Toyota Mirai im Test:Es ist Fluch und Segen, ein Wasserstoffauto zu fahren

Der Toyota Mirai ist die automobile Zukunft - und wie der Test zeigt, ein exzellenter Reisewagen. Vorausgesetzt, man findet eine Tankstelle, die funktioniert.

Von Thomas Harloff

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Toyota Mirai

Quelle: Toyota Motor Corp.

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Das Gefühl der Überlegenheit stellt sich unerwartet schnell ein. Schon an der ersten roten Ampel wandern die Blicke abschätzig umher und Gedanken wie diese schießen in den Kopf: "Während Eure rußenden Euro-4-Diesel und ineffizienten Saugmotor-Benziner die Umwelt verpesten, fahre ich die Zukunft." Genauer: den Toyota Mirai, ein Auto mit Wasserstoffantrieb. Im Kopf rattert es weiter: "Während Ihr Abgase voller Stick- und Kohlendioxid in die Luft blast, kommt aus meinem Auspuff nur H₂O."

Wasser ist das einzige Abfallprodukt bei der chemischen Reaktion von Wasser- und Sauerstoff in der Brennstoffzelle. Vor allem entsteht dabei Strom, der den E-Motor antreibt. Der Mirai ist also ein Elektroauto, das dem Fahrer die Reichweitenangst erspart, denn Wasserstoff lässt sich nachtanken. Zumindest theoretisch. Aber dazu später mehr.

Toyota Mirai

Quelle: Toyota Motor Corp.

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Die Blicke der anderen Autofahrer, dieser Verbrennungsmotor-Anachronisten, verraten, dass sie sich ihrerseits Gedanken über den Japaner machen. Viele scheinen zu denken: "Ich bin vielleicht oldschool unterwegs, aber dafür sieht mein Auto nicht so hässlich aus wie deins." Das ist ein starkes Wort, aber man braucht schon eine große Affinität für das Moderne, um den Mirai schön zu finden. Unausgewogen, vorne und hinten gar ziemlich zerklüftet, sieht er aus. An der Front treffen schmale Scheinwerfer auf senkrechte Tagfahrleuchten und riesige Lufteinlässe. Am Heck passen das obere waagerechte Leuchtenband und die unteren dreieckigen Lichter nicht zusammen. Nur in der Seitenansicht fließt das Design.

Toyota Mirai

Quelle: Toyota Motor Corp.

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Harmonie herrscht dafür während der Fahrt. Der Elektromotor arbeitet lautlos, nur der elektrisch betriebene Luftkompressor erzeugt ein leises Surren. Aber sobald das Radio dudelt oder sich die Insassen unterhalten, rückt dieses Geräusch völlig in den Hintergrund. Auch sonst ist der Mirai sehr leise. Es gibt kaum Windgeräusche, das Fahrwerk poltert nicht, Schaltrucke bleiben aus - was nicht überrascht, da es nur einen Vorwärtsgang gibt.

Die Antriebseinheit des Toyota Mirai.

Quelle: Toyota Motor Corp.

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So entspannt die Fahrt ist, sie ist nicht langsam. Schon gar nicht langsamer als in einem Benziner oder Diesel mit 154 PS. Bereits in der Ökoeinstellung beschleunigt die E-Maschine flott bis auf Innenstadttempo, auf der Autobahn zieht der Mirai souverän bis zur sanft abgeregelten Höchstgeschwindigkeit von 178 km/h durch. Im Power-Modus geschieht das noch einen Tick spontaner.

Toyota Mirai

Quelle: Toyota Motor Corp.

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Doch es fühlt sich falsch an, ständig in dieser Abstimmung zu fahren. Dazu ist der fahrdynamische Charakter des Mirai zu stark auf Komfort ausgerichtet. Die Federung ist bequem, die Lenkung ist leichtgängig und fühlt sich synthetisch an. In eine Kurve einzulenken bedarf etwas Überzeugungsarbeit seitens des Fahrers, was auch am Gewicht des Autos liegt. 1850 Kilogramm wiegt der Mirai mindestens. Kein Wunder, wenn der Antrieb nicht nur aus Motor und Getriebe, sondern zusätzlich aus einem Brennstoffzellen-Stack und einer Nickel-Metallhydrid-Batterie besteht.

Der Kofferraum des Toyota Mirai.

Quelle: Toyota Motor Corp.

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Außerdem ist dieser Toyota ein großgewachsenes Auto. 4,89 Meter misst er in der Länge, was fast der Kategorie Audi A6, BMW 5er und Mercedes E-Klasse entspricht. Die Dimensionen spürt man im Passagierabteil, das sowohl vorne als auch hinten genug Platz bietet. Allerdings nur für maximal vier Insassen, denn den Mittelplatz im Fond opfert Toyota für eine Armauflage samt Ablagefach. Das ruft eine im Ansatz loungige Atmosphäre hervor, die von den bequemen Sitzen unterstützt wird.

Enttäuschend ist jedoch der Kofferraum. Er fasst nur 361 Liter, bietet keine Durchlademöglichkeit in den Innenraum und ist wegen diverser Ausbuchtungen nur eingeschränkt nutzbar. Aber die Ingenieure brauchen eben Platz für die fortschrittliche Technik und die beiden H₂-Tanks.

Der Innenraum des Toyota Mirai

Quelle: Toyota Motor Corp.

