Test:Ein Rad wie ein Rodeo-Pferd

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Dicke Reifen, Batterie im Rahmen, klappbar – das ist das Mate X. (Foto: Mate Bike)

Breite Reifen, geländegängig sowie klappbar und dazu ein versteckter Akku: Das "Mate X" aus Dänemark fällt auf - und hat das Zeug zum Kultobjekt.

Von Thomas Hummel

In einem haben die Macher des "Mate X" recht: Sie preisen ihr neues Elektrofahrrad damit an, dass es Eindruck mache, die Menschen würden sich buchstäblich danach umdrehen. Schon die erste Fahrt damit bestätigt diese Aussage eindrucksvoll. Noch dazu, wenn das Fahrrad die Farbe knallorange besitzt. Der Kollege zum Beispiel fragt: "Wo ist jetzt da der Motor?" Er meint Vergaser und Zylinder, denn es sehe doch eher aus wie ein Motorrad. Mit den zehn Zentimeter dicken Reifen gehört das Mate X in die Kategorie Fatbike, die Version mit dem groben Profil heißt "Big Daddy". Und an der Ampel fragt ein Radfahrer, wozu man denn solch dicke Schlappen benötige. "Kommt man da besser durch den Schnee?" Er lacht und schüttelt den Kopf.

Es sind Reaktionen, die die Geschwister Julie Kronstrøm Carton und Christian Adel Michael provozieren wollen. Die Dänen haben 2016 ihre Firma Mate.bike gegründet, um "einzigartige, spaßbringende und bezahlbare Elektrofahrräder" herzustellen. Sie hatten viele Ideen, aber kein Geld. Also platzierten sie ihr erstes Rad namens "Mate" auf der Crowdfunding-Seite Indiegogo. Damit kann man eine Idee auf den Markt bringen, ohne viel Eigenkapital oder externen Investor.

Am Ende sammelten die Dänen knapp sechs Millionen Euro ein - der höchste Betrag, den je eine Crowdfunding-Kampagne in Skandinavien einbrachte. Der unerwartete Erfolg stellte die kleine Firma vor große Herausforderungen. Es kam zu Problemen: Lieferzeiten, Umtausch, Geld zurück - die Internetforen sind voll von kritischen Einträgen. "Seitdem haben wir uns sehr bemüht, die Produktion und den Kundenservice zu entwickeln, ebenso die Logistik zu optimieren", sagt der Däne. 2018 folgte das Modell "Mate X"; größer, wuchtiger, stärker als das Vorgängerrad. Die Interessenten überwiesen mehr als 13,5 Millionen Euro. Laut der Firma ist das die höchste je in Europa gesammelte Summe. Und was Fahrräder betrifft, weltweit einzigartig. Gerade beginnt die Auslieferung der ersten Räder.

Die in Europa zugelassene Variante mit der 250-Watt-Batterie wird auf Indiegogo für weniger als 1000 Euro angeboten. Hinzu kommen Steuern, Einfuhrzoll und Versand aus Thailand, wo die Räder größtenteils gefertigt werden. Damit dürfte der Preis in Deutschland bei knapp 1400 Euro liegen. Das gilt für die Grundausstattung. Wer Scheibenbremsen, Schutzblech, Licht oder ein besseres Display möchte, der legt teils ordentlich drauf. Und wer eine neue 48-Volt-Batterie für das Rad benötigt, der wird nur bei Mate fündig - für 536 Euro.

Pedelecs, also Räder mit Elektromotor, provozieren bei ihren Fahrern oftmals einen Hallo-Wach-Effekt. Wer die Unterstützung zum ersten Mal spürt, der erlebt häufig ein Glücksgefühl wie Kinder auf ihrer ersten Schlittenfahrt. Alles geht so einfach, so schnell, man segelt eher mit dem Rad durch die Gegend als dass man noch fährt. So auch beim Mate X, bei dem die Batterie im Rahmen eingebaut ist. Sie ist so stark, dass sie dem Rad bisweilen das Verhalten eines Rodeopferds gibt. Beim Anfahren geht die erste halbe Umdrehung ziemlich schwer, dann springt die Batterie an und das Rad macht einen Satz nach vorn. Man sollte stabil im Sattel sitzen, sonst kann es passieren, dass man abgeworfen wird.

Wer es richtig macht, der kann es auf den ersten Metern locker mit einem Moped aufnehmen. Auch mancher Autofahrer muss dem Galopperrad hinterherschauen. Je schneller die Kurbel dreht, desto mehr Unterstützung kommt vom Motor. Deshalb ist es oft ratsam, in einen kleinen Gang zu schalten, ob auf gerader Strecke oder bergauf. Lieber mit wenig Kraftaufwand schnell die Kurbel drehen, als in einem zu hohen Gang fahren. Dann ist die Antriebsunterstützung optimal.

Über neun Stufen lässt sich die Tretunterstützung einstellen, bei mittlerem Verbrauch verspricht Mate eine Reichweite von 80 Kilometern. Wie in Deutschland vorgeschrieben, beschleunigt die Batterie nur bis etwa 25 Kilometer pro Stunde, dann ist Schluss. Das Rad ist faltbar; aber wer es in den Kofferraum oder ins Zugabteil wuchten will, benötigt Muskelkraft, denn es wiegt mit Batterie 29 Kilogramm. Für Fahrradkeller, die nur über Treppen zu erreichen sind, ist es kaum geeignet. Es ist explizit auch als Geländerad entwickelt. Die dicken Reifen sind für Crosscountry besser geeignet als für einen innerstädtischen Fahrradständer.

Wer es im Freien stehen lassen will, sollte sich ohnehin ein gutes Schloss zulegen. Denn das Mate X fällt auf. Egal, wo man hinkommt. "Boah, schau mal das an!", rufen die Jugendlichen vor der Schule. Früher erregte nicht selten ein tolles Auto Aufmerksamkeit. Heute ist es ein dänisches Pedelec.

© SZ vom 02.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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