Tansania: Straße durch Nationalpark:Serengeti darf nicht sterben

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Tansania plant eine Straße in der Serengeti geradewegs durch den berühmten Nationalpark. Naturschützer sehen die einzigartige Tierwelt in Gefahr.

Arne Perras / Christopher Schrader

"Serengeti darf nicht sterben" - diese Botschaft ist vielen aus den Tierfilmen Bernhard Grzimeks in Erinnerung. Man hat diesen Satz lange nicht mehr gehört, doch nun drängt er wieder ins globale Bewusstsein. Denn um die Serengeti - jenes spektakuläre ostafrikanische Savannengebiet mit seiner reichen Tierwelt - ist ein Streit entbrannt: Die Regierung von Tansania möchte einen Highway von Ost nach West bauen, um ihr unterentwickeltes Land besser zu erschließen. Die Route soll Musoma am Victoriasee mit Arusha östlich des Serengeti-Nationalparks und dem Verkehrsnetz bis zum Indischen Ozean verbinden.

Serengeti

Die Regierung von Tansania möchte einen Highway von Ost nach West bauen, um ihr unterentwickeltes Land besser zu erschließen. Die Route soll Musoma am Victoria-See mit Arusha östlich des Serengeti-Nationalparks und dem Verkehrsnetz bis zum Indischen Ozean verbinden.

(Foto: SZ-Grafik)

Dazu soll die Straße geradewegs hindurchführen durch die Weiten der Serengeti, wo jetzt nur Feldwege und Sandpisten existieren. Die Asphaltschneise, womöglich zur Vermeidung von Unfällen bald von Zäunen flankiert, wäre eine Katastrophe und würde das Ende der großen Tierwanderungen bedeuten, warnen alarmierte Naturforscher aus aller Welt.

Jetzt hat sich auch das Wissenschaftsmagazin Nature auf die Seite der Kritiker gestellt. Eine Gruppe von 27 Tierschutz-Experten um Andrew Dobson von der Princeton University warnt, die Straße werde den Serengeti-Park ruinieren, weil sie die Migration der Weidetiere behindert. "Keine Wildbrücke über die Trasse könnte doch breit genug oder lang genug für die Wanderung von 1,5 Millionen Gnus und Zebras sein", schreiben die Kritiker.

Die Population der Tiere könnte auf 300.000 fallen, besagen Simulationen. Dann machten nicht nur die Löwen, Geparden und Wildhunde weniger Beute, im gesamten Gebiet würde mehr Gras stehen bleiben, vertrocknen und bei regelmäßigen Buschfeuern abbrennen. Die Zirkulation der Pflanzen-Nährstoffe fiele drastisch, wenn eine Million weniger Gnus fressen, verdauen und ausscheiden. Baumsprösslinge hätten eine Chance zu wachsen, und würden den Charakter der Savanne dauerhaft verändern.

Die Zustände, die Experten jetzt befürchten, hat es in der Serengeti schon gegeben. Eine große Rinderpest-Epidemie Ende des 19. Jahrhunderts war von den Rindern der Maasai-Ureinwohner auf die Gnus übergesprungen. In der Folge ging die Produktivität der Region zurück, sie verwandelte sich in Buschland und Wald. Tsetsefliegen breiteten sich aus und übertrugen Krankheiten. Erst Jahrzehnte später ermöglichten intensive Regenfälle und ein Absterben der Bäume eine Rückkehr der Savanne.

Unbestritten ist die Einzigartigkeit des Naturraums Serengeti, zu dem neben dem Nationalpark auch das Ngorongoro-Schutzgebiet sowie die Maasai-Mara-Region in Kenia gehört. Nirgendwo sonst auf der Erde gibt es so große Tierherden, die auf der Suche nach Wasser und Weidegrund durch die Ebenen ziehen.

Die 1,3 Millionen Gnus verbringen die Regenzeit von Oktober bis April im Serengeti-Nationalpark in Tansania, bringen ihre Kälber zur Welt und wandern für die Trockenzeit nach Kenia, dem Mara-Fluss zu. Die Zahl der Filme, in denen riesige Gnuherden über die Savanne donnern, ist nicht mehr zu überblicken. Sie zeugen von der großen Faszination, die diese Tierwelt vielerorts auslöst. In ihr bündeln sich auch sehr romantische Vorstellungen von einem Kontinent, der angeblich noch die völlig unberührte Natur verkörpert.

Afrikanische Forscher erkennen zwar wie ihre Kollegen