Süddeutsche Zeitung

Autopflege:Wenn der Dieseltank dicht macht

  • Dieselfahrzeuge haben im Winter ein besonderes Problem: Bei starker Kälte verdickt der Kraftstoff, der Filter verstopft - und das Auto bleibt mitten in der Fahrt stehen.
  • In Bayern gab es am vergangenen Wochenende etwa 50 Prozent mehr Panneneinsätze als an gewöhnlichen Wochenenden, darunter viele nicht mehr startende Dieselautos.
  • Experten haben einige Tipps, wie man das verhindern kann, zum Beispiel Winterdiesel tanken und den Tank selbst immer möglichst voll halten.

Von Tobias Ott

Zuerst holpert das Auto vor sich hin, dann bleibt der Pkw mitten auf der Straße stehen. Motorausfall bei laufender Fahrt. Der Diesel ist eingefroren. Ein Problem, das am vergangenen Wochenende viele Autofahrer in Bayern zur Verzweiflung brachte. Und noch nicht überstanden ist. Von Samstag an sollen vor allem in höheren Regionen und in den Alpen die Temperaturen erneut unter eine kritische Grenze fallen. Der Diesel könnte wieder streiken. Bei strengem Frost bilden sich im Treibstoff Paraffinkristalle, die den Kraftstoff verdicken. Der Dieselfilter verstopft nach und nach. Techniker sprechen hierbei vom Versulzen.

Bereits von etwa minus sieben Grad an bilden sich diese Paraffinpartikel. "Wann der Motor tatsächlich ausfällt, ist abhängig vom Automodell, dem Kraftstoff und wie lange das Fahrzeug abgestellt und ausgekühlt ist", sagt Carsten Graf, Technik-Experte vom Automobilclub ADAC. Sommerdiesel dagegen beginnt bereits bei wenigen Minusgraden zu flocken. Winterdiesel, den es von Mitte November bis Ende Februar an Tankstellen gibt, soll nach Angaben der Mineralölkonzerne Temperaturen von bis zu minus 22 Grad standhalten.

Damit der Skiurlaub oder Winterausflug nicht zur bösen Überraschung wird, sollten Dieselfahrer auf dem Weg in kältere und höher gelegene Regionen die richtigen Vorkehrungen treffen. Einige Tankstellen bieten einen speziellen Kraftstoff an, der zwar teurer ist, aber den niedrigen Temperaturen länger trotzt. Der Tank sollte möglichst voll sein, damit sich kein Kondenswasser bildet. Eine weitere Möglichkeit ist die Beimischung von Additiven, die im Fachhandel erhältlich sind. Aber Vorsicht: Vom Autofahrer extra hinzugefügte Additive können die bereits im getankten Kraftstoff enthaltenen negativ beeinflussen. Im schlimmsten Fall kann sich laut Graf die Wirkung deutlich verschlechtern oder sogar aufgehoben werden.

Vom Zutanken von Benzin, wie es früher gängig war, rät der Experte strikt ab: "Moderne Dieselanlagen vertragen überhaupt kein Benzin, der Schaden kommt locker auf einen mittleren vierstelligen Betrag." Besser ist, das Auto in eine Garage oder ein Carport zu stellen. Hilfreich ist auch eine windgeschützte Stelle. Auf keinen Fall sollte der Tank mit einer Hitzequelle erwärmt werden. Sonst droht Brandgefahr. "Finger weg vom Bunsenbrenner", mahnt Carsten Graf, "mit solchen Methoden mache ich nur das Auto kaputt." Der versulzte Kraftstoff muss mehrere Stunden in einem warmen Raum langsam auftauen. Meistens muss zusätzlich der Dieselfilter ausgetauscht werden. Doch steht das Auto bewegungslos im Freien, lässt sich das nicht so einfach umsetzen. Einzige Rettung: der Anruf beim Abschleppdienst.

Liegen gebliebene Autofahrer in ländlichen Gegenden trifft es mitunter doppelt. Überlastete Pannendienste brauchen teilweise sehr lange, bis sie eintreffen. "Die durchschnittliche Wartezeit von 43 Minuten konnten wir nicht einhalten", sagt ADAC-Sprecherin Katja Legner. Vom Dreikönigstag bis zum Sonntag gingen bundesweit 380 000 Anrufe mit einer Pannenmeldung beim ADAC ein. Alleine am Samstag riefen etwa 200 000 Autofahrer das Callcenter an. "Der Pannenhilfeverbund war überlastet", sagt Legner.

Genaue Zahlen, wie viele nicht mehr startende Dieselfahrzeuge betroffen waren, liegen dem ADAC allerdings nicht vor. Der Automobilclub registriert lediglich die Gesamt-Einsatzzahlen. Am vergangenen Freitag rückte nach Angaben des ADAC 18 643-mal die Pannenhilfe aus, am Samstag waren es 16 783 Einsätze, am Sonntag 13 073. In Bayern war samstags der stärkste Tag mit 4393 Pannenhilfen. "Wir hatten etwa 50 Prozent mehr Einsätze als an gewöhnlichen Wochenenden", sagt Legner.

Das Problem eines versulzten Motors ist nicht neu, die vergangenen Winter waren allerdings relativ mild und das Phänomen trat kaum auf. Viele Autofahrer wurden am zurückliegenden Wochenende eiskalt erwischt, als bei Temperaturen von bis zu minus 20 Grad Celsius der Ernstfall eintrat. Ein Blick quer durch den südlichen Freistaat zeigt, dass Pannendienste an den frostigen Tagen vermehrt ausrücken mussten.

Im Allgäu blieben Dieselfahrer reihenweise liegen. "Von rund 200 Aufträgen waren etwa ein Drittel nicht mehr startende Dieselautos", sagt Peter Lukic vom Abschleppdienst Schlichting, der in Kempten, Nesselwang und Füssen stationiert ist. 25 eingefrorene Dieselfahrzeuge schleppte die Pannenhilfe Jürgen Schwan aus Bad Tölz in der Region vom Tegernseer Tal bis ins Werdenfelser Land am verlängerten Wochenende ab. Bei Thomas Rieder aus Grassau am Chiemsee waren es 30 Autos nur am Samstag - insgesamt 50 über das komplette Wochenende verteilt. "Rund die Hälfte der Fahrzeuge blieben während der Fahrt stehen", sagt Rieder.

Aufatmen können Dieselfahrer noch lange nicht. Der Winter mit zweistelligen Minusgraden soll zu Wochenbeginn zurückkommen und weiter andauern. Überraschungen sind allerdings nicht ausgeschlossen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3328467
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 12.01.2017/bhi
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.