Technik-Offensive bei Opel:Mit der Kraft der neuen Herzen

Opel, Technologie, SIDI, CDTI, TDI, Direkteinspritung, Getriebe

Technik-Offensive bei Opel: Doch es gibt noch viele offene Fragen.

23 neue Modelle und 13 neue Motor-Getriebekombinationen: Opel hat bis 2016 viel vor. Alternative Antriebe allerdings befinden sich auf dem Abstellgleis. Der Markt sei noch nicht bereit, sagt Opel.

Von Georg Kacher

Opel sucht - wieder einmal - nach einer besseren, sprich profitableren, Zukunft. "Wir haben verstanden", behauptet Micky Bly, der bei GM Europa für die Antriebstechnik zuständig ist. "Es bestand Nachholbedarf, noch in diesem Jahr werden Kunden die ersten neuen Motoren kaufen können, die deutlich sparsamer und gleichzeitig drehmomentstärker sind. Bis 2016 wird Opel 23 neue Modelle und 13 neue Motor-Getriebekombinationen auf den Markt bringen, bis 2020 wollen wir den CO2-Ausstoß der Flotte um 27 Prozent verringern.

Gleichzeitig werden wir die Zahl der Fahrzeugarchitekturen und Motorfamilien praktisch halbieren, denn weniger Komplexität bedeutet deutlich geringere Kosten. Auch das Getriebe-Portfolio wird gründlich überarbeitet. In Entwicklung sind ein Achtstufenautomat, ein Doppelkupplungsgetriebe, eine automatisierte Schaltbox und ein stufenloses CVT - selbstverständlich hybridfähig und serienmäßig mit Stopp-Start."

Vier neue Spardiesel kommen

Wir fuhren stellvertretend für die nächste CDTI-Generation zunächst ein 1,6-Liter-Aggregat im Zafira. Mit 136 PS und 320 Newtonmetern Drehmoment ist der Selbstzünder zwar sechs PS stärker und 20 Newtonmeter kräftiger als sein Vorgänger, aber er tut sich schwer im nicht gerade leichten Tourer. Dafür sinkt - bei etwas besseren Fahrleistungen - der Verbrauch von 4,5 auf 4,1 Liter. "Das verdanken wir unter anderem der reduzierten Reibung und der von Drucksensoren gesteuerten Verbrennung", weiß Pierpaolo Antonioli, Leiter der GM-Dieselentwicklung in Turin.

In Vorbereitung sind drei weitere 1,6-Liter-Spardiesel mit 95 PS und 280 Newtonmetern, 110 PS und 300 Newtonmetern sowie 160 PS und 350 Newtonmetern. Doch das ist nicht alles. Das neue Werk in Ungarn wird auch einen 2,0-Liter-Motor produzieren, der ebenfalls als Monoturbo und als besonders kräftige Twinscroll-Variante vom Band laufen wird. Die Leistungsspanne des Top-Treibsatzes dürfte von 190 bis 231 PS reichen. Als bevorzugte Kraftübertragung dient ein allradtauglicher Achtgangautomat, der Drehmomente bis 500 Newtonmetern wegstecken kann.

Überzeugende Benziner

Rundum überzeugt hat bei der ersten Testfahrt der 1,6-Liter-Benziner mit dem Kürzel SIDI (Spark-Ignited Direct-Injection). Der kompakte Motor startet in zwei Varianten als Eco-Turbo mit 170 PS und 280 Newtonmetern sowie als Performance-Turbo mit 200 PS und 300 Newtonmetern. In Verbindung mit dem neuen Sechsganghandschalter hat uns diese Variante beeindruckt: Der Vierventiler dreht klaglos bis 6000 Touren, verteilt aber sein maximales Drehmoment über ein Hochplateau, das von 1750 bis 4700 Kurbelwellenumdrehungen reicht.

Nach oben wird die Palette durch zwei größere Vierzylinder mit 1,8 und 2,0 Liter Hubraum ergänzt. In der Spitze ist eine Leistung von über 300 PS darstellbar - schließlich dürfen die OPC-Modelle gegenüber der Konkurrenz nicht in Rückstand geraten. Vor allem als Sportmotor soll der SIDI mit Doppelkupplungsgetriebe angeboten werden.

Keine Sechszylinder mehr

Während der V6 in der Opel-Zukunftsplanung keine Rolle mehr spielt, setzt die Marke verstärkt auf den Dreizylinder. Den Anfang macht ein 1,0-Liter-Benziner mit Ausgleichswelle, der in zwei Leistungsstufen mit 90 PS und 150 Newtonmetern sowie 115 PS und 165 Newtonmetern vor allem im Adam, Corsa und Astra für einen Nachfrageschub sorgen dürfte. Mittelfristig soll dann ein neuer 1,2-Liter-Dreizylinder in jenem Segment reüssieren, das heute noch von kleinen Vierzylindern dominiert wird. Hier erlaubt sich Opel den Luxus von zwei verschiedenen Hubräumen, denn neben dem 1,4-Liter mit 140 PS und 200 Newtonmetern wird es künftig auch einen 1,5-Liter mit 160 PS und 235 Newtonmetern geben.

Alle neuen Benziner glänzen mit einem besonders leisen Kettenantrieb, Sechs-Loch-Einspritzdüsen, kleinen und damit rasch ansprechenden Ladern, bedarfsgesteuerten Nebenaggregaten und möglicher Zylinderabschaltung sogar für den Dreizylinder. Zu den Besonderheiten der neuen Diesel-Familie zählen bis zu zehn Einspritzphasen, Drücke von bis zu 2000 bar, Ölkühlung für die Kolbenböden und ein Zweimassen-Schwungrad. Die Euro-6-Abgasnorm wird entweder durch AdBlue-Zugabe oder mittels NOx-Filter erfüllt.

Das Negativ-Erlebnis während der ersten Probefahrten war der 90-PS-Adam mit dem automatisierten Fünfganggetriebe, das durch lange Zugkraftunterbrechungen, hartes Einkuppeln, fehlende Schaltpaddel und eine lethargische Gesamtabstimmung unangenehm auffiel. Gefallen hat uns dagegen der facegeliftete Insignia, der endlich Schluss macht mit dem komplizierten Bedienkonzept und dem bestenfalls durchschnittlichen Infotainment.

Hybrid-Technologie auf dem Abstellgleis

Noch in Diskussion ist die Zukunft der alternativen Antriebe. Im Prinzip setzt Opel auf den Mild Hybrid, den Plug-in-Hybrid und langfristig auf die Brennstoffzelle, doch von Euphorie kann keine Rede sein. Der Opel-Aufsichtsratsvorsitzende Steve Girsky brachte es auf den Punkt: "Mit Ampera und Volt halten wir ein Drittel am Hybridmarkt - aber was nützt das, wenn sich in Europa keine 10.000 Autos pro Jahr verkaufen lassen. Bei GM sind drei neue Plug-in-Hybride fast serienreif, doch bei den Stückzahlen, die sich der Vertrieb zutraut, würden sie rote Zahlen schreiben. Wir sind bereit, der Markt ist es leider noch nicht."

Wie es weitergeht, das bestimmt unter anderem der neue Chef Karl-Thomas Neumann, der auch im GM-Vorstand sitzt - so kann er die Interessen der Europa-Fraktion am besten wahren. Es gibt viele offene Fragen, aber nur wenige strategische Weichenstellungen, darunter die noch junge Kooperation mit PSA. Braucht die Marke einen Agila-Nachfolger beziehungsweise generell ein Auto unter dem Corsa? Ist die Zeit schon reif für einen Opel knapp oberhalb des Insignia? Hat es Sinn, neben Mokka und Antara einen dritten Crossover ins Rennen zu schicken (war fertig, steht jetzt angeblich auf der Kippe)? Sollte es vielleicht sogar wieder ein sportliches Modell mit Hinterradantrieb geben, das an Ikonen wie den GT, den Manta oder den Speedster erinnert? Spätestens an diesem Punkt empfiehlt Steve Girsky, doch die Kirche im Dorf zu lassen. "Oder erwarten Sie etwa, dass wir eine Opel-Version der neuen Corvette in die alte Welt exportieren?"

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