Öffentlicher Nahverkehr:Tram für Tampere

U 430 Tampere

Der neue Betriebshof für die Straßenbahn in Tampere.

(Foto: Tapani Palo/Konepörssi)

Vor etwas mehr als vier Jahren entschied Finnlands drittgrößte Stadt, eine Straßenbahn zu errichten. Seitdem laufen die Vorbereitungen - mit tatkräftiger Unterstützung aus Deutschland.

Von Marco Völklein

Vor einiger Zeit erst haben die Verantwortlichen in Tampere den Leuten von Daimler im Werk in Wörth in der Nähe von Karlsruhe einen ganz besonderen Auftrag erteilt. Die Lkw-Bauer werden einen Unimog nach Finnland liefern, der nicht nur auf der Straße und (dank einer speziellen Drehschemel-Vorrichtung an den Achsen) auch auf Schienen fahren können soll - Fachleute sprechen dann von einem "Zwei-Wege-Fahrzeug".

In Tampere allerdings wird der Unimog U 430 zudem mit einer Hubarbeitsbühne für Arbeiten an der Oberleitung ausgestattet werden. Geplant ist zudem, dass er Aufnahmen für einen Schneepflug sowie eine -fräse und ein -kehrgerät für den Winterdienst auf der Schiene erhält. Und er soll mit einem Mähgerät und einer Kehrmaschine ausgerüstet werden, um künftig auch im Sommer die neuen Schienenwege in Tampere von Bewuchs und Dreck freihalten zu können. Bei Daimler sprechen sie von einem "absoluten Unikat", das, wenn alles klappt, in diesem Frühjahr in den hohen Norden geliefert werden kann.

Tatsächlich ist ein solches Zwei-Wege-Fahrzeug etwas Neues für die nach Einwohnern drittgrößte Stadt Finnlands. Denn die Industriemetropole im Südwesten Finnlands hat sich erst vor einigen Jahren dafür entschieden, ein Straßenbahnnetz zu errichten - und zumindest Teile ihres öffentlichen Nahverkehrs künftig nicht mehr mit Bussen, sondern mit Trambahnen abzuwickeln.

24 Kilometer Schienennetz

Dazu entsteht seit knapp vier Jahren ein Schienennetz, das in der ersten Ausbaustufe zunächst einmal zwei Strecken mit einer Länge von etwa 24 Kilometern umfassen wird. Geplant ist, dieses Basisnetz im August 2021 in Betrieb zu nehmen. Im Anschluss soll es Stück für Stück erweitert werden. Angeschafft werden für insgesamt mehr als 100 Millionen Euro zunächst knapp 20 achtachsige Niederflur-Trambahnen bei einem finnischen Tochterunternehmen des tschechischen Schienenfahrzeugbauers Škoda Transportation.

Anders als zum Beispiel in Wiesbaden, wo sich im vergangenen Herbst der Großteil der Wählerinnen und Wähler bei einem Bürgerentscheid gegen die Wiedereinführung einer Trambahn ausgesprochen hatten (in der hessischen Landeshauptstadt existierte bereits bis in die Fünfzigerjahre hinein ein Straßenbahnnetz), setzen die Verantwortlichen in Tampere voll auf den Nahverkehr auf der Schiene. Und nicht nur sie: Die finnische Regierung strebt an, dass das Land als Ganzes bis 2035 klimaneutral wird. Dazu setzt sie bei der Energiegewinnung unter anderem auf Erdwärme und - nicht ganz unumstritten - auf den Ausbau der Atomkraft. Und eben im Verkehrsbereich auf umweltfreundliche Technologien wie die Straßenbahn in der Industriemetropole Tampere.

Die Vorbereitungen für die geplante Inbetriebnahme im August dieses Jahres laufen jedenfalls auf Hochtouren, sagt Ali Huttunen von der Tampere Tramway Ltd. So nehmen die Ingenieure schon seit Längerem Techniktests auf den bereits fertiggestellten Streckenabschnitten vor - dabei bekamen sie tatkräftige Unterstützung auch aus Deutschland.

Tram für Testfahrten aus Hannover

Im vergangenen Frühjahr bereits wurde aus dem Depot des Nahverkehrsbetreibers Üstra in Hannover (das Kürzel steht für "Überlandwerke und Straßenbahnen Hannover AG") ein alter Stadtbahnwaggon vom Typ TW 6000 nach Tampere überführt. Die Triebwagen des Typs wurden von Mitte der Siebziger- bis etwa Mitte der Neunzigerjahre gefertigt und hatten über Jahrzehnte das Rückgrat des Nahverkehrs in der Landeshauptstadt von Niedersachsen gebildet. In Tampere wiederum konnten die Techniker mit der alten Bahn aus Hannover, noch bevor von Škoda ein erster Prototyp des neuen Schienenfahrzeugs geliefert wurde, bereits erste Testrunden drehen und unter anderem die Infrastruktur sowie das Gleisbett erproben.

In Finnland selbst hätten die Ingenieure wohl so einfach kein passendes Testfahrzeug auftreiben können. Denn die Tram in Tampere wird als erste Straßenbahn in Finnland auf Normalspur (also mit einer Spurweite von 1435 Millimetern) unterwegs sein. Die Straßenbahnen in Helsinki haben hingegen Meterspur, die Eisenbahn in Finnland wiederum rollt auf Breitspur (1524 Millimeter). Ein kommerzieller Testbetrieb soll in Tampere übrigens von April 2021 an stattfinden. Bislang, so heißt es von der Tramway Ltd., sei man mit dem Großprojekt im Zeitplan.

Auch für die Zeit bis zur Anlieferung des neuen Multifunktions-Unimogs aus Wörth haben sich die Finnen eine Übergangslösung einfallen lassen. So ist bereits jetzt ein geleaster Zwei-Wege-Unimog im Einsatz, der unter anderem die neu angelieferten Trambahnen ins Depot schleppt sowie für Trainingseinheiten der Mitarbeiter zur Verfügung steht. Außerdem zieht der Laster regelmäßig einen Schleifwagen hinter sich her, um die Schienen zu bearbeiten.

U 430 Tampere

Noch ist ein geleaster Zwei-Wege-Unimog in Tampere im Einsatz - und schleppt unter anderem die neuen Trambahnen ins Depot.

(Foto: Tapani Palo/Konepörssi/Daimler AG)

Der neue Unimog wird künftig einmal im Monat die Schienen bearbeiten. Der Stahl muss regelmäßig geschliffen werden, um Unebenheiten zu glätten - das führt letztlich zu einer besseren Laufruhe, weniger Verschleiß an Fahrzeugen und Infrastruktur sowie zu mehr Komfort für die Fahrgäste an Bord. Auch die Lärmbelastung für Anwohner wird Verkehrsbetrieben zufolge dadurch gesenkt.

Notfall-Ausrüstung für Unfälle und Störungen

Und noch für einen weiteren Zweck wird der neue Unimog ausgerüstet: Um bei Unfällen und technischen Störungen helfen zu können, werden die Finnen im Trambahn-Depot einen Wechselaufbau mit Notfall-Ausrüstung vorhalten. Mit einer speziellen Pneumatik kann das Fahrzeug gleichmäßig an Vorder- und Hinterachse abgesenkt werden - das Befestigen der verschiedenen Aufbauten ist dann kein Problem. Auch nicht bei extremer Kälte, wie sie ja in Ländern des hohen Nordens öfter mal vorkommt.

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