Toyota Prius:Die Kraft der zwei Herzen

Was in der Theorie prächtig klingt, kann im Alltagsverkehr seine Vorteile noch nicht ausreichend ausspielen

(SZ vom 10.01.2001) Beim Wettbewerb um das umweltfreundlichste Auto haben bislang die Deutschen die Nase vorn: Der 3-Liter-Lupo von VW ist nach wie vor der Maßstab beim Benzinsparen. Doch die Optimierung des herkömmlichen Verbrennungsmotors in Kombination mit Leichtbau ist nicht der einzige Weg, der in die Zukunft führt. Deshalb arbeiten die meisten Hersteller an Alternativen oder zumindest Ergänzungen zum Verbrennungsmotor, sei es die Brennstoffzelle oder sei es der reine Elektroantrieb. Doch über das Forschungs- oder Erprobungsstadium haben es die meisten Projekte bisher nicht hinausgebracht, mit einer Ausnahme aus Japan: Beim Hybridantrieb - also der Kombination eines Verbrennungs- mit einem Elektromotor - darf Toyota die Vorreiterrolle für sich in Anspruch nehmen, denn der Prius ist das erste Hybridauto, das in Großserie hergestellt wird.

45 000 Exemplare des automobilen Zwitters sind seit 1997 in Japan verkauft worden und am 10. Februar wird der Prius bei 250 ausgewählten Toyota-Händlern in Deutschland zu kaufen sein. Die zeitliche Distanz rührt aus der Überarbeitung her, die die Toyota-Ingenieure der ersten Prius-Generation angedeihen ließen. Sie haben den 4,31 Meter langen Wagen fit gemacht für die Anforderungen, die europäische und speziell deutsche Autofahrer an ein Auto der Kompaktklasse stellen.

So sind Motor und Bremsen verstärkt worden, um das Antritts- und Verzögerungsverhalten zu verbessern. Auch die Elektronik, die das Zusammenspiel der Antriebseinheiten regelt, wurde überarbeitet. Hinzu kamen größere Stoßstangen, eine Nebelschlussleuchte und ein zumindest optisch völlig überflüssiger Heckspoiler. Immerhin konnte so der Cw-Wert auf 0. 29 reduziert werden. Vielleicht hätte Toyota auch das Design gleich einer Modernisierung unterziehen sollen. Denn der Prius lässt nicht im geringsten ahnen, dass innovative Technik in ihm steckt. Er kommt seltsam belanglos daher, beinahe brav und bieder - und das, obwohl er im Toyota-Design-Studio in Kalifornien gezeichnet worden ist.

Doch wer sich dem Prius ernsthaft nähern will, tut dies nicht, weil er sich ein besonders schönes, sondern ein neuartiges Auto kaufen will. So funktioniert der Hybridantrieb in der Theorie: Der Prius kann entweder von seinem 1,5-Liter-Benzinmotor mit 53 kW (71 PS) angetrieben werden oder von seinem 33 kW (44 PS) starken Elektromotor - oder von beiden Aggregaten zusammen. Eine Elektronik überwacht die vom jeweiligen System gelieferte Leistung, damit der Prius immer in der effizientesten Betriebsart läuft. Dabei werden die aktuelle Geschwindigkeit und die Zuladung berücksichtigt. Das bedeutet, dass bei geringen Geschwindigkeiten der Elektromotor für Vortrieb sorgen soll. Wenn Leistung gefordert wird, schaltet sich dann der Benzinmotor dazu. So ist das prädestinierte Einsatzgebiet des Prius der Stadtverkehr, wo er im Stop-and-go-Verkehr vorwiegend im abgasfreien Elektromodus fahren sollte.

Leider liegen Theorie und Praxis im Fall des Prius noch auseinander. Bei einer ersten Begegnung mit dem Zwitter auf den Straßen zwischen Illafeld und Schermershofen herrschten zwar keine Verkehrsverhältnisse wie auf den verstopften Straßen der Großstädte, doch selbst bei sachtester Betätigung des Gaspedals ließ sich der Prius nur bei Geschwindigkeiten bis zu 20 km/h in den Elektromodus zwingen. Ansonsten meldete sich immer der Benzinmotor zu Wort: bei Tempi bis zu 100 km/h wohltuend leise, bei höheren Geschwindigkeiten wird der Benziner akustisch aufdringlich. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, den Prius in den Elektrobetrieb zu zwingen: Man muss den Rückwärtsgang einlegen. Doch wer will schon permanent rückwärts fahren?

