Süddeutsche Zeitung

Fahrradtest:Knalleffekt auf zwei Rädern

Die "Strada" von 3T ist für Rennradler durch ihre neue Bauweise wahlweise eine Revolution oder auch eine Provokation. Aber wie fährt es sich damit?

Von Sebastian Herrmann

Vieles im Leben dreht sich darum, aus der Masse herauszustechen. Wer nicht beachtet wird, hat es schwer sich durchzusetzen oder einen Partner kennenzulernen. Das gilt auch in der Welt des Konsums: Produkte, die nicht auffallen, werden ignoriert. Angewandt auf das Rennrad "Strada" des italienischen Herstellers 3T bedeutet das: Es wird sicher nicht missachtet, es legt einen extravaganten optischen Auftritt hin - ein Knalleffekt auf zwei Rädern. Der Rahmen sieht allein mit dem geschwungenen Sitzrohr außergewöhnlich aus. Die Laufräder sind extrem nah an den Rahmen herangerückt, so dass zwischen Reifen und Karbonrohre kaum ein Blatt Papier passt. Die radikalste Entscheidung der Konstrukteure indes betrifft die Schaltung: Das Strada ist mit einer Einfach-Kurbel ausgestattet und verzichtet so auf einen Umwerfer, der normalerweise die Kette von einem Blatt aufs andere hebt. Für Rennradler gleicht das einer Revolution oder einer Provokation, zu der jeder sofort eine Meinung hat.

Das Rad ist auf Aerodynamik getrimmt - also soll auch am Tretlager nur wenig bremsen

Unter Marketinggesichtspunkten wirkt die reduzierte Schaltung also. Aber wie fährt es sich damit? Fehlen an Steigungen oder in Hochgeschwindigkeitspassagen nötige Übersetzungen? Das Strada-Modell "Pro" - mit einem Preis von 4200 Euro wenigstens 3300 Euro günstiger als die Top-Ausführung "Team" - ist mit einer Kurbel mit 44 Zähnen ausgestattet. Das Elffach-Ritzelpaket am Hinterrad hat ein Spektrum von elf am kleinsten bis 36 Zähnen am größten Zahnrad. Für lange Steigungen ist das eine halbwegs knackige Übersetzung, die aber nicht jenseits von Gut und Böse liegt. Kurze, giftige Anstiege in welligem Terrain lassen sich damit problemlos fahren. Wer für lange Alpentouren leichtere Gänge will, kann das Kettenblatt an der Kurbel tauschen und etwa eines mit 42 Zähnen montieren. Das erfordert Planung, raubt Flexibilität, ist aber für solche Fahrten ein praktikabler Kompromiss.

Die am Strada Pro verbaute "Force"-Schaltgruppe vom Sram wechselt die Gänge zackig und präzise. Und es benötigt auch keine große Gewöhnung, dass der linke Bremshebel nicht schaltet. Allerdings bedarf es der Erklärung, denn die Rennradkumpels stellen im Angesicht der Einfach-Kurbel alle die gleiche Frage: Was bringt das denn? Besondere Gewichtseinsparung durch die reduzierte Mechanik stellt jedenfalls nicht den Nutzen des Konzeptes dar - das Rad wiegt laut Hersteller in Rahmengröße M exakt 8,4 Kilogramm. Das ist für ein Rennrad schon eher viel.

Die Einfachkurbel ergibt sich aus einer anderen Anforderung, heißt es bei 3T: Aerodynamik. Der ganze Rahmen ist auf einen möglichst geringen Luftwiderstand getrimmt. Dazu habe man erstmals den Bereich am Tretlager berücksichtig. Denn schon ein Umwerfer bremse den Luftstrom dort wesentlich. Auch das Unterrohr ist unter Aerodynamik-Gesichtspunkten entworfen. In der unteren Hälfte wird es dicker, so dass sich auch der Luftwiderstand der Trinkflasche im Halter verringere.

Ob Aero-Rennräder für den Hobbyfahrer sinnvoll sind? Darüber wird unter Rennradlern fröhlich gestritten. Es ist ja nicht wirklich zu beantworten, ob sich durch einen besonders geschmeidigen Luftzug die relevanten Prozentpunkte hinter dem Komma herauskitzeln lassen. Das Strada Pro fährt jedenfalls zügig und verleiht einem das höchst relevante Gefühl, auf einem schellen Rad unterwegs zu sein. Durch den kurzen Radstand ist das Modell sehr wendig, also ein winziges bisschen zappeliger als etwa Endurance-Modelle mit höherer Laufruhe. Bemerkenswert ist der Lenker, der ebenfalls von 3T stammt. Der aerodynamische Oberlenker ist geformt wie eine Schwertklinge. Nach vorne ist der Lenker ungewöhnlich lang: In der Griffposition an den Bremshebeln sitzt der Radler trotz des eher kurzen Rahmens in sportlich gestreckter Position. Das Strada ist nur mit Scheibenbremsen zu haben, an die sich die skeptische Rennradszene langsam gewöhnt. Ob auch die Einfach-Kurbel Freunde findet? Aufgefallen ist das Konzept jedenfalls.

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SZ vom 12.01.2019/cku
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