Süddeutsche Zeitung

Toyota und der deutsche Markt:Lächelnd neue Standards setzen

75 000 verkaufte Autos, ein Marktanteil von 2,6 Prozent: Toyota ist mit seinem Deutschlandgeschäft unzufrieden. Mit einem Brennstoffzellen-Auto wollen die Japaner im kommenden Jahr die Konkurrenz aufmischen - ein Plan, der an die Einführung des Prius erinnert.

Von Thomas Fromm

Masaki Hosoe spricht gerne in Metaphern. "Stellen Sie sich einen Baum vor", sagt er, "der leckere Früchte hervorbringt. Das tut er nur, wenn er durch seine Wurzeln die richtige Nahrung aufnimmt und einen festen Stamm hat, der auch im Sturm sicher steht."

Um es gleich zu sagen: Die leckeren Früchte, die sind für Hosoe das Wichtigste, denn Hosoe ist Präsident von Toyota Deutschland. Die Wurzeln, sagt der Japaner, das sind die Werte und Prinzipien eines Unternehmens, und der Baumstamm, nun ja, das sei die "stabile Finanzstruktur".

Toyotas Baumstamm, in Zahlen: 9,1 Millionen verkaufte Autos. 191 Milliarden Euro Umsatz. Über 13 Milliarden Euro Gewinn. Der Baumstamm ist also ziemlich stabil, und Hosoe sagt: "Unser oberstes Ziel ist nicht, die meisten Autos zu verkaufen und den meisten Profit zu machen, sondern das Lächeln unserer Kunden."

Mit einem Marktanteil von 2,6 Prozent sind die Japaner auf Dauer nicht zufrieden

Feste Wurzeln, solide Baumstämme, leckere Früchte, ein Lächeln hier und da - das Leben eines Japaners in Deutschland könnte einfach sein. Ist es aber nicht, denn von den leckeren Früchten, davon gibt es zu wenig: 75 000 Autos hat Toyota im vergangenen Jahr in Deutschland verkauft, das war ein Marktanteil von 2,6 Prozent. Jetzt will Toyota 80 000 Autos verkaufen, und das Ziel ist die 100 000-Auto-Marke.

75 000, 80 000 oder 100 000 Autos in Deutschland - eigentlich macht das keinen Unterschied, wenn man mit mehr als neun Millionen Autos ohnedies größter Autokonzern der Welt ist. Aber es gibt die Ansage von ganz oben, von Konzernchef Akio Toyoda: Gebt Euch Mühe auf diesem hart umkämpften deutschen Markt mit all diesen deutschen Autoherstellern, bei denen die meisten Deutschen ihre Autos kaufen.

Toyota statt VW

Deswegen spricht Hosoes Kollege Tom Fux, der für das Geschäft in Deutschland verantwortlich ist, auch gar nicht erst von Bäumen, an denen die Früchte hängen. Er sagt, dass es das oberste Ziel sei, neue Kunden zu "erobern". Erobern heißt: Es gibt keine neuen Kunden mehr. Man muss die alten Kunden davon überzeugen, beim nächsten Mal keinen VW zu kaufen, sondern einen Toyota. "Mit einem Absatz von 75 000 Autos sind wir hier nicht zufrieden", sagt Fux.

Also müssen die Japaner jetzt ran. Sie wollen mehr aufs Design achten, besonders auf dem europäischen Markt. Attraktivere Geschäftsräume sollen her, und eine neue Digitalstrategie für die Online-Vermarktung der Autos. Da das Geschäft mit Privatkunden in Deutschland zurückgeht, will Toyota mehr auf Geschäftskunden zugehen. Eine naheliegende Strategie, aber keine einfache: Denn auf dem heftig umkämpften Markt mit größeren Flotten sitzen auch schon die deutschen Hersteller. Deshalb müssen die Manager jetzt doppelt aufpassen: Damit die Kunden auch weiterhin lächeln, ist es wichtig, dass der größte Autokonzern der Welt seine Qualität im Auge behält. Ohne Qualität kein Erfolg: "In Deutschland ist das Thema für uns besonders wichtig, denn die Deutschen sind sehr qualitätsbewusst", sagt Hosoe.

Zuletzt wurden erneut fast 650 000 Autos wegen defekter Airbags zurück in die Werkstätten zurückgerufen, insgesamt sind nun mehr als zwei Millionen Autos weltweit betroffen. Erinnerungen an die Zeit von vor vier Jahren werden wach, damals musste der Konzern Millionen von Autos unter anderem wegen defekter Bremsen zurückrufen. Am Ende war eine Strafzahlung von 1,2 Milliarden Euro in den USA fällig. Dass der Rivale General Motors jetzt fast 30 Millionen Autos zurückrufen musste, ist für die Japaner nur ein schwacher Trost. Denn: So etwas, das weiß man auch in Japan, kann jedem großen Hersteller passieren, der mit vielen Gleichteilen auf wenigen Plattformen produziert.

Im nächsten Jahr wollen die Japaner zum großen Schlag ausholen und mit einem Brennstoffzellen-Auto auf den Markt kommen. Die Strategie kennt man schon: Es ist wie vor Jahren beim Hybridantrieb, damals setzten die Japaner nicht nur neue Standards, sondern auch die Konkurrenz mächtig unter Druck. Verkaufsstart ist in Japan im April 2015. Ein paar Monate später soll es das umgerechnet 50 000 Euro teure Fahrzeug auch in den USA und in Europa geben.

Wie einst beim Hybridantrieb

Es ist das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung. Die komplizierte Technik funktioniert, verkürzt, so: Der Antrieb basiert auf Hochdruck-Wasserstofftanks und sogenannten Brennstoffzellen, die bei der chemischen Reaktion von Wasser- und Sauerstoff Elektrizität aufbauen. Anders als herkömmliche Elektroautos mit Batterien können es diese Autos mit den Reichweiten normaler Benziner aufnehmen; ausgestoßen wird statt Abgasen reiner Wasserdampf. Der Haken daran ist nur: Es gibt bisher kaum Wasserstoff-Tankstellen. Man werde daran arbeiten, dass die Infrastruktur für die neuen Autos steht, heißt es im Konzern. Und: Es helfe schon, "dass wir nicht die einzigen sind". Hyundai will ebenfalls 2015 starten, und Daimler ist schon seit 2010 dabei, solche Autos zu testen. In Stuttgart soll der Startschuss erst 2017 fallen - dann aber will man schnell auf eine größere Jahresproduktion kommen.

Damals, im Jahr 1997, als die Japaner ihren Hybrid-Prius enthüllten, lächelten viele. Seitdem hat Toyota sechs Millionen davon verkauft. Nun lacht keiner mehr über die technologischen Sprünge aus Japan. Anders als bei Herstellern wie BMW geht man in Tokio nicht davon aus, dass reine, batteriebetriebene Elektroautos die Zukunft sind. Hosoe spricht von "eher kleinen Fahrzeugen für kleinere Strecken". Das klingt jetzt nicht gerade so, als gäbe es bald sportliche Elektrolimousinen von Toyota.

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Quelle:
SZ vom 03.07.2014/hart
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