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Fortschrittlich soll das Cockpit des Mirai aussehen. Im Vergleich zu vielen anderen Autos wirkt es im ersten Moment allerdings verwirrend. Worin soll der Vorteil liegen, die Anzeigen für Geschwindigkeit, Tankinhalt, Reichweite, Energiefluss und dergleichen nicht hinter dem Lenkrad, sondern zentral auf dem Armaturenbrett zu platzieren? Einer intuitiven Bedienung des Autos stehen außerdem die breit über die Mittelkonsole verstreuten Tasten im Weg. Immerhin hat Toyota seinem Prestigeobjekt edlere Materialien spendiert als dem Gros seiner Modellpalette. Auch der zentrale Touchscreen lässt sich ordentlich kommandieren. Allerdings arbeitet das Navigationssystem träge. Dass es bei der Tankstellensuche nicht nur Wasserstoffstationen, sondern auch Zapfsäulen aller anderen Treibstoffarten berücksichtigt, kann man lustig finden. Allerdings nur so lange, bis man tanken möchte und darauf angewiesen ist, auch wirklich zu einer H₂-Tankstelle navigiert zu werden.

Das Karten-Terminal an einer Wasserstofftankstelle.

Quelle: Thomas Harloff

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Aktuell gibt es in Deutschland etwa 14 500 Tankstellen für Benzin und Diesel. Dem stehen nicht einmal 30 Wasserstoffstationen gegenüber, 20 weitere sollen in den nächsten Monaten entstehen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Energiespender noch im Prototypenstatus befinden, entsprechend diffizil konstruiert sind und deshalb intensiv gewartet werden müssen.

Was das bedeutet, zeigt sich während des Test-Wochenendes. Die eine Wasserstoff-Tankstelle, die sich innerhalb der Stadtgrenzen Münchens befindet, funktionierte am Samstag nicht. Am Sonntag auch nicht. Am Montag blieb das Tanken ebenfalls erfolglos. An einer anderen Station im nahen Unterschleißheim das gleiche Spiel - weitere Stationen gibt es im Münchner Umland noch nicht.

Der Toyota Mirai an einer Wasserstoff-Tankstelle.

Quelle: Thomas Harloff

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Am folgenden Dienstag kam endlich der Techniker, um die nötigen Wartungsarbeiten durchzuführen. Nun zeigte sich, wie unkompliziert der Tankvorgang ist. Es dauerte nur wenige Minuten, bis die Kupplung entriegelte und suggerierte, dass die Tanks voll sind. Beim Starten des Motors zeigte der Bordcomputer jedoch nur einen Füllstand von etwa 90 Prozent und eine Reichweite von 330 Kilometern an. Dabei sollen es laut Toyota 500 Kilometer sein. Auch beim Verbrauch herrschte ein großer Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Im Schnitt soll der Mirai 0,76 Kilogramm H₂ pro 100 Kilometer verbrauchen, im Test waren es 1,3. Ob Benziner, Diesel oder Wasserstoffauto: Die Herstellerangaben zum Kraftstoffverbrauch entsprechen weder da noch dort der Realität.

Toyota Mirai

Quelle: Toyota Motor Corp.

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Neben dem Infrastrukturproblem hat der Mirai einen weiteren entscheidenden Nachteil: Toyota will entweder einmalig 78 540 Euro oder monatlich 1219 Euro über vier Jahre für sein Wasserstoffauto sehen. Die Kosten für Versicherung, Inspektionen, TÜV sowie Sommer- und Winterreifen sind darin zwar enthalten, aber die jährliche Fahrleistung sollte 20 000 Kilometer nicht übersteigen. Das Leasing ähnlich leistungsstarker und gut ausgestatteter Dieselversionen des Audi A6 und BMW 5er oder der Mercedes E-Klasse kostet nicht einmal die Hälfte.

Höhere Kosten verursacht der Toyota auch an der Zapfsäule. Um das zu erklären, hier eine kurze Rechnung: Nehmen wir an, der Bordcomputer teilt die Wahrheit mit, dann erlauben die beiden zu 90 Prozent gefüllten Tanks - das sind im Fall des Mirai 4,5 Kilogramm Wasserstoff - eine Reichweite von 330 Kilometern. Bei einem Wasserstoffpreis von 9,50 Euro pro Kilogramm entfallen für diese Strecke Spritkosten von 42,75 Euro. Auf der gleichen Distanz konsumiert ein Diesel, der im Schnitt sieben Liter verbraucht, gut 23 Liter. Das ergibt beim derzeitigen Literpreis von 1,17 Euro etwa 27 Euro.

Toyota Mirai

Quelle: Toyota Motor Corp.

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Diese Zahlenspiele veranschaulichen: Zum jetzigen Zeitpunkt sind Wasserstoffautos noch etwas für solvente Idealisten, die zu den Mobilitätspionieren gehören wollen. Für den Mirai ist das schade, denn dieses ebenso flotte wie komfortable Reiseauto hätte auch heute schon ein Massenpublikum verdient.

SZ-Redakteur Joachim Becker hat sich im Toyota Mirai auf große Tour begeben, um zu testen, wie weit die Wasserstoff-Infrastruktur bereits entwickelt ist - oder auch nicht. Was er dabei erlebt hat, können Sie am 24. Dezember im Mobilen Leben der Süddeutschen Zeitung lesen.

Technische Daten Toyota Mirai:

Permanent erregter Synchronmotor mit Brennstoffzelle und Nickel-Metallhydrid-Batterie; Leistung 113 kW (154 PS); max. Drehmoment: 335 Nm bei 0/min; Leergewicht: 1850 kg; Kofferraum: 361 l; 0 - 100 km/h: 9,6 s; Vmax: 178 km/h; Testverbrauch: 1,3 kg / 100 km (lt. Werk: 0,76; CO₂-Ausstoß: 0 g/km); Grundpreis: 78 540 Euro

Das Testfahrzeug wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

© SZ.de/cag
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