Alternative Antriebe:Der Toyota mit dem Blubb unter der Haube

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Der neue Toyota Mirai hätte das Zeug zum Lexus. Aber der Konzernchef fand die Leistung von 174 PS nicht ausreichend. (Foto: Toyota)

Kann Wasserstoff den Diesel auf der Langstrecke ersetzen? Der neue Toyota Mirai gibt einen Vorgeschmack auf die saubere Zukunft.

Von Georg Kacher

Der erste Mirai entstand während der Magic-Mushroom-Ära des Toyota-Designs, dem wir auch den ähnlich schrägen Prius verdanken. Die zweite Auflage sollte ein verbindlicheres Zeichen setzen gegen die geballte Elektro-Vormacht von Tesla, Audi, BMW und Mercedes. Ursprünglich war sogar geplant, den Mirai als Lexus auf den Markt zu bringen - der markentypische Spindelgrill wurde in letzter Minute retuschiert. Doch dann zog Firmenboss Akio Toyoda persönlich die Reißleine: Der Enkel des Firmengründers fand, dass die Neuentwicklung mit 174 PS für die Nobelmarke nicht ausreichend motorisiert sei.

Wie ernst es den Japanern damit war, den Mirai in der oberen Mittelklasse zu positionieren, dokumentiert die für einen Toyota eigentlich zu aufwändige Umstellung vom Front- auf Hinterradantrieb. Als Mittel zum Zweck dient die neue GA-L Modularchitektur, die einen deutlichen Zuwachs an Länge und Breite ermöglicht und den Radstand im Vergleich zum Vorgänger um 14 Zentimeter streckt. Während die meisten E-Autos aufgrund der Unterflur-Akkus etwas höher gebaut sind als vergleichbare Verbrenner, ist der Mirai II 6,5 Zentimeter flacher als sein Vorgänger.

30 Prozent mehr Reichweite

Die neue Architektur schafft außerdem Platz für einen dritten Wasserstofftank und damit für 30 Prozent mehr Reichweite. Die mittig längs und hinten quer installierten Hochdruckbehälter sind leichter, sicherer und mit 5,6 Kilogramm Fassungsvermögen groß genug für 650 Kilometer Langstreckenfahrt ohne Boxenstopp. Der Verbrauch beträgt zwischen 0,8 und 0,9 kg/100 km, die Betankung dauert maximal fünf Minuten.

Da sich die Brennstoffzelle nicht mehr unter den Vordersitzen verstecken muss, sondern im Motorraum eine neue Heimat findet, ist das Platzangebot für bis zu fünf Passagiere (Generation I war ein Viersitzer) jetzt großzügiger bemessen. Nur im Fond geht es nach wie vor eng zu. Auch der Kofferraum ist kein Raumwunder, denn auf Höhe der Hinterachse drängeln sich Tank, Hochvoltakku und E-Maschine. Der mit 25,5 Kilo knapp drei Kilo leichtere Brennstoffzellen-Stack beherbergt mit 330 zwar 40 Zellen weniger als bisher, die Leistungsdichte (5,4 kW pro Liter) und Maximalleistung (174 statt 155 PS) konnten jedoch zulegen. Das 30 Nm geringere Drehmoment von 300 Nm ist bei einem Leergewicht von 1900 Kilo aber nicht unbedingt von Vorteil.

Künstlich knurrende Verbrennersounds

Das Interieur des Mirai kombiniert diverse Elektronik-Highlights (kamerabasierter Innenspiegel, drei verschiedene Displays, viele Assistenzsysteme) mit narrensicheren Direktwahltasten für wichtige Funktionen und jener synthetisch-keimfreien Interpretation von Luxus, die in japanischen Autos für Besserverdiener eine lange Tradition hat. Zusätzlich zu den drei Fahrmodi Eco, Normal und Sport befriedigen eine automatische Einparkhilfe mit Memoryfunktion und eine virtuelle Motorbremse für das One-Pedal-Fahren den Spieltrieb des Fahrers.

Der mit 19-Zöllern vorne und 20-Zoll-Gummis hinten ungewöhnlich üppig bereifte Mirai braucht 9,2 Sekunden, um auf dem Stand auf 100 km/h zu beschleunigen. Bei 175 km/h stoppt ein Überwachungschip den Vorwärtsdrang. Das Chassis wäre durchaus Lexus-tauglich gewesen, denn der Wasserstoff-Stromer setzt rundum auf Mehrlenkerachsen mit beruhigenden Querstabilisatoren. Dem Mirai-Motto "Gleiten statt Hetzen" wenig zuträglich ist dagegen der vor allem im Sportprogramm nervige, künstlich erzeugte knurrende Verbrennersound, den man per Sprachbedienung ins Off verbannen kann. Das Gegenstück zum klassischen Auspuff besteht aus einem Kunststoffrohr, das bei Bedarf große Mengen Luft und Wasser abführt - die dabei erzeugte Dampfwolke ist garantiert schadstofffrei und CO₂-neutral.

Das Wasserstoff-Tanken geht so flott wie beim Verbrenner, auch die Reichweite des Mirai ist mit 650 Kilometer vergleichbar. (Foto: Toyota)

Toyota wird nicht müde, den Luftreinigungseffekt seiner Brennstoffzellenautos zu betonen: Ein elektrisch geladener Filter im Ansaugtrakt fängt angeblich zwischen 90 und 100 Prozent aller Schadstoffe ein. Er soll nicht nur Feinstäube aus der Luft fischen, sondern nach dem Katalysatorprinzip selbst Schwefeldioxid und Stickoxide umwandeln. Schließlich vertragen die empfindlichen Brennstoffzellen nur gereinigte Luft. Lohn dieses Saubermann-Effekts, zu dem natürlich auch der Elektroantrieb beiträgt, ist eine Umweltprämie in Höhe von 7500 Euro. Die darf der Kunde vom Listenpreis abziehen, der je nach Ausstattung zwischen 63 900 und 73 900 Euro liegt - damit ist die zweite Auflage des Mirai immerhin 15 000 Euro günstiger als das alte Modell.

Der Toyota mit dem Blubb unter der Haube hat auch in anderen Disziplinen dazugelernt. Die aller Antriebspflichten enthobene Lenkung arbeitet statt teigig-unverbindlich jetzt deutlich präziser und mitteilsamer. Nachteile? Mit zunehmendem Lenkeinschlag nimmt der Fahrbahnkontakt ab, in Wechselkurven neigt das System zum Verhärten, und der Wendekreis ist üppig. Als herausragende fahrdynamische Stärke des viertürigen Coupés (eine Heckklappe wollte man der Lexus-Kundschaft nicht zumuten) erweist sich der geschmeidige Federungskomfort, der perfekt zum Leisetreter-Charakter des richtungsstabilen Reisewagens passt.

Fazit: Während der Plug-in Hybrid wohl nur eine Übergangslösung ist und synthetische Kraftstoffe eine Nischenlösung bleiben, haben Brennstoffzelle und Elektroantrieb durchaus ihre Berechtigung. Fehlt nur noch der nachhaltig erzeugte, grüne Wasserstoff.

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