Süddeutsche Zeitung

SUV im Fahrbericht:Das Warten auf den Jaguar F-Pace hat sich gelohnt

Lesezeit: 3 min

Lange hat es gedauert, bis Jaguar ein SUV auf den Markt brachte. Jetzt ist der F-Pace da - und er macht sehr viel richtig.

Test von Jörg Reichle

Über SUVs ist inzwischen das meiste gesagt. Und die Ansichten bleiben geteilt. Unverantwortlich, wettern die Gegner, diese Stinker, Umweltverpester. Zu groß, zu durstig, zu aggressiv. Ein Synonym für alles Böse unserer Zeit. Und die andern kaufen halt einen. Es ist die Mehrheit, scheint es. Und weil viele kaufen, bieten alle einen an. Jedenfalls fast alle. Derzeit rollt noch eine letzte Welle der - sehr teuren - Nachzügler aus dem Luxussegment wie Maserati Levante und Bentley Bentayga.

Geduld kann aber gut tun. Der neue F-Pace zeigt das. Geglückt ist er nicht nur optisch, um das vorweg zu nehmen. Er sieht gut aus, eine Mischung aus maßvoller Aggressivität, sauber gestalteten Proportionen und muskulöser Sportlichkeit. Besonders der kurze Überhang vorn, die betonten Hüften, die reduzierten Linien. Dazu große Räder, bis 22 Zoll, schon 18 Zoll in der Basisausstattung. Und aus jeder Perspektive ein Jaguar: Haube, Kühlergrill, Scheinwerfer, Rückleuchten vor allem. "Ein Sportwagen für die Familie", wird Chefdesigner Ian Callum nicht müde zu betonen. Nun ja, da ist wohl eher das Marketing Vater des Gedankens. Ein SUV ist nun mal ein SUV, auch wenn es von Jaguar kommt. Sportwagen sind anders.

Endlich ein Navi an, das den Namen verdient

Der F-Pace ist sogar ein ziemlicher Brocken, in Länge (4,73 Meter) und Radstand (2,90 Meter) übertrifft er Audi Q5, Porsche Macan und BMW X3/X4. Trotzdem stimmen die Proportionen. Und drinnen die Atmosphäre. Instrumente, Design und Anmutung sind markentypisch unaufgeregt gestaltet und hochwertig verarbeitet. Und das Beste: Endlich bietet Jaguar ein Navi an, das den Namen verdient, ergänzt übrigens von einem breiten Angebot an Konnektivität und Infotainment, samt einem mehr als 12 Zoll großen Instrumenten-Touch-Display. Also auch das ist inzwischen auf Höhe der Zeit angekommen.

Ansonsten geht die Eleganz nicht auf Kosten der Gebrauchstüchtigkeit. Reichlich Raum vor und über allen Sitzen (optional auch hinten elektrisch verstellbar und zu beheizen) bietet der F-Pace, viele Ablagen, dazu großzügige 650 bis 1740 Liter Gepäckraum hinter der geteilt klappbaren Rückbank. Ein nobles Reiseauto für fünf Menschen alles in allem, dafür bedürfte es noch nicht mal des riesigen Panoramadachs (1500 Euro Aufpreis) oder der Heckklappe mit bequemer Gestensteuerung.

Zur gediegenen Anmutung passt der Fahreindruck. Vor allem mit den optionalen verstellbaren Dämpfern ist ein bestechender Kompromiss zwischen Fahrkomfort und Dynamik gelungen, wobei das Pendel im Zweifel zugunsten des Wohlgefühls ausschlägt. Was übrigens auch für das Geräuschniveau gilt. Hoch zu loben ist außerdem die Lenkung. Sie verbindet Präzision mit gediegener Ruhe und sensibler Rückmeldung. Nur das Pedalgefühl der ansonsten tadellosen Bremsen könnte aggressiver sein, zumindest, wenn es, wie auf den ersten Testfahrten durch die Bergwelt Montenegros, etwas zügiger zugeht.

In drei Versionen gibt es den F-Pace zunächst, jeweils in den Ausstattungen Pure, Prestige, Portfolio, R-Sport und S. Der Basisdiesel 20d mit 180 PS kostet in der einfachsten Ausstattung mit Hinterachsantrieb und Sechsgang-Schaltgetriebe 42 390 Euro, mit Allradantrieb sind es 2600 Euro mehr. Den großen Dreiliter-V6-Diesel 30d mit Biturbo und 300 PS bekommt man ab 57 690 Euro (mit Allrad und Achtstufen-Automatik). Der Dreiliter-V6-Kompressor-Benziner, den es mit 340 oder 380 PS gibt, kostet mindestens 59 010 Euro. Eine limitierte und besonders opulente First Edition in Verbindung mit dem Top-Benziner lässt sich Jaguar mit gut 84 000 Euro bezahlen.

Die sieht zwar gut aus, ist aber nicht nötig, ebenso wenig, wie man weder den Benziner, noch den an sich souveränen großen Selbstzünder braucht. Schon der kleine Diesel bringt den F-Pace munter auf Trab, zumal die reichliche Verwendung von Aluminium das Leergewicht noch unter 1,7 Tonnen hält. Was auch dem Verbrauch gut tut. 4,9 Liter/100 km gibt Jaguar an, das heißt, dass man tatsächlich mit sechs bis sieben Liter hinkommen könnte. Obendrein ist der F-Pace mit der kompakten Vierzylindermaschine leichtfüßiger zu bewegen. Nur bei höheren Drehzahlen geht ihm ein bisschen die Luft aus. Und der Sound? Nun ja, wie ein Vierzylinder-Diesel eben nun mal klingt. Da vermisst man dann doch den großen Bruder V6.

Die Allrad-Kompetenz der Schwestermarke Landrover ist spürbar

Dass die Allrad-Kompetenz der Schwestermarke Landrover nicht spurlos an Jaguar vorbeigeht, zeigt der F-Pace eindrucksvoll. Er bewältigt atemberaubende Steigungen und Gefälle - mit einem automatischen Fahrprogramm, mit dem sich auch ungeübte Fahrer ins Gelände wagen können, auch wenn sie das selten tun werden.

Da sind die zahlreichen Assistenten für die Straße schon eher von Nutzen.

Jaguar, darf man zusammenfassen, ist mit dem F-Pace ein sehr gutes Auto gelungen. 10 000 Exemplare wurden schon vorbestellt, dass nach dem Marktstart vergangene Woche noch sehr viel mehr verkauft werden, darf man sicher annehmen.

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SZ vom 23.04.2016
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