein Star, und wenn die Nachfrage groß ist, wird es Zeit, ein Angebot zu schaffen. Dickinson, der wie ein guter Amerikaner begriffen hat, dass man als Kapitalist mit einem guten Produkt die beste Zeit haben kann, sprach mit seinem Schwiegervater, einem Muscle-Car-Fan. Mit Erfolg. Sein Schwiegervater ist heute Finanzchef von Singer, dem Unternehmen, das die beiden zusammen gegründet haben. Einziges Produkt des Unternehmens: umgebaute Porsche 911, Baureihe 964.

Der Businessplan für Singer stand 2008, der erste Wagen war 2009 fertig. Automagazine aus der ganzen Welt berichteten. Die Szene staunte. Top Gear, die wichtigste Autosendung der Welt, ließ einen Wagen nach Großbritannien einfliegen. Kritiker James May sagte: "Ein perverser 911." (Ein größeres Lob gibt es nicht aus seinem Mund.) Die Teenie-Tochter von Jeremy Clarkson, berühmtester Autokritiker der Welt und nicht gerade als Porsche-Fan bekannt, musste mit Nachdruck aus dem Auto komplimentiert werden, sie wollte es nicht mehr verlassen.

Was macht die Singer-Umbauten so erfolgreich? Der Trick ist, dass Dickinson das Auto radikal verändert, aber immer so, dass es ein Porsche 911 bleibt. Sein Gefühl für das, was sich die Ingenieure in Zuffenhausen einst ausgedacht haben, ist erstaunlich. Aber dann sagt er, etwas unvermittelt und etwas zu ehrlich: "Ich liebe Porsche." Als redete er über seine Frau (die er auch liebt). Jetzt versteht man ihn.

Los Angeles atmet Benzin

So kommt es also, dass Dickinson heute im Obergeschoss einer Halle steht, nicht weit von Los Angeles, und unter ihm sind sieben 964 komplett auseinandergenommen in der Montagehalle. Er trägt grüne, kurze Hosen, Basecap und ein schwarzes T-Shirt. Schon früher wurden hier getunte Autos zusammengeschraubt, keine Stadt atmet Benzin wie Los Angeles. Das Geschäft brummt.

Es kommt vor, dass seine Techniker ein Teil bei Porsche bestellen, das 180 Dollar kostet. Dann investieren sie 3000 Dollar in das Bauteil - schleifen, lackieren, gravieren, polieren, bis es so aussieht, dass es einen Singer schmücken kann. Porsche de luxe. Die allermeisten Arbeiten an Einzelteilen werden an Partnerunternehmen weitergegeben, es gibt in Los Angeles Tuning-Firmen für jeden Anlass.

Es dauert mehrere Wochen, bis ein Wagen fertig wird. Dann hat er nicht nur eine andere Farbe. Interieur und auch Außendesign sind so flexibel, dass die Angeber bei Rolls-Royce in Beverly Hills schlechte Laune bekommen. Dickinson lernt jeden Kunden persönlich kennen. Dann überlegen sie zusammen, wie der Wagen aussehen soll. Wird das ein blau-roter Superman-Comic-Charakter? Ein grün-gelbes Westcoast-Auto? Oder ein grau-schwarzes Modell für den Investmentbanker in den Häuserschluchten von Hongkong?

Unter den Kunden sind Könige, Unternehmer, Stars, aber auch Porsche-Fans, die für einen Wagen sparen. Die Gemeinschaft der Singer-Besitzer ist klein und verschworen. Es kommt vor, dass ein Käufer bei einem Besuch in der Montagehalle den Wagen eines anderen Käufers sieht und mit ihm Kontakt aufnimmt, um ihm den Wagen abzukaufen. In der Regel kommen die Kunden mehrfach zu Besuch. "Der Aufbau soll so viel Spaß machen wie das Besitzen", sagt Dickinson.

Das ist, bei allem Handwerk, eine Lehre aus der Sharing-Economy des digitalen Silicon Valley. Die Menschen zahlen gerne Geld für ein schönes Erlebnis, dafür, zuzugucken, wie der Wagen wächst. "Wie ein maßgeschneiderter Anzug", sagt Dickinson, der trotz Rockstar-Leben nicht vergessen hat, was ein britischer Gentleman zum Leben braucht. Apropos teuer: Unter 380 000 Dollar geht gar nichts. Und den Porsche bitte mitbringen! (Bei der Suche nach einem geeigneten Modell wird gerne geholfen).

Wenn die Stars dein Auto wollen, wird es in Kalifornien Zeit, ein Geschäftsmodell zu entwickeln

Wenn alles fertig ist, erinnert ein Singer-Umbau stark an den ursprünglichen 911er, der in verschiedenen Varianten zwischen 1963 und 1989 gebaut wurde. "Wir verändern nur, was wir verbessern können", sagt Dickinson.

Verbessern kann er einen historischen Porsche, weil sich die Technik in den letzten 20 Jahren weiterentwickelt hat. Aus 255 PS macht er 360 PS, aus einem 3,6-Liter- ein 3,8-Liter-Motor. Die Wagen bekommen eine neue Einspritzung und Ventilsteuerung. Statt bis 6000 Umdrehungen pro Minute dreht das Auto nach seinem Umbau bis 8500. Jedes Modell wird auf der Rennstrecke abgestimmt, ein Singer ist ein Sportwagen, der jederzeit Ernst machen kann. Man muss nur den rechten Fuß ein kleines bisschen senken.

Freunde verkauft man nicht

Aber man sieht ihm sein Rennstrecken-Potenzial nicht an. Die Autos sind nicht aggressiv, sondern lässig. Nicht angeberisch, sondern stilvoll. Sie gieren nicht nach Aufmerksamkeit, sie bekommen sie. "Diese Porsche", sagt Dickinson, und es klingt ein wenig, als bete er, "sind ein Produkt Kaliforniens." In Schwaben mag die beste Technik der Welt entstehen. Aber kaum das lässigste Auto. Dazu braucht es mehr Sonnenschein, weniger Schwarzwald; mehr American Dream, weniger schaffe, schaffe, Häusle baue. Deshalb ist die Geschichte der Zuffenhausener ja eng verbunden mit Kalifornien, nicht zuletzt durch die Schicksalsfahrt James Deans, der in einem 550 Spyder aus Baden-Württemberg unter der kalifornischen Sonne sein Leben ließ. Die Tragik trug entscheidend zum Mythos von Dean wie von Porsche bei.

Den ungleich kleineren Hollywood-Mythos des gelben Porsches von Rob Dickinson, mit dem bei Singer alles anfing, kann man noch immer in der Montagehalle bei Los Angeles anschauen. Er steht brav in seiner Ecke, jederzeit bereit, seinen Sechszylinder anzulassen. Dickinson hat ihn nie verkauft, Angebote von Stars hin oder her. Das Biest ist sein Freund, und Freunde verkauft man nicht. Dabei bleibt es.

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Quelle:
SZ vom 18.10.2014
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