Toyota Avensis 2.0 D-4D:Biedermann mit Knack-Popo

Er war nie der große Emotionator: Der Toyota Avensis gehört eher zu den Unauffälligen im Straßenbild. Das ist beim Neuen nicht wirklich anders - obwohl sich Toyota viel Mühe gegeben hat.

Jürgen Wolff

Brav, bieder, zuverlässig: Der Avensis gilt als ein Auto für Buchhalter und Vernunftmenschen. Nicht gar so schlimm, als dass die zugehäkelte Klorolle schon zum Lieferumfang gehören würde - aber eben die gepflegte Langeweile. Und vielleicht wurde gerade deshalb Toyotas Flaggschiff in Deutschland mehr als 100.000 Mal verkauft. Nun wollen die Japaner mit der dritten Avensis-Generation weg vom drögen Image.

Toyota Avensis 2.0 D-4D: Ausgeglichen: Wer mehr mit dem Kopf denn mit dem Herzen fährt, wird mit ihm sicher froh.

Ausgeglichen: Wer mehr mit dem Kopf denn mit dem Herzen fährt, wird mit ihm sicher froh.

(Foto: Foto: oh)

Weitgehend emotionsfrei

"Mit dem neuen Avensis", sagt sein Chef-Konstrukteur Takashi Yamamoto, "wollen wir an die Spitze der Mittelklasse." Mit einem "unverwechselbaren Design" und "unübertreffbarer Fahrfreude". Ein Auto eben mit "markanten und unverwechselbaren Designmerkmalen". Kein leichtes Vorhaben bei einem weitgehend emotionsfreien Auto wie dem Avensis.

Das Aussenkleid entstand denn auch vor allem im europäischen Designzentrum von Toyota in Belgien. Geholfen hat es - immerhin - in Maßen. Gleich ganz verabschiedet haben sich die Japaner von der Fließheck-Version. Und auch die Stufenhecklimousine ist eher dem osteuropäischen Markt geschuldet, wo dieser klassische Zuschnitt nach wie vor beliebt ist. In Deutschland, davon geht man bei Toyota aus, werden 80 Prozent der georderten Avensis Kombis sein - und davon wiederum die meisten vom 2.0-Liter-Diesel angetrieben werden.

Wer die beiden Karosserievarianten nebeneinander sieht, der wird diese Einschätzung nachvollziehen: Der Kombi, von Toyota manieristisch konsequent mit "C" geschrieben, ist das eindeutig knackigere Auto. Die Stufenheck-Limousine hat sich dagegen zumindest äußerlich nicht sonderlich weit vom Vorgänger entfernt. Auch wer den Combi zuerst von vorne betrachtet, wird nicht viele Highlights ausmachen. Die großen, eckigen Scheinwerferbatterien, der breite Kühlergrill mit dem Firmenlogo, der Stoßfänger mit den Nebelscheinwerfern - so sehen dutzende andere auch aus.

Biedermann mit Knack-Popo

Deutlich interessanter wird da schon die Seitenansicht. Toyotas Designer haben die A-Säule elf Zentimeter nach vorne und die C-Säule fünf Zentimeter nach hinten gerückt - zusammen mit dem bogenförmig gespannten Dach ist der insgesamt auch nur um fünf Zentimeter gewachsene Avensis damit deutlich dynamischer und kraftvoller. Und dann das Heck - das wirkt nun zwar etwas sehr französisch, aber durchaus knackig.

Hinter der großen Klappe öffnet sich ein mittelgroßer Kofferraum, der sich variabel durch das - sehr einfache - Umklappen der Sitze erweitern lässt und auch dann noch immer einen ebenen Ladeboden hat. 543 Liter fasst das Ladeabteil mindestens, bis zu 1609 Liter können es werden. Der VW Passat bietet mit 588 bis 1731 Litern Stauraum deutlich mehr, der Citroën C5 Tourer mit 533 bis 1490 Liter eher weniger. Der Avensis liegt da, wo er sich bislang immer wohlgefühlt hat: irgendwo in der Mitte.

Auch dort, wo die Passagiere sitzen, hat sich einiges getan. Angenehm übersichtlich ist der Avensis noch immer. Nur wirken die Materialien nun noch einen Tick hochwertiger. Die Maserung des griffigen Kunststoffes, der das Armaturenbrett überzieht, soll Bambusfasern nachempfunden sein. Ob's gefällt, ist letztlich Geschmackssache - besser als das triste Einerlei bei so manchem Konkurrenten ist es allemal. Die Verarbeitung der im britischen Toyota-Werk Burnaston montierten Test-Avensis wies noch leichte Unregelmäßigkeiten an Kanten und Fugen auf - was allerdings bis zum Verkaufsstart Ende Januar 2009 bereinigt sein sollte.

Platz für die Passagiere hat der Avensis nach wie vor reichlich - allerdings ist die Kopffreiheit für größere Zeitgenossen so ab etwa 1,85 Meter doch recht eingeschränkt. Vor allem die (optionalen) elektrisch verstellbaren Sitze vorne sind relativ hoch geraten. Dafür lassen sie sich weit nach hinten schieben. Das in drei Ebenen einstellbare Lenkrad kann damit allerdings nicht ganz mithalten: Bei weit nach hinten gerücktem Fahrersitz lässt es sich nicht weit genug heraus ziehen. Die Sitze selbst sind bequem, könnten allerdings mehr Seitenhalt bieten.

Biedermann mit Knack-Popo

Halb so wild: Ein Sportauto ist der Avensis ohnehin nicht - eher ein bequemer Cruiser und Reisewagen. Auch nach ein paar hundert Kilometer steigt man noch entspannt und weitgehend ungestresst aus. Damit das so ist, bietet Toyota gegen Aufpreis nun auch unter eigenem Label die wichtigsten elektronischen Helfer seiner Edelmarke Lexus an: das radargestützte Pre-Crash-System zum Beispiel, das den Fahrer vor drohender Auffahr-Gefahr warnt, die Gurte schon mal vorsorglich strafft und notfalls eine Vollbremsung einleitet.

Viele Annehmlichkeiten sind ohnehin schon in der Basisausstattung dabei: Sieben Airbags etwa, eine ordentliche Audioanlage, eine elektronische Feststellbremse, dynamisches Bremslicht, Klimaanlage oder die aktive Lenkung, die zusammen mit dem ESP bei zu forsch versuchter Kurvenfahrt mit gegensteuert.

Zum Start bietet Toyota für den Avensis sechs Motoren zur Wahl: Drei Benziner mit Leistungen von 133, 147 und 152 PS sowie drei Diesel mit 126, 150 und 177 PS. Am meisten verkauft werden dürfte nach Einschätzung von Marketing-Manager Andre Schmidt der kleine Diesel. Der hinterlässt einen leicht zwiespältigen Eindruck. Positiv sind die Laufruhe und Kultiviertheit des 93 kW/126 PS starken Vierzylinders im Avensis 2.0 D-4D. Schon bald nach dem Start ist von ihm nur noch wenig zu hören - erst recht kein Nageln mehr. 310 Nm maximales Drehmoment liegen laut Toyota ab 1800 U/min an.

Bei einer ersten Probefahrt erwies er sich jedoch als ziemlich bemühter Geselle. Die Beschleunigung (laut Toyota braucht er im Kombi zehn Sekunden von 0 auf 100 km/h) ist vor allem aus niedrigen Drehzahlen heraus ein wenig arg zäh. Auch die Annahme der Signale, die das Gaspedal sendet, dürfte deutlich schneller sein. Für die von Toyota propagierte "unübertreffbare Fahrfreude" reicht das nicht ganz. Unterm Strich jedoch ist der Avensis Combi mit dem kleinen Diesel für den schnöden Alltag durchaus schon ausreichend motorisiert.

Biedermann mit Knack-Popo

Den Verbrauch immerhin hat Toyota quer durch die Motorenpalette zum Teil deutlich senken können. Im Vorgänger-Kombi etwa schluckte der 2,0-Liter-Diesel im Norm-Schnitt bei nahezu gleicher Leistung noch 5,9 Liter Diesel auf 100 Kilometer. Der überarbeitete Motor begnügt sich nun mit 5,4 Litern und erfüllt die Euro-5-Norm.

Gewonnen hat auch das Fahrwerk. Es ist nicht zu straff aber komfortabel ausgelegt - genau richtig für eine Reiselimousine. Auch schlechte Straßen bringen die Federung nicht aus der Ruhe - nur, wenn es richtig ekelig wird im Asphalt, ist gelegentlich ein leichtes Polten zu merken. Die Lenkung ist ausreichend präzise aber insgesamt zu gefühllos ausgelegt. Gut abgestimmt zeigte sich die Sechsgang-Handschaltung. Allenfalls die Schaltwege selbst sind etwas lang und beim Zurückschalten hakelte immer mal wieder der 1. Gang.

Auch bei den Preisen liegt Toyota mit dem neuen Avensis im Mittelfeld. Der 2.0 D-4D ist als Combi ab 25.950 Euro zu haben. Citroën liegt mit dem C5 Tourer ebenso im gleichen Bereich wie Mazda mit dem 6er Kombi. Etwas höher im Preisgefüge sind - bei vergleichbarer Motorisierung, aber durchweg dünnerer Serienausstattung - der Ford Mondeo Turnier (27.500 Euro) oder der VW Passat (28.750 Euro) zu finden.

Den großen Imagewandel wird auch der neue Avensis kaum schaffen. Warum auch? Wie schon sein Vorgänger ist er ein zwar unauffälliges, aber solides, sicheres und zuverlässiges Familienauto mit viel Platz, das - bis hin zur reichhaltigen Serienausstattung - kaum Wünsche offen lässt. Wer mehr mit dem Kopf denn mit dem Herzen fährt, wird mit ihm sicher froh werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: