Süddeutsche Zeitung

Autohandel:Tesla fährt der Konkurrenz online davon

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Von Joachim Becker

Die Schonzeit ist vorbei. Je mehr Elektroautos an den Start gehen, desto härter wird der Wettbewerb. Zum Beispiel durch die Modelloffensive von VW: Die Wolfsburger wollen bis 2025 die weltweite Nummer eins in der E-Mobilität werden. Der gesamte Konzern will mit weltweit 22 Millionen Stromern in der nächsten Dekade den Markt fluten. Im Vergleich dazu ist Tesla ein Nischenanbieter. Gründer Elon Musk kann derzeit nur mit dem neuen Crossover Model Y und einer Einstiegsvariante des Model 3 kontern, die in den USA bereits bestellbar ist. Schlimmer noch: Die Kalifornier verlieren ihre Alleinstellungsmerkmale. Der leistungsstarke Elektroantrieb in einem eigens dafür entwickelten Modell ist auch bei "New Volkswagen" Standard. Ohne echte Differenzierung wird der Preiskampf zum Normalzustand - auf Kosten der Marge.

Tesla steigt in die Niederungen des Massenmarkts hinab. Andere Premiummarken müssen ihre Neuwagen mittlerweile mit hohen Abschlägen verkaufen. Rabatt-Studien weisen für diverse BMW-Modelle im Februar Nachlässe von rund 20 Prozent aus. Ein großer Internetvermittler bietet auch für Audi und VW Maximalrabatte von mehr als 40 Prozent gegenüber dem Katalogpreis an.

Das führt mitten hinein in das zweite Problem der meisten Hersteller: Eigentlich sind sie beim Neuwagenverkauf durch Händlerverträge und Kartellauflagen der EU gebunden. Vermittlerplattformen umgehen diese Geschäftsregeln, indem sie Angebote von lokalen Händlern bündeln und diese bundesweit zu Dumping-Preisen verkaufen.

Rumgesprochen hat sich das noch nicht wirklich. In Deutschland kaufen Privatkunden nur knapp zehn Prozent ihrer Neuwagen über das Internet. Damit profitieren sie von ähnlichen Vorteilen wie Firmenkunden: Hohe Stückzahlen bei geringem Personalaufwand drücken die Kosten. Ausgeliefert wird der Wagen in beiden Fällen weiterhin über einen Vertragshändler. Das treibt die Kosten wieder in die Höhe, weil Händler-Vollbetriebe die hohen Auflagen der Hersteller beispielsweise für pompöse Verkaufsräume erfüllen müssen. Neue Automarken wie die Volvo-Tochter Polestar, Byton oder eben Tesla setzen stattdessen auf den Direktvertrieb. Deshalb kann Elon Musk jetzt viele Tesla-Stores weltweit schließen und große Teile des Personals einfach feuern.

Autos nutzen statt besitzen: Kunden haben immer mehr Wahlmöglichkeiten

Demnächst kann man einen Tesla nur noch per App kaufen. Trotzdem seien die Risiken für den Kunden überschaubar, meint Ferdinand Dudenhöffer: "Der Autohandel ist aus der Verunsicherung der Kunden entstanden, weil die Technik unzuverlässig war", so der Marktexperte: "Die Kunden brauchten den Händler als Vertrauensperson, um die teure Anschaffung abzusichern." Diesen Bedarf sieht der Auto-Professor von der Uni Duisburg-Essen nicht mehr: Mit einem erweiterten Rückgaberecht von über einer Woche oder 1600 Kilometern mache Tesla Probefahrten überflüssig. Weil Elektroautos weniger komplex sind als Verbrenner, sei auch der Beratungsbedarf geringer. Zumal alle Informationen inklusive Hochglanz-Konfiguratoren im Internet leicht verfügbar seien.

Der Trend geht nicht nur zum Online-Kauf direkt beim Händler. "Künftig wird ein breites Angebot von Car-Abos mit Vollkostengarantie und Rückgaberecht die Risiken für die Kunden weiter reduzieren", so Dudenhöffer. Auch bei den deutschen Marken? Aus Angst, mit den Händlern viele Privatkäufer zu verlieren, nutzen selbst BMW i und die Mercedes-Tochtermarke EQ die alten Vertriebswege. Auch der Volkswagen-Konzern fährt weiter zweigleisig, obwohl er den Online-Vertrieb massiv ausbauen will. Los geht´s mit dem Order-Start für den ID Neo in wenigen Monaten. Die Kunden können sich online einen Produktionsslot per Anzahlung sichern. Die weitere Verkaufsabwicklung übernimmt dann wieder der Handel.

Online-Handel als Vertriebskanal für Digitales und Dienstleistungen

Auch bei Audi und den anderen Konzernmarken kann man künftig nur in Einzelfällen ein Auto direkt kaufen. "Der Kunde muss immer seinen betreuenden Handelspartner angeben, damit dieser angemessen beteiligt wird", so eine VW-Sprecherin. Gleichzeitig soll der Online-Handel einen Vertriebskanal für digitale Produkte und Dienstleistungen öffnen. Bisher unterscheidet die Branche zwischen einem margenstarken Autoverkauf und einem eher kleinteiligen Service- und Aftersales-Geschäft. Künftig verschwimmen die Grenzen, wenn die Kunden nach dem Kauf Software-Updates bekommen oder größere Upgrades mit neuen Funktionen dazu buchen können. Dafür sind die aktuellen Kontaktdaten des Kunden nötig, die der Handel bisher streng gehütet hat.

Sieht so das "unübertroffene Konsumerlebnis" aus, von dem Elon Musk 2007 träumte? Statt Fahrzeuge in den stinkenden und lauten Vorzimmern einer Werkstatt zu verkaufen, schwebte dem Tesla-Gründer die exklusive Tech-Welt eines Apple-Stores vor: "Der Platz, den wir anstreben, verbindet die Anmutung eines Apple-Stores mit einem Starbucks, und der offenen Küche eines guten Restaurant-Chefs." Das Traktat zum "perfekten Tesla-Store" ist genauso Geschichte wie die (Werkstatt-)Mitarbeiter als stolzer Teilhaber des Unternehmens: "Sie werden vollen Zugang zur Firmenzentrale haben, um Probleme zu lösen", so Musk. Wenn man die Mängelliste des Model 3 im US-Consumer-Report sieht, ist Tesla von der Apple-Qualität allerdings weit entfernt. Aufgrund von Kundenbeschwerden hat die wichtige US-Verbraucherorganisation ihre Kaufempfehlung für den kompakten Tesla jüngst zurückgezogen.

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Quelle:
SZ vom 16.03.2019
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