Süddeutsche Zeitung

Tempolimit:Bestraft lieber die Raser härter statt alle zu gängeln

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Im Vergleich sind Autobahnen die sichersten Straßen. Ja, man muss sie noch sicherer machen - aber ein Limit, das alle einschränkt, braucht es dafür nicht.

Kommentar von Harald Hordych

Auf den ersten Blick erscheint es vernünftig, für eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf allen Autobahnen einzutreten. Aber was spricht wirklich für ein generelles Tempolimit? Umweltschutz? Die Auswirkungen aufs Klima sind umstritten: Tatsächlich werden die wenigsten Fahrer auf der Autobahn zu benzinfressenden Rasern. Der Spritverbrauch ist bei Stop-and-go-Fahrten in der Stadt am höchsten - daran würde ein Tempolimit nichts ändern.

Das Argument der Verkehrssicherheit ist ebenfalls einzuschränken. Die Zahl der Toten im Straßenverkehr ist in Deutschland von 21 332 im Jahr 1970 auf 3180 im vorigen Jahr zurückgegangen. Gurtpflicht, Helmpflicht für Motorradfahrer und Kindersitzpflicht sowie die Senkung der Promillegrenze brachten hier Erfolge. Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen war hingegen nicht erforderlich. Deutschland hat - auch ohne Limit - eine der niedrigsten Quoten weltweit. Das heißt nicht, dass nicht weiter dafür gekämpft werden muss, diese schreckliche Bilanz auf null zu bringen. Nur: Wäre das Tempolimit hier mehr als ein symbolischer Akt, der zeigen soll, dass irgendetwas unternommen wird? Es gibt andere Maßnahmen, etwa um die Zahl von Radfahrern zu senken, die im Stadtverkehr von Rechtsabbiegern übersehen werden.

Auf der Autobahn ist man sicherer als auf der Landstraße

Unstrittig ist, dass Raserei die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet. Deshalb ist ein Tempolimit auf bestimmten Streckenabschnitten sinnvoll und notwendig. Dieses sollte sogar noch strenger überwacht und sanktioniert werden als bisher: Sobald dem Verlangen nach hoher Geschwindigkeit auf Strecken mit Begrenzung rücksichtslos nachgegeben wird, müssen die Strafen saftig ausfallen. Wo in anderen Ländern 150 Euro fällig sind, kommen deutsche Fahrer mit 20 Euro davon. Eine solche symbolische Strafe tut niemandem weh. Aber Rasen auf Limit-Strecken ist gefährlich. Laut Statistischem Bundesamt sind bei Unfällen mit Personenschaden die meisten Toten auf nicht angepasste Geschwindigkeit zurückzuführen. Die Statistik sagt aber auch: Autobahnen sind im Vergleich die sichersten Straßen. Obwohl ein Drittel der auf deutschen Straßen gefahrenen Kilometer auf Autobahnen zurückgelegt wird, ereignen sich dort nur sieben Prozent der Unfälle mit Personenschaden.

Es wäre Augenwischerei, ein jahrzehntelang erprobtes Modell aufzugeben, um den Deutschen das Gefühl zu geben, ihre Straßen würden dadurch erheblich sicherer. Wer beobachtet, wie Limits in Tempo-30-Zonen vor Schulen oder in engen Autobahnbaustellen konsequent ignoriert werden, fragt sich zu Recht, was es bringen würde, auf Autobahnen ein generelles Limit einzuführen. Es ist illusorisch zu glauben, dass dichtes Auffahren oder gewagte Überholmanöver damit der Vergangenheit angehörten, nur weil die Fahrer "entspannte" 130 fahren sollen.

Die Deutschen sind mit den Sicherheitsstandards auf ihren Autobahnen bisher gut gefahren. Autofahren heißt für manchen, sich einer romantischen Sehnsucht nach Freiheit durch Geschwindigkeit hinzugeben. Gehört das verboten? Man muss Autobahnen noch sicherer machen und uns Fahrern mehr Respekt beibringen: Wer mit 170 km/h heranrauscht und lichthupend dicht auffährt, verdient drastische Strafen. Aber ein Limit, das alle einschränkt, braucht es dafür nicht.

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SZ vom 22.01.2019
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