SUV im Fahrbericht:Mit dem neuen XC60 trifft Volvo seine Gegner hart

Der neue Volvo XC60

Um die Nachfrage befriedigen zu können, hat Volvo für den XC60 eine Kauf- und Dienstwagensperre für die Belegschaft verhängt.

(Foto: Volvo)

Das Erfolgs-SUV präsentiert sich im Test deutlich verbessert. Die Verarbeitung hat Audi- und Mercedes-Niveau - bei der Sicherheit ist der XC60 sogar überlegen.

Von Michael Specht

Es ist erstaunlich, dass ein relativ kleiner Autohersteller im Segment der Premium-SUVs den Ton angibt - zumindest in Europa. In der Mittelklasse führt seit Jahren der Volvo XC60 die Zulassungsstatistik an, zeigt deutschen Konkurrenten wie Mercedes GLC, Audi Q5 und BMW X3 die Rücklichter. Das SUV brach auch intern alle Rekorde. "Kein Volvo-Modell hat sich in knapp neun Jahren so oft verkauft wie der XC60", sagt Volvo-Chef Håkan Samuelsson.

Wenn diesen August im Werk Gent die erste Generation eingestellt wird, kratzt die Produktionszahl knapp an der Eine-Million-Marke. Wie kann das sein? Bauen die anderen schlechtere SUVs? Ganz und gar nicht. In Sachen Innenraumqualität fiel der XC60 beispielsweise gegenüber einem Audi Q5 deutlich ab. Den Schweden jedoch gelang eine attraktive Kombination aus gutem Design und zurückhaltender Präsenz. Ein XC60 wirkt nie angeberisch, aber durchaus stilvoll.

Dieses Erbe tritt in noch stärker ausgeprägter Form der Nachfolger an. Sein Design wird die Wettbewerber aus Deutschland ähnlich hart treffen wie es in der Business-Klasse bereits der Kombi V90 vormacht. Der XC60 ist ein Blickfang, die Proportionen stimmen, der Wagen wirkt gefällig, ohne eine Spur von Aggressivität. Volvos Chef-Stylist Thomas Ingenlath nennt es "skandinavisches Design".

Wie gut es beim Publikum ankommt,spürte Volvo bereits kurz nach der Genfer Weltpremiere im März. Bei den Händlern türmen sich seither die Bestelleingänge. Doch alles hat zwei Seiten. In der Zentrale in Göteborg werden bereits Vorkehrungen getroffen, die Lieferzeiten möglichst kurz zu halten, um Kunden nicht zu verärgern. "Wer sich heute zum Kauf entscheidet, muss wohl bis zum Jahresende auf die Auslieferung warten", sagt Vertriebsvorstand Anders Gustafsson. "Daher gilt bis auf Weiteres für uns alle eine Kauf- und Dienstwagensperre."

Die Öko-Variante kostet fast 70 000 Euro

Technisch teilt sich der XC60 die Plattform ("Scalable Product Architecture" genannt) mit dem großen SUV XC90 sowie den Limousinen S90, V90 und V90 Cross Country. Folglich kommen die gleichen Antriebe zum Einsatz. Alle Motoren, Diesel wie Benziner, sind modular aufgebaut, haben zwei Liter Hubraum und vier Zylinder. Zum Marktstart im Juli hat der Kunde die Wahl zwischen dem bekannten D4- und dem D5-Diesel mit 190 und 235 PS oder dem T5- beziehungsweise T6-Benziner mit 254 oder 320 PS.

Die Alternative heißt T8 Twin Engine, eine Plug-in-Hybrid-Version, die es auch beim XC90 gibt. Die weist 407 PS Systemleistung auf, 640 Newtonmeter Drehmoment sowie (theoretisch) 45 Kilometer elektrische Reichweite. Die Öko-Variante lässt sich Volvo jedoch mit mindestens 69 270 Euro vergüten. Sie kostet damit über 20 000 Euro mehr als der Einstiegsdiesel D4 für 48 050 Euro. Etwas später in diesem Jahr soll es auch noch eine schwächere Dieselvariante mit Handschaltung und Frontantrieb geben.

