Autonomes Fahren:US-Verbraucherschützer: Teslas Autopilot ist unsicher

Tesla store, tesla logo

Verbraucherschützer melden Zweifel am Fahrassistenzsystem des kalifornischen Elektro-Pioniers Tesla an.

(Foto: AP)
  • Amerikanische Verbraucherschützer haben die neueste Version des Tesla-"Autopilot" getestet.
  • Ihr Urteil: Das Fahrerassistenzysystem sei unsicher und führe sogar zu gefährlichen Situationen.
  • Immer wieder überschätzen Fahrer die Fähigkeiten der Technik.
  • Auch bei einem tödlichen Tesla-Unfall im März war der "Autopilot" aktiv, reagierte aber nicht.

Von Joachim Becker und Christina Kunkel

Die US-Verbraucherschutzorganisation Consumer Reports hat die neueste Version des Tesla-"Autopilot" unter die Lupe genommen. Das Assistenzsystem soll nicht nur automatisch den Abstand und die Spur halten, sondern auch selbstständig die Fahrspur wechseln oder Autobahnabfahrten meistern. Dabei kam die Funktion für einen automatisierten Spurwechsel besonders schlecht weg. Statt des versprochenen "flüssigen und übergangslosen Fahrgefühls" erzeugte die Software potenziell gefährliche Situationen. Die Testfahrer mussten häufig eingreifen, um die vorgeschriebenen Abstände einzuhalten.

"Das System sollte dem Fahrer helfen, aber bei dieser Auslegung passiert das genaue Gegenteil", klagt Jake Fisher, der bei Consumer Reports für die Autotests zuständig ist: "Das System ist extrem kurzsichtig, es reagiert offensichtlich nicht auf Bremslichter oder die Signale des Blinkers. Weil der Autopilot nicht vorwegnehmen kann, was andere Fahrer tun werden, muss man permanent auf der Hut sein und vorausdenken." Das wäre im Prinzip kein Problem für ein Assistenzsystem, das weiter auf den Fahrer angewiesen ist. Weil Tesla aber schon mit dem Namen "Autopilot" die Nähe zu einem selbststeuernden System suggeriert, besteht akute Verwechslungsgefahr.

"Seit drei Monaten haben wir einen neuen Software-Stand für den Autopiloten, der besser vorhersagen kann, welche Fahrzeuge einscheren werden", verkündete Elon Musk vor vier Wochen auf dem "Tesla Autonomy Day". Mit seinen Aussprüchen legt der Unternehmensgründer immer wieder nahe, dass das System Vorhersagen zum Verkehrsverlauf machen könne. Damit will er den Eindruck verstärken, dass Tesla bei dieser Technik weit vorne liegt. Schon in einem Jahr will Musk die ersten vollautonomen Autos auf die Straße schicken. Doch Experten äußern Bedenken gegen eine Systemauslegung, die sich hauptsächlich auf eine Umfelderkennung mit Hilfe von Kameras verlässt.

Seit vier Wochen werden alle Tesla-Modelle ab Werk mit einem Radar, acht Kameras, zwölf Ultraschallsensoren sowie einem neuen Supercomputer ausgestattet. Damit soll der Autopilot nicht nur den richtigen Abstand und die Spur halten, sondern auch Ampeln und Stoppschilder erkennen. Um das "volle Potenzial für autonomes Fahren" zu aktivieren, werden beim Model 3 in Deutschland 5200 Euro extra fällig. Doch eine Freigabe durch die Behörden ist in Europa nicht in Sicht. Zu groß sind wohl die Bedenken, dass nur ein einziges Radarsystem in der Front Nebel oder Schnee durchdringen kann. Die Kameras sind auch bei Gegenlicht in ihrer Funktion stark eingeschränkt.

Seit Jahren streitet der kalifornische Hersteller mit Behörden und Sicherheitsexperten darüber, ob es sich bei dem Autopiloten um ein Komfort- oder ein Sicherheitssystem handelt. Bisher sind in Europa nur Assistenzsysteme zulässig, die den Fahrer nicht ersetzen können. Das liegt an ihren eingeschränkten sensorischen Fähigkeiten, die nicht in allen Grenzfällen eine sichere Funktion garantieren können. Deshalb weist nun auch Tesla deutlicher darauf hin, dass der Mensch am Steuer immer den Überblick über die Verkehrssituation und die Kontrolle über das Fahrzeug behalten solle. Nach mehreren tödlichen Unfällen haben die Kalifornier, von der Öffentlichkeit mehr oder weniger unbemerkt, auch ihre Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Jetzt ist es nicht mehr möglich, die Hände für eine längere Zeit vom Lenkrad zu nehmen.

Bei deutschen Herstellern machen die Abstandstempomaten mit Spurhaltefunktion regelmäßig und unmissverständlich klar, wer die Verantwortung trägt: Nimmt der Fahrer die Hände vom Steuer, fordert ihn das System nach 15 Sekunden mit optischen und akustischen Warnsignalen auf, die Fahraufgabe wieder zu übernehmen. Der Fahrer hat daher gar keine Zeit, sich scheinbar autonom fahren zu lassen und länger mit ablenkenden Dingen zu beschäftigen. Denn das Schlimmste, sagen Unfallforscher, ist ein Assistent, der unvorhergesehen den Dienst quittiert. Und ein Fahrer, der sich in trügerischer Sicherheit wähnt, während er sich auf den elektronischen Schutzengel verlässt.

Dass sich Teslafahrer trotz der neuen Sicherheitsvorkehrungen immer wieder in gefährlicher Weise auf die Autopilot-Funktionen verlassen, legen auch die ersten Ermittlungsergebnisse zu einem tödlichen Unfall im März nahe. Der Fall hatte für besondere Aufmerksamkeit gesorgt, weil sich die Umstände eines tödlichen Crashs vor drei Jahren wiederholten: Der Tesla raste unter einen Lastwagen-Anhänger, der die Straße querte. Die Ermittlungsbehörde NTSB hielt in ihrem vorläufigen Bericht zu dem Zusammenstoß in Florida fest, dass der Fahrer die Autopilot-Software zehn Sekunden vor dem Unfall eingeschaltet hatte. In den letzten acht Sekunden vor dem Aufprall seien keine Handbewegungen auf dem Lenkrad registriert worden.

Tesla zieht daraus den Schluss, dass der Fahrer sofort nach der Autopilot-Aktivierung das Steuer losließ. Weder die Software, noch der Fahrer hätten versucht, auszuweichen. Das Tesla Model 3 sei beim Zusammenstoß mit einer Geschwindigkeit von 68 Meilen pro Stunde (gut 109 km/h) gefahren, während auf dem Highway-Abschnitt 55 Meilen pro Stunde (88,5 km/h) erlaubt gewesen seien.

Andere Fälle endeten zwar nicht so dramatisch, aber sie zeigen, wie schnell Teslas System Menschen dazu verleitet, sich nicht an die Regeln zu halten: Vergangene Woche wurde ein Niederländer von der Polizei schlafend am Steuer seines Tesla gestoppt, während der Autopilot durch die Nacht fuhr. Auf eine andere Geschichte reagierte Tesla-Chef Elon Musk sogar höchstpersönlich: Eine Pornodarstellerin hatte ein Sexvideo in einem Tesla gedreht - während der Wagen per Autopilot auf einem Highway fuhr. Was gegen sämtliche Sicherheitsregeln verstößt, kommentierte Musk auf Twitter nur mit den Worten: "Es stellt sich heraus, dass es mehr Möglichkeiten gibt, "Autopilot" zu nutzen, als wir uns vorgestellt hatten."

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