Tesla-Patente:Ein Winzling zeigt Muskeln

Das Tesla Model S

Tesla-Chef Elon Musk will die meisten seiner Patente offen legen. So auch für das Model S.

(Foto: Bloomberg)

Erst lud Tesla-Chef Elon Musk dazu ein, seine Ladesäulen zu benutzen. Jetzt macht er seine Patente frei zugänglich. Das freche Angebot legt die Schwächen der großen Autokonzerne offen.

Von Karl-Heinz Büschemann

Elon Musk galt in der Autoindustrie lange als Verrückter. Plante doch dieser Amerikaner eine eigene Autofertigung, obwohl seine Firma ein Internet-Unternehmen ist. Sogar eine Kolonie auf dem Mars für 80 000 Menschen plante Musk. So einen muss man nicht fürchten, glaubten die etablierten Autobosse. Dann baute Musk mit seinem Unternehmen Tesla sein erstes batteriegetriebenes Auto, und der Fachwelt blieb nichts übrig als zu staunen. Heute verkauft Tesla in den USA mehr elegante Luxuslimousinen als BMW, Audi oder Daimler. Der Winzling zeigt Muskeln.

Gerade sorgt Musk in der Autoindustrie für Unruhe. Der Pionier will Konkurrenten seine durch Patente geschützte Technologie zur Verfügung stellen. Ein paar Tage zuvor hatte der Amerikaner den Konkurrenten angeboten, seine Stromladesäulen zu nutzen, die er gerade in Amerika und Europa aufstellt, um seine Autos mit Strom zu versorgen. Schon da war die Branche baff.

"Das überrascht uns", sagte ein BMW-Sprecher zu dem Lade-Vorschlag. Der Münchner Konzern, der selbst Elektroautos baut, brauchte volle zwei Tage für eine Antwort. "Die BMW Group begrüßt das Angebot von Tesla". Staunen auch bei Daimler. "Der Vorschlag ist durchaus nachvollziehbar". Klingt freundlich. In Wahrheit bringt Musk die Europäer in die Defensive. Das freche Angebot des Kleinen, den großen Konkurrenten Teile der Technologie zu geben, legt deren Schwächen erschreckend offen. Sie glaubten lange, sie könnten sich gemütlich dem neuen Zeitalter des Stromautos nähern. Jetzt setzt sie der Außenseiter unter Druck. Gut möglich, dass die Gesetze des E-Autobaus demnächst im Silicon Valley geschrieben werden.

Deutsche Autobauer stehen Elektroautos skeptisch gegenüber

Die deutschen Autobauer, vor allem Marktführer Volkswagen, stehen batteriebetriebenen Autos skeptisch gegenüber. Sie verstehen noch zu wenig von dieser Zukunftstechnologie und sie fürchten, die Stromer könnten ihr bisheriges Geschäft mit PS-starken Benzin- und Dieselautos gefährden "Wir brauchen keine brennenden Autos", hatte VW-Patriarch Ferdinand Piëch kürzlich über die Amerikaner gespottet, von denen ein Modell in Flammen aufgegangen war.

So führt das Batteriefahrzeug in der Autonation Deutschland ein Schattendasein. In diesem Lande sind erst rund 15 000 Stromautos zugelassen. Potenzielle Kunden werden nicht nur vom hohen Preis der Modelle abgeschreckt, die BMW, Opel, VW oder Daimler anbieten. Die Autofahrer fragen sich zudem, wo sie den Strom für die Fahrzeuge bekommen und ob ihnen die Reichweite von oft nur knapp über 100 Kilometer genügt. Für Elektroautos ist Deutschland noch ein Abenteuerspielfeld.

Nach zehn Jahren der Diskussion über Batterieautos gibt es für Europa noch immer keinen einheitlichen Standard für die Ladesäulen. Den hat die EU erst für 2017 beschlossen. Daimler, Renault und Volvo haben andere Konzepte für das Zukunftsauto als BMW und Volkswagen. Beim Tanken für den Strom "herrscht noch immer Chaos", sagt der Duisburger Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer über die vielen Normen an den Zapfsäulen, die es unmöglich macht, einfach eine Tanksäule anzufahren und den leeren Akku aufzufüllen.

Der Verkehrsminister weiß nicht mal, wie viele Ladestellen es gibt

Die Bundesregierung sorgt für weitere e Verwirrung, indem sie gleich vier Ministerien an der Modernisierung des Autostandortes Deutschland werkeln lässt. Das Bundesverkehrsministerium von Alexander Dobrindt (CSU), der für den Ausbau der technischen Infrastruktur in Deutschland verantwortlich ist, weiß aber nicht einmal, wie viele Zapfsäulen es in Deutschland gibt. "Es gibt derzeit keine allgemein verbindliche Sammelstelle für die Anzahl von Ladestellen", muss das Ministerium zugeben.

"Tesla will mit aller Macht seine Standards in den Markt drücken"

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft kann aushelfen. Es sind etwa 4500, die meisten betreibt der Energieversorger RWE. Doch es passt nur wenig zusammen. Ein Drittel der Säulen können die Kunden nur ansteuern, wenn sie einen langfristigen Stromkaufvertrag haben. Nur 13 Prozent der Säulen kann ein Fahrer nach Auskunft des Ministeriums spontan anfahren. "Wir haben bei der Standardisierung der Ladeinfrastruktur sicher noch einen gewissen Weg vor uns", muss der Daimler-Konzern einräumen.

So wird das nichts mit dem Auto, dass die Abhängigkeit der Welt vom Öl reduzieren und dem Klima helfen soll. In diese Lücke stößt der Neuling aus dem Silicon Valley vor, der bereits den Bau eines eigenen Werkes für seine Stromer in Europa plant. Musk ist als Kind der Silicon-Valley-Digital-Welt gewohnt, den Markt dadurch zu öffnen, dass man mit hohen Absatzzahlen Fakten schafft und nicht wartet, bis sich Behörden und träge Technikerverbände mühsam auf Normen geeinigt haben.

Es wird gehen wie den achtziger Jahren bei der Videotechnik. Auch damals hatten die Europäer eigene Standards entwickelt, die angeblich besser waren als die der Japaner. Am Ende siegte der Markt. Das VHS-System des japanischen Konzerns JVC setzte sich weltweit durch. "Tesla will mit aller Macht seine Standards in den Markt drücken", heißt es bei einem Stromversorger.

Aufladen in 30 Minuten

Tesla bietet mehr als die etablierten Autobauer. Der Branchenneuling hat in Amerika schon 100 eigene Ladestationen eingerichtet, die Fahrten sogar quer durchs Land erlauben. Den Strom bekommen die Kunden gratis. Musks Autos fahren mit einer Akkuladung doppelt so weit wie die Modelle der europäischen Konkurrenz und seine Ladesäulen erlauben es, eine Autobatterie in 30 Minuten bis zu 80 Prozent wiederaufladen. Dafür brauchen die der deutschen Modelle noch viele Stunden.

Musk ist kein Altruist, der Geschenke bereitstellt für die Konkurrenz. Aber er will das E-Auto zum Erfolg bringen "Unsere wahren Konkurrenten sind nicht die paar Elektroautos, die irgendwo gebaut werden", sagt der Amerikaner. Der wahre Konkurrent sei "die große Flut von benzingetriebenen Autos, die jeden Tag aus den Fabriken der Welt strömen".Viele davon gehören BMW, Daimler und Volkswagen.

Aber ein Anfang ist gemacht: Gerade gab es Gespräche von BMW und Tesla-Managern. Es sei ein Kontaktanbahnung gewesen, heißt es bei den Münchnern.

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