Souveränität, Komfort und Ruhe

Zum Test standen zwei Versionen bereit, der D5 (ab 52 600 Euro) und der T6 (ab 55 500 Euro). Beide hinterlassen einen sehr souveränen Eindruck, überzeugen durch Komfort und Ruhe. Man fühlt sich durch die kompakteren Proportionen des Autos sogar wohler als im ausladenden XC90. Dazu trägt auch die etwas niedrigere und sportlichere Sitzposition bei.

Der D5 glänzt mit kräftigem Antritt und kultiviertem Lauf. Nur in der Stadt und beim Beschleunigen aus niedrigen Geschwindigkeiten ist zu vernehmen, was da vorne unter Haube werkelt. Auf Landstraße oder Autobahnen hält sich der Selbstzünder akustisch zurück. Der Benziner hat mit seinen 320 PS und 400 Newtonmetern von Natur aus wenig Probleme, die Fuhre sportlich nach vorne zu treiben. Trotz seines Gewichts von immerhin zwei Tonnen. Und dies, obwohl Volvo bei seiner SPA-Plattform stets von Leichtbau redet.

Verarbeitungsqualität auf Audi- und Mercedes-Niveau

Mehr als acht von zehn XC 60-Kunden haben sich beim Vorgänger für einen Dieselmotor entschieden. Dies dürfte im Zuge des derzeit angeschlagenen Image des Selbstzünders aber nicht so bleiben. "Wir registrieren bereits einen Trend nach unten", sagt Gustafsson. Firmenchef Samuelsson geht sogar so weit zu sagen, dass Volvo keinen neuen Dieselmotor konstruieren wird, sondern versucht, den jetzigen bis zum Ende dessen Lebenszyklus so sauber zu halten, wie es die Gesetzeslage eben erfordert. Die Zeichen der Zukunft stehen daher klar auf Elektrifizierung.

Beim Interieur folgen die Schweden ihrem reduzierten und puristischen Außendesign. Die Verarbeitungsqualität im Vergleich zum Vorgängermodell hat sich deutlich verbessert und kann gut mit dem Niveau von Audi und Mercedes mithalten. Die Anzahl der Knöpfe und Schalter wurde verringert, die meisten Bedienschritte laufen nun über das zentrale Display. Vergeblich sucht man im XC60 aber eine induktive Ladeschale fürs Handy. "Wir favorisieren die Verbindung über Kabel", verteidigt sich Infotainment-Chef Robert Broström.

Neue Sicherheitsfunktionen mit Lenkeingriff

Fortschrittlicher geht es beim Thema Sicherheit zu, Volvos Kernkompetenz. Zu den zwölf serienmäßigen und sieben optionalen Assistenten im XC 60 kommen vier neue hinzu. Alle greifen in die Lenkung ein, um eine Kollision zu verhindern. Droht das Abdriften in den Gegenverkehr, steuert das System zurück. Gleiches passiert, setzt der Fahrer zum Überholen an, obwohl der Totwinkel-Warner anschlägt. Selbst ein automatisches Ausweichmanöver vollzieht das Auto, sollte ein Fußgänger auf die Fahrbahn treten oder der Bremsweg zum Vordermann nicht mehr ausreichen. Voraussetzung: Der Fahrer muss zuvor den Lenkimpuls geben.

Alle Entwicklungen dienen dem Ziel der Unfallvermeidung. Nicht umsonst versprach Samuelsson vor Jahren: "Ab 2020 soll niemand mehr in einem neuen Volvo bei einem Unfall getötet oder schwer verletzt werden." Und aufgrund der vielen Assistenzsysteme wohl auch kaum jemand durch einen Volvo.

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