Tempo 80 auf der Landstraße:Viele Franzosen wollen wieder schneller fahren

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Erstmals seit Jahren ist die Zahl der Verkehrstoten gesunken. Doch viele Franzosen fordern jetzt, das Tempolimit auf Landstraßen wieder nach oben zu setzen.

Von Nadia Pantel, Paris

Die Zahl der Verkehrstoten in Frankreich ist deutlich gesunken. 3259 Menschen kamen 2018 im Straßenverkehr um, 245 weniger als 2017. Zusätzlich sank die Zahl der Verletzten um 25 Prozent. Von 2014 bis 2016 war die Zahl der Verkehrstoten gestiegen. Die neuen Werte sind nun nicht nur eine gute Nachricht für alle Auto- und Fahrradfahrer, sondern auch für Premier Édouard Philippe. Als er die Zahlen am Montag vorstellte, sprach er von einem "historischen Tiefstand", den er auf eine seit Juli 2018 geltende Geschwindigkeitsbegrenzung zurückführte. "Es gab noch nie so wenig Tote auf Frankreichs Straßen", sagte Philippe. Er sei "stolz auf die historischen Zahlen."

Auf Landstraßen darf man seit Sommer nur noch 80 statt wie bisher 90 Kilometer pro Stunde fahren. Die Regelung gilt für alle zweispurigen Landstraßen ohne trennenden Mittelstreifen. Diese Landstraßen machen zwar nur 40 Prozent des französischen Straßennetzes aus, auf ihnen ereignen sich jedoch 55 Prozent der tödlichen Unfälle.

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Das neue Tempolimit hatte seit seiner Ankündigung im Januar 2018 für Unmut unter Autofahrerverbänden und Lokalpolitikern gesorgt. Einer der Vorwürfe lautet, dass die Regierung in Paris alle Landstraßen pauschal gleich behandle, ohne sich darüber zu informieren, wo tatsächlich größere Risiken vorliegen. Der Verband "40 Millionen Autofahrer" bestreitet zudem den Zusammenhang zwischen dem Tempolimit und dem Rückgang der Toten, man müsse auch den Zustand der Straßen und der Fahrzeuge berücksichtigen. Premier Philippe reagierte im Sommer stoisch auf die Vorwürfe: "Wenn man sich unbeliebt machen muss, um Leben zu retten, dann nehme ich das in Kauf."

80 Kilometer pro Stunde - das ist der Mehrheit der Autofahrer zu wenig

Die Proteste der sogenannten Gelbwesten haben zu einer neuen Diskussion über die Geschwindigkeitsbegrenzung geführt. Die Gilets jaunes fordern Tempo 90 auf Landstraßen. Im Rahmen der Proteste wurden laut Innenministerium 60 Prozent der Radarfallen an Frankreichs Landstraßen zerstört.

Anders als Premier Philippe scheint Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nicht an der beschlossenen Geschwindigkeitsbegrenzung zu hängen. Bereits im vergangenen Frühjahr hatte er gesagt, dass man nach einer zweijährigen Testphase evaluieren müsse, ob die Straßen dadurch tatsächlich sicherer geworden seien. Im Rahmen der "Grand débat", welche die französische Regierung aus der Krise führen soll, sagte Macron vor zwei Wochen zu Bürgermeistern in der Normandie, dass auch die Geschwindigkeitsregelung "zur Debatte" stehe.

In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Harris sagten 82 Prozent der Franzosen, sie gingen davon aus, dass es der Regierung bei der neuen Geschwindigkeitsbegrenzung vor allen Dingen darum gehe, die Staatskasse zu füllen. 76 Prozent sagten in einer Axa-Umfrage, dass sie gegen eine Beschränkung auf Tempo 80 seien.

© SZ vom 29.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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