Die erste Reaktion beim Anblick von Kia Sorento ist: Wow, ist der groß! Mit einer Länge von 4,81 Meter ist das südkoreanische SUV deutlich gewachsen, seit es 2002 zum ersten Mal auf den Markt kam. Fast 30 Zentimeter sind es mehr. Die Ambitionen sind klar: Kia will in die obere Mittelklasse, dort wo die deutschen Hersteller den Markt dominieren. Audi Q5, BMW X5 und VW Touareg sind hier das Maß aller Dinge, zumindest wenn es um die Verkaufszahlen geht. 19 000 Exemplare verkaufte Audi vom Q5 2019, Kia vom Sorento gerade einmal 2600. In dieser Liga geht es aber sowieso mehr ums Prestige. Große SUVs polarisieren, polieren aber gleichzeitig das sogenannte Premium-Image auf.
Kia will endlich beweisen, dass seine Autos auf Höhe der deutschen Konkurrenz sind. Zu einem besseren Preis. Der Sorento ist mit mindestens 42 000 Euro etwa 4000 Euro günstiger als ein Q5. Das ist genauso teuer wie sein südkoreanischer Zwilling, der Hyundai Santa Fe. Den gibt es bereits zwei Jahre länger als den Sorento. Beide Marken gehören zur Hyundai Motor Group, die SUVs werden auf einer Basis entwickelt. Mit einem Unterschied: Der Sorento ist dem Santa Fe eine Generation voraus, das neue Modell ist seit Oktober 2020 auf dem Markt, der Hyundai bekam nur ein Facelift. Das macht sich deutlich bemerkbar.
Im Kia Sorento ist der Innenraum makellos verarbeitet
Dass bei Kia der Premium-Anspruch in Reichweite ist, zeigt der Innenraum des Sorento. Eine hübsch-überflüssige Melodie begrüßt beim Einsteigen, dann fällt der Blick auf die Ausstattung: Leder, Chrom, hochwertiger Kunststoff. Makellos verarbeitet, dazu zwei große Digitaldisplays. Eines anstelle analoger Instrumente, ein 10,25 Zoll großer Bildschirm für das Infotainment. Das Bild ist gestochen scharf, die Bedienung selbsterklärend, wenn es nicht zu sehr in die Tiefen der Untermenus geht. Dazu jede Menge Ablagefächer und ein Sammelsurium am Becherhaltern. Nervig allerdings: die Vielzahl an Knöpfen und Tasten. Am Lenkrad, den Scheibenwischer- und Lichthebeln, der Mittelkonsole. Einer von ihnen macht sogar nichts - solange er nicht belegt ist. Hier können Fahrer eine Funktion nach Wahl aussuchen. Wie etwa "Naturklänge" und das Programm "Lebendiger Wald". Auf Knopfdruck ertönt dann das Zwitschern von Vögeln.
Das Taster-Wirrwarr gibt es auch im Hyundai Santa Fe. Der Unterschied zum neueren Sorento ist aber nicht zu übersehen. Hier wirkt alles ein wenig billiger. Die Kunststoffe sind grober, die Verkleidung des Lenkrads ist rustikaler. Das Infotainment-Display wirkt mit seiner Auflösung und der schwarzen Klavierlack-Optik wie eines der tragbaren Navigationsgeräte aus einer Zeit, als noch nicht jeder Hersteller diese fest verbaute - oder sie einfach durch das Smartphone ersetzt wurden. Das hat einen Vorteil: Die Menüführung ist aufgrund der überschaubareren Optionen einfacher zu bedienen.
Allerdings wirkt der Hyundai Santa Fe im Innenraum vorne deutlich gedrungener und beengter. Im Kia Sorento ist alles sehr viel luftiger, ausladender. Platz ist in beiden mehr als genug. Besonders auf den Rücksitzen sind die SUVs Raumwunder. Das liegt an den beiden äußeren Rücksitzen, die sich einzeln verschieben lassen. Hier sitzt es sich sogar mit einer Körpergröße von zwei Metern bequem. Der flexible Fußraum wirkt sich natürlich auf den Kofferraum aus. Auf bis zu 692 Liter schmilzt er im Sorento (statt 902 Liter), im Hyundai Santa Fe sind es nur noch 547 Liter (sonst: 625 Liter).
Der Hyundai Santa Fe fährt sich schwammiger
In beiden Testwagen arbeitet der gleiche Mildhybrid mit 1,6-Liter-Vierzylinder und einer Systemleistung von 230 PS, optional auch als Allrad erhältlich. Der Unterschied zum Plug-in-Hybrid, der beim Santa Fe und beim Sorento seit Anfang des Jahres zur Verfügung steht, ist, dass sich der Mildhybrid weder extern laden lässt, noch rein elektrisch fahren kann. Zumindest hilft der Elektromotor beim Sprit sparen. Ein Durchschnittswert von etwa sieben Liter Benzin im Test bei beiden SUVs ist zwar kein Bestwert, aber in Ordnung.
Verbaut ist in den Testwagen die gleiche sechsstufige Automatik, die die Gänge kaum bemerkbar einlegt, einen Unterschied gibt es doch: Der Kia Sorento verzögert immer wieder beim Anfahren, das ist besonders im Stadtverkehr nervig. Dafür wuchtet er seine zwei Tonnen Gewicht wesentlich straffer über die Straßen. Im Hyundai Santa Fe fühlt sich das schwammiger, indirekter an. Sonst gibt es nichts zu meckern: Die Dämmung innen ist gut, die SUVs liegen ruhig auf der Autobahn. Der Sportmodus macht das alles etwas ruppiger und dürfte kaum zum Einsatz kommen. Nicht zuletzt, weil die Tachoanzeige die digitalen Elemente dann in ein billig aussehendes metallenes Grau verwandelt, das an Konsolenrennspiele aus längst vergangenen Zeiten erinnert.
Flache Autos sind aus den hohen SUVs kaum zu erkennen
Groß bleiben beide SUVs. In der Stadt könnte die Parkplatzsuche länger dauern. Deswegen stellen beide SUVs Kameras zur besseren Orientierung zur Verfügung. Die sind dringend nötig. Die hohe Sitzposition führt nicht immer zu einer besseren Übersicht. Ein parkender Toyota MRZ ist im Test so flach, dass er aus der Fahrerposition des Kia Sorento nicht zu sehen ist.
Da helfen auch nicht die vielen serienmäßigen Sicherheitssysteme. Schon in der Basisversion gibt es Warner gegen Querverkehr, das Verlassen der Spur oder vor Fußgängern beziehungsweise Radfahrern auf der Fahrbahn. Besonders empfehlenswert ist der Totwinkelassistent. Er blendet bei Betätigen des Blinkers automatisch im digitalen Tacho das Bild einer Kamera im toten Winkel ein, um Kollisionen zu verhindern, der kostet sowohl im Kia Sorento als auch im Hyundai Santa Fe aber Aufpreis.
Zwei SUVs, fast genauso groß, mit den gleichen Motoren vom selben Konzern, trotzdem gibt es einen klaren Gewinner. Der Kia Sorento ist einfach das bessere SUV. Moderner, schicker, mit besseren Materialien und das alles zum gleichen Preis. Der Sorento zeigt, wie sehr sich in nur einer Generation ein Auto verbessern kann. Der Hyundai Santa Fe ist ein ordentliches SUV, im direkten Vergleich aber unterlegen. Zumindest so lange, bis der Nachfolger kommt. Das dürfte aber noch ein paar Jahre dauern.