Die 71 PS reichen aus, um auf Landstraßen und Autobahnen mithalten zu können - erst oberhalb der Richtgeschwindigkeit wird der Vortrieb deutlich langsamer. Die erreichbare Höchstgeschwindigkeit beträgt 160 km/h und wenn es unbedingt sein muss, lässt sich der Prius in 13,4 Sekunden auf 100 km/h scheuchen. Der Motor erfüllt die Abgasnorm Euro 4 und begnügt sich nach Werksangaben mit durchschnittlich 5,1 Litern Super auf 100 Kilometer.

Genau hier liegt die Krux des Prius: Um Verbrauchswerte auf diesem Niveau zu erzielen, ist nicht unbedingt ein Elektroantrieb an Bord nötig - es genügt ein optimierter Benzin- oder Dieselmotor. Auch wenn die Nickel-Metall-Hydrid-Batterien der zweiten Generation mehr Energie liefern, um 60 Prozent kleiner und um 30 Prozent leichter sind als die der ersten Generation, bedeuten sie immer noch zusätzliches Gewicht, das der Prius mit sich herumschleppen muss. So wiegt der Wagen 1250 Kilogramm, und zumindest bei unseren Fahrten ließen sich fast keine Fahrzustände simulieren, die das Vorhandensein des zweiten Herzens wirklich rechtfertigen würden.

Weitere Fahreindrücke: Obwohl Toyota das Fahrwerk für Europa straffer abgestimmt hat, hinterlässt es in Verbindung mit der teigigen Lenkung einen schwammigen Gesamteindruck. Auch die Seitenwindempfindlichkeit des Prius scheint hoch zu sein. Dass die ursprünglich verwendeten hinteren Trommelbremsen nun Scheibenbremsen weichen mussten, ist der Sicherheit förderlich.

Dem Beifahrer dürfte es im Prius nie langweilig werden. Dafür sorgt ein Display in der Mitte des Armaturenbretts, auf dem permanent angezeigt wird, welche Energiekreisläufe gerade aktiv sind: Wird momentan die Batterie geladen oder wird ihr Saft entzogen? Wer noch mehr wissen will, kann sich auch in Fünf-Minuten-Schritten die Verbrauchswerte der letzten halben Stunde anzeigen lassen. Den Fahrer lenkt dieses digitale Mäusekino aber viel zu sehr ab.

Toyota unternimmt mit dem Prius einen mutigen Versuch, auch in Deutschland technologische Kompetenz zu demonstrieren. Allerdings dürfte der Markt für Hybridautos bei uns noch nicht so groß sein wie in Japan. Einziger vergleichbarer Wettbewerber ist der Honda Insight - ebenfalls ein Hybridauto, aber mit einem anderen Konzept. Dieser flache Zweisitzer mit den verkleideten Hinterrädern verfügt über einen Dreizylinder-Benzinmotor mit 56 kW (76 PS), der immer läuft. Bei Bedarf steuert ein Elektromotor acht PS bei. Dieser bezieht dabei seine Energie aus einer Batterie, die aufgeladen wird, wenn überschüssige Energie vorhanden ist. Zwar nennt Honda als Ergebnis dieser Technik einen Durchschnittsverbrauch von 3,4 Litern, in der Praxis ist man aber mit vier bis fünf Litern unterwegs.

Ähnlich sind sich Honda Insight und Toyota Prius bei der Preisgestaltung: Sie sind ganz schön teuer. So verlangt Honda 40 000 Mark für den Zweisitzer und Toyota 44 400 Mark für den fünfsitzigen Prius. 1500 Fahrzeuge will Toyota bei uns jährlich an den Mann oder die Frau bringen. Dabei haben die Japaner natürlich eine urbane Klientel im Visier. Bleibt abzuwarten, ob sich so viele Autofahrer finden werden, denen technologischer Fortschritt so viel wert ist. Zumal zwischen Theorie und Praxis noch Unterschiede herrschen. Doch den Anfang haben bei den serienreifen Hybridautos die Japaner gemacht - dafür gebührt ihnen Respekt, auch wenn der kommerzielle Erfolg zweifelhaft ist.

Ein Lob verdient übrigens auch die neue Website, die Toyota für den Prius eingerichtet hat. Unter der Adresse www.toyota-prius.de stehen nette Animationen und viele Fakten auf Abruf bereit.

Von Otto Fritscher

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