Straßenverkehr:Ich bin zwei Parkplätze

Opel Astra, Toyota Aygo und Mercedes E-Klasse Coupé in der Parkgarage Hauptbahnhof-Süd in München

Die Parkgarage Hauptbahnhof-Süd wurde in einem ADAC-Test mit der Note "mangelhaft" bewertet.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Nicht nur SUVs protzen mit Übergröße, auch einstige Klein- und Kompaktwagen haben im Laufe der Jahre enorm zugelegt.

Von Marco Völklein

Vor einigen Monaten war ein Opel-Admiral-Fanklub bei Michael Maul auf dem Schiff. "Sie erinnern sich an den Opel Admiral?", fragt Maul. "Das waren echt große Autos damals in den Sechziger- und Siebzigerjahren, mit das Größte, was Opel zu bieten hatte." Als Mauls Mitarbeiter dann aber die dicken Dinger von einst auf die Fahrspuren auf Mauls Fährschiff auf dem Rhein bei Ingelheim verteilt hatten, da nahmen die sich eher aus wie Kleinwagen denn wie Fahrzeuge der Oberklasse. "Da war noch eine ganze Menge Platz zwischen den Admirälen."

Was Fährenbetreiber Maul mit seiner Anekdote so plastisch beschreibt, kennen viele Autofahrer aus der Praxis. Die Fahrzeuge werden immer breiter, höher, länger. Fachleute des ADAC haben mal die Fahrzeugdaten aller Fahrzeuge aus den vergangenen 20 Jahren verglichen. Selbst wenn man große Fahrzeugklassen wie SUVs, Vans, Transporter und Pick-ups herausrechnet, zeigt sich auch bei den klassischen Limousinen und Kombis "ein kontinuierlicher Längenzuwachs", sagt ADAC-Technikexperte Markus Sippl - nämlich binnen 20 Jahren um zehn Zentimeter auf jetzt knapp 4430 Millimeter. "Auch Breite und Höhe steigen fast linear und ohne große Ausreißer an." Auffallend ist: Nicht nur wuchtige Wagen wie SUVs oder Vans haben zugelegt, in der Breite zum Beispiel haben vor allem Fahrzeuge der Mittelklasse, also VW Passat, BMW 3er oder Mercedes C-Klasse, ganz schön was draufgepackt - im Durchschnitt ganze 30 Zentimeter auf mittlerweile satte 1,82 Meter.

Auf der Fähre wird es eng

Fährenbetreiber wie Maul stellt diese Entwicklung vor Probleme. Sein Schiff, mit dem er täglich Pendler über den Rhein zwischen Ingelheim und Oestrich-Winkel übersetzt, stammt aus dem Jahr 1969. "Und es ist noch absolut gut in Schuss", sagt Maul. Ein Ersatz steht also für die kommenden Jahre nicht an. Um aber die breiteren und längeren Autos auf seiner Fähre unterzukriegen, sind seine Leute gefordert - bei nur 2,20 Meter breiten Fahrspuren. "Wir müssen die Fahrzeuge ganz vorsichtig und eng stellen." Zwei Audi Q7 nebeneinander seien schon ein Problem. "Dann wird's echt eng", sagt Maul, der auch den Vorsitz des Deutschen Fährverbandes inne hat. Bei neuen Schiffen würden viele Betreiber Fahrspuren mit jeweils drei Meter Breite, manchmal sogar schon mit 3,50 Meter einplanen. "Wir müssen uns den Anforderungen der Kunden stellen", sagt Maul.

Ähnlich sieht es Johannes Hübner vom Automobilclub von Deutschland (AvD). Wenn die Leute immer größere Autos kaufen, dann müssten nicht nur die Fähren darauf reagieren. Sondern auch Parkhausbetreiber, Stadtgestalter und Planer von Autobahnbaustellen. "Eigentlich sollte kein Einzelparkplatz mehr geplant werden mit einer Breite von weniger als 2,50 Meter", sagt Hübner. Dann bliebe Fahrer wie Beifahrern genügend Raum, um bequem auszusteigen. Und die Türen zu öffnen, ohne einen Lackschaden zu riskieren. Auch Fahrgassen, Rampen und Wendeflächen müssten angepasst werden, fordert Hübner. Und die Anlagen müssten möglichst so konstruiert sein, dass wenig Stützen den Autofahrern im Weg herumstehen.

Autoclubs machen Druck auf die Parkhausbetreiber

Um den Druck auf die Betreiber zu erhöhen, zeichnen die Automobilklubs mittlerweile Parkhäuser aus, die ihren Nutzern besonders geräumige Einstellmöglichkeiten bieten. Am Kurhaus in Wiesbaden zum Beispiel, sagt Hübner, sei eine Tiefgarage mit ordentlich viel Platz zum Parken anzutreffen. Auch das neue Parkhaus in der Nähe des barocken Schlosses im nordbadischen Schwetzingen gefällt ihm gut.

Aber reichen bunte Plaketten als Auszeichnung an den Garagenzufahrten aus? In Fachkreisen wird schon länger über eine Anpassung der Bauvorschriften diskutiert. Schließlich gibt es für fast alles eine Vorschrift. Geregelt ist die Breite von Stellplätzen, der Neigungswinkel der Rampen sowie die Maße der Fahrgassen in einzelnen Verordnungen der Bundesländer. Die orientieren sich in der Regel an der sogenannten Muster-Garagenverordnung, auf die sich die zuständigen Minister unter Einbeziehung von Fachleuten einigen. Dort steht eine Mindestbreite von 2,30 Meter pro Stellplatz drin.

Höhere Gebühren für Komfort-Parkplätze

Seit Jahren nun wird darüber geredet, ob diese ausreicht - oder nach oben angepasst werden soll. Verkehrswissenschaftler wie Stephan Hoffmann von der Technischen Universität Braunschweig plädierten bereits vor Jahren für eine Neufassung. Die aktuell in den Verordnungen vorgesehenen Abmessungen seien "für die in naher Zukunft parkende Fahrzeugflotte nicht mehr geeignet", lautete Hoffmanns Fazit schon 2012. Zuvor hatte er mit den beiden Forscherkollegen Andreas Schuster und Josef Sattler nachgewiesen, dass nicht nur einzelne Modelle immer größer werden. Sondern auch die gesamte Autoflotte, also auch die Anzahl großer Fahrzeuge steigt.

Sofern der Gesetzgeber für bestehende Parkhäuser einen Bestandsschutz garantiert, hätte auch der Verband der Parkhausbetreiber kein Problem mit einer Anpassung, sagt dessen Geschäftsführer Gerhard Trost-Heutmekers. Erste Unternehmen haben sogar bereits reagiert und ein Geschäftsmodell entwickelt: Sie haben Parkflächen ummarkieren und aus drei engen Parkplätzen zwei XXL-Stellplätze machen lassen - fürs "Komfortparken" muss der Nutzer mehr zahlen. Nicht ganz so einfach lassen sich Stellflächen unter freiem Himmel, also entlang von Straßen oder auf Plätzen in den Städten, anpassen. Dort sind oft Randsteine gesetzt, die die wuchtigen Wagen und deren Lenker in ein Korsett pressen. Auch hier fordert AvD-Mann Hübner Anpassungen: Wird eine Straße saniert, müssten die Städte den gestiegenen Parkplatzbedarf berücksichtigen.

Kommunen wollen lieber Platz für Radfahrer und Fußgänger schaffen

Bei den Kommunen indes trifft das auf Gegenwehr. "Wir sehen keinen Anlass, die Parkplatzbreiten oder -höhen in der Musterverordnung zu verändern", sagt Helmut Dedy, Vize-Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags. "Wer ein großes Auto kauft, der muss wissen, dass es damit schwieriger wird, einen geeigneten Parkplatz zu finden." Der öffentliche Raum stehe nur begrenzt zur Verfügung und sei ohnehin begehrt - etwa um zusätzliche Radwege anzulegen oder eine neue "Aufenthaltsqualität" für Passanten zu schaffen, etwa durch zusätzliche Ruhebänke oder das Anpflanzen von Bäumen und Hecken. All das benötigt Platz. Aus Sicht der Städte sei es daher "zielführender, Stellflächen anzubieten, die für kleinere Autos oder Carsharing geeignet sind", sagt Dedy. Oder gleich den öffentlichen Nahverkehr zu stärken und attraktiver zu gestalten.

Doch auch da stehen mitunter die größeren Autos im Weg. So registrierte beispielsweise die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), Betreiberin von U- und Straßenbahnen sowie Bussen in der Landeshauptstadt, allein 2015 etwa 160 Falschparker, die die Schienen der Straßenbahnen blockierten. 2014 lag der Wert sogar bei 197. Mit ein Grund dafür sei die zunehmende Größe der Fahrzeuge, glaubt MVG-Sprecher Matthias Korte. Mitunter ragten die Autos in den Schienenbereich hinein, weil die Parkplätze am Straßenrand sie nicht mehr voll aufnehmen könnten. Zusammen mit den Planern der Stadt versucht die MVG gegenzusteuern: Stehen Kreuzungsumbauten an, werden Randsteine so versetzt, dass sich Autos und Trambahn nicht mehr in die Quere kommen. Hin und wieder, sagt Korte, würden allzu schmale Parkstreifen auch komplett aufgelöst.

Aber auch wenn die vielen großen Fahrzeuge Mauls Leute beim Einweisen und Rangieren an Deck manchmal fordern - jammern oder gar klagen über die dicken Dinger auf seinem Schiff will der Fährmann nicht. Ganz im Gegenteil: Die Branche erfahre derzeit eine regelrechte "Sonderkonjunktur", sagt er. Wegen der vielen maroden Straßenbrücken am Rhein, aber auch an anderen großen Flüssen, und der damit verbundenen Sperrungen und Behinderungen durch Baustellen wichen viele Autofahrer auf die Fähren aus. Die mitunter drangvolle Enge an Deck, sagt Maul, "nehmen die da gerne in Kauf."

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