SUV im Fahrbericht:Volkswagen versucht es mit digitalem Bling-Bling

Der VW Touareg des Jahres 2018 fährt über eine Landstraße vor Bergpanorama.

Der neue VW Touareg kostet 60 675 Euro - mindestens.

(Foto: Volkswagen AG)

Der neue VW Touareg bietet Opulenz, Komfort, technische Finessen und digitale Spielereien. Doch solche SUVs finden sich schon mehr als genug im Konzern. Wie soll er sich abgrenzen?

Von Peter Fahrenholz

Ob es unter den Heerscharen von Leuten, die sich bei den großen Automobilkonzernen mit Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beschäftigen, wohl auch welche gibt, die sich die Kommentare im Netz angucken, wenn mal wieder ein neues Modell präsentiert worden ist? Die Hersteller tun dann ja immer gerne so, als sei man in eine völlig neue Dimension vorgestoßen. Da ist die dritte Generation des VW Touareg, den es seit 2002 gibt, nicht einfach der neue Touareg, sondern "The all-new Touareg", der mit der Überschrift - oder muss man sagen, der Headline? - angekündigt wird: "Leading the way".

Das finden nun nicht alle. "Warum braucht man eigentlich so ein Auto? Man kann mit ihm das Feld umpflügen oder Brennholz aus dem Wald schleppen. Sehr nützlich für Stadtbewohner", kann man im Netz lesen, ein anderer schreibt: "Und damit fährt Mutti dann jeden Tag die Kinder zur Schule und dann zum Einkaufen. Und dann wird er wieder abgestellt". Auch der Begriff "Kleinpanzer" taucht auf.

Logisch, dass man das bei VW ganz anders sieht. Der Touareg sei "das SUV für die digitale Generation" und überhaupt "das Urmeter für Qualität" bei VW, schwärmt Sprecher Martin Hube bei der Präsentation in Österreich, und VW-Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann ergänzt: "Der Wagen ist das Flaggschiff von VW." Nach dem missglückten Experiment mit dem mittlerweile eingestellten Phaeton ist der Touareg in der Tat das einzige Auto der Marke VW in der Oberklasse.

Um diesen Anspruch zu untermauern, hat VW den neuen Touareg gewaltig aufgerüstet. Er ist noch mal ein Stück länger und breiter geworden, dafür dank der Fortschritte bei den Werkstoffen um 106 Kilo leichter. Mit dem Offroad-betonten Charakter des ersten Touareg hat die dritte Generation nur noch wenig zu tun, "analog zu den gesellschaftlichen Trends der letzten eineinhalb Jahrzehnte" habe sich auch der Touareg verändert, heißt es im Pressetext. Er will und soll jetzt in erster Linie ein möglichst komfortables Groß-SUV sein.

Offen ist, wann der Plug-in-Hybrid nach Europa kommt

Was wirklich neu ist, spiegelt sich weder in der äußeren Hülle noch unter der Motorhaube wider. Das Design ist solide, aber nicht spektakulär, irgendwie VW-typisch. Bei den Wolfsburgern hat man den Pelz schon immer gern innen getragen. Auch bei den Motoren setzt VW auf Bewährtes. Der Drei-Liter-Turbodiesel wird beim Touareg der Standardmotor bleiben, es gibt ihn wahlweise mit 286 oder 231 PS. Ergänzt wird die Motorenpalette durch einen 340 PS starken Sechs-Zylinder-Turbobenziner. Später folgt dann noch ein Vier-Liter-V8-Turbodiesel mit 421 PS. Nur für den chinesischen Markt wird auch ein Plug-in-Hybrid angeboten. Ob und wann er auch in Europa kommt, lässt VW offen. Eine rätselhafte Entscheidung, wo doch sonst bei VW ständig von der Elektrifizierungsoffensive die Rede ist.

Das technologische Feuerwerk, das den Touareg auf eine neue Stufe hebt, findet woanders statt und lässt sich mit den Stichworten Konnektivität, Digitalisierung, Individualisierung und Komfortsteigerung am besten beschreiben. Wer diesen Fortschritt genießen will, muss allerdings tief in die Tasche greifen, denn alles, was den Touareg zum Oberklassefahrzeug macht, ist aufpreispflichtig.

Das Lichtsystem ist ein echter Fortschritt

Glanzstück ist sicherlich das in einer digitalen Einheit zusammengefasste Infotainment- und Cockpit-System, das die Marketing-Wortschöpfer "Innovision Cockpit" genannt haben (3500 Euro). Ein zwölf Zoll großes Cockpit plus ein 15 Zoll großer Monitor, alles zum Fahrer hin orientiert angeordnet. Nur der Lautstärkeregler für das Radio ist noch ein ordinärer Drehschalter, ansonsten können über Kacheln wie beim Handy unendlich viele Funktionen angesteuert, gespeichert und verändert werden. Alles ganz intuitiv, versichern die VW-Leute. Aber eben doch so komplex, dass man fürs Erste besser rechts ran fährt, ehe man in den Tiefen der Untermenüs herumsucht.

Auch das Lichtsystem (1800 Euro) ist ein echter Fortschritt. Automatisch steuert das Auto je nach Fahrsituation die gesamte Beleuchtungsanlage, das Fernlicht wird im Bedarfsfall nicht abgeblendet, sondern entgegenkommende Fahrzeuge werden ausgeblendet, stark reflektierende Schilder abgedimmt. Hinzu kommt ein Nachtsichtsystem (1820 Euro), das Tiere oder Fußgänger am Straßenrand per Infrarotkamera erkennt und je nach der Gefahr einer Kollision gelb oder rot markiert.

Das Luftfahrwerk mit Allradlenkung (2850 Euro) gehört ebenfalls zu den technischen Leckerbissen. Es verschafft dem 4,88 Meter langen Schlachtschiff nicht nur einen Wendekreis auf Golf-Niveau, sondern macht das Auto sowohl agil als auch sehr komfortabel. Dazu kommt eine ganze Armada an Assistenzsystemen sowie Spielereien wie das Ambientelicht im Innenraum, das sich in 30 verschiedenen Farbtönen einstellen lässt. Und das summiert sich eben, sodass man den Grundpreis von 60 675 Euro für den 286-PS-Diesel schnell auf 100 000 Euro hochtreiben kann. Und dabei hat man dann noch längst nicht alles geordert.

Ja, der Touareg ist damit ohne Zweifel ein Oberklasseauto, das mit den Premium-Konkurrenten mithalten kann. Die stammen aber zum Teil aus dem gleichen Konzern, und da stellt sich die Frage, warum auch Volkswagen unbedingt noch ein Premium-SUV braucht, wo doch auf der gleichen Plattform auch die Premium-Brüder Audi Q7 und Porsche Cayenne sowie die Luxus-SUVs Bentley Bentayga und Lamborghini Urus gebaut werden. Das können die VW-Leute ganz entspannt beantworten. Weil sich so ein Auto nun mal sehr gut verkauft. Besonders in China, dem größten Touareg-Markt. Dort schätzt man Opulenz, Komfort, technische Finessen und jede Menge digitales Bling-Bling. Und all das hat der Touareg.

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