42. Tokyo Motor Show:Wiedergeburt in Tokyo

Tsunami, Atomkatastrophe und die Krise: Japans Autoindustrie sehnt sich nach einem verlorenen Jahr wieder nach etwas Normalität.

Thomas Fromm und Christoph Neidhart

Vor dem Toyota-Stand hängen riesige Fahnen. Reborn steht darauf. Wiedergeboren. Davor steht ein Konzernchef, der ganz offensichtlich an die Wiedergeburt glaubt. Zumindest an die seines Konzerns. Erdbeben, Tsunami, Atomkatastrophe - Japan habe schwere Zeiten durchgemacht, sagt Akio Toyoda.

Dazu noch eine Welt, die sich so schnell verändert. "Man sagt, die jungen Leute hätten kein Interesse an Autos mehr." Als Autobauer finde er das - irgendwie verständlich - "schade". Erdbeben, Atom, Wertewandel - für Toyoda und seine Kollegen aus der japanischen Autoindustrie kam alles gleichzeitig.

Es wird noch lange dauern, bis das große Trauma weg ist. Noch vor ein paar Wochen liefen sie mit ihren Geigerzählern über Sportplätze, Schulhöfe und durch Vorgärten. Eltern, die Angst hatten um ihre Kinder. Die nach erhöhten Radioaktivitätswerten suchten, und sie auch fanden. Seit dem großen Tsunami im März, seit den großen Kernschmelzen in der Atomanlage von Fukushima nördlich von Tokio, ist in Japan nichts mehr, wie es war.

Vielleicht passt das Motto der Tokyo Motor Show - Mobility can change the world, Mobilität kann die Welt verändern - gerade deshalb zu einem Land, das nach Erdbeben, Tsunami und Atomkatastrophe endlich einen Neuanfang will. Auch wenn sich die Strahlen nicht so einfach abschalten lassen wie der Motor eines Elektroautos.

Die japanischen Autobauer haben deswegen für alle etwas mitgebracht. Für die Jungen, die Smartphones spannender finden als Autos, zeigt Toyota das Konzept-Modell Fun-Vii. Es ist eine Art iPhone auf Rädern, das mit dem Internet verbunden ist und dessen Oberfläche wie ein Display funktioniert.

Andere versuchen, die Erinnerungen an Fukushima mit bunten Farben und betont nachhaltigen Öko-Konzepten zu verwischen: Elektroautos, Brennstoffzellen- und Hybrid-Antriebe stehen nicht zufällig im Zentrum der Tokyo Motor Show. Sie sollen für ein neues, ein fortschrittliches Japan stehen. Smart Mobility City, eine Sammelschau von Japans Autoindustrie, bündelt alternative Antriebe, Verkehrsleitsysteme und Batterien, die helfen sollen, Benzin zu sparen oder ganz zu ersetzen.

Japan - eine ganze Autoindustrie stemmt sich verzweifelt gegen die eigene Krise. Niemand verkörpert das so stark wie Toyota. Der Weltmarktführer wird seine Krone bald abgeben müssen. Nur ob an VW oder General Motors, das ist noch die Frage. Dabei hätte 2011 das Jahr des großen Aufschwungs werden sollen. Doch dann kamen die großen Katastrophen. Zuerst im März das Erdbeben und der Tsunami, gefolgt von Stromausfällen wegen des Atomunfalls in Fukushima.

Die Flucht aus der Heimat ist in vollem Gange

Die Produktion war gerade wieder voll angelaufen, da kamen auch noch die Überschwemmungen in Thailand. Und da Hunderte japanischer Firmen in Thailand Komponenten für die Autoindustrie herstellen und acht japanische Autobauer Werke in Thailand haben, schlug auch dies wieder voll durch.

Dazu das Dauerproblem: Der starke Yen, der die Exporte aus Japan verteuert und somit schwieriger macht. Der Wechselkurs frisst die Gewinne auf. Das macht die Japaner immer weniger japanisch: Wegen des Yen überlegen sich Japans Autobauer, ob sie nicht noch mehr Produktion ins Ausland verlegen sollen. Toyota produziert längst nur noch etwa 40 Prozent seiner Autos in Japan. Nissan expandiert in Brasilien, andere einheimische Rivalen schielen auf Standorte wie Mexiko und Russland.

Die Flucht aus der Heimat ist in vollem Gange. Dabei hatten die Politiker ganz andere Pläne: Seit Japans Elektronikindustrie der koreanischen und taiwanesischen Konkurrenz hinterherhinkt, sollte die Autoindustrie zum stabilen Motor von Nippons Export-Wirtschaft werden. Doch wie soll das gehen, wenn selbst der Inland-Absatz schon auf den Stand der siebziger Jahre gefallen ist?

Der Markt schrumpft seit Jahren; Erdbeben und Tsunami haben das nur noch verschlimmert. Auch der Trend zu immer kleineren Fahrzeugen hält an. Kein Wunder: Immer mehr Japaner leben in Großstädten, und in Metropolen wie Tokyo mit ausgezeichneten öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Auto eher ein Hindernis. Dazu kommen Überalterung und die ungleiche Verteilung des Wohlstandes: Wer sich ein teures Auto leisten könnte, ist dazu meist schon zu alt.

Unter Japans Jungen dagegen ist das Auto kein Statussymbol mehr. Ausgerechnet in diesen Zeiten macht sich ein Konzern aus Korea auf, die Japaner mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. In allen wichtigen Exportmärkten macht vor allem Hyundai den Japanern zu schaffen: Sie bauen zuverlässige, vielleicht manchmal etwas langweilige, dafür preiswerte Fahrzeuge. Und bieten den Käufern konkurrenzlose Garantien für ihre Neuwagen an.

Es sind Zeiten, in denen selbst Manager sentimental werden. Er liebe den Geruch von Benzin und den Lärm von Motoren, sagt Akio Toyoda bei der Präsentation eines Sportwagens. Er hoffe, "dass diese Art Fahrzeug nie verschwindet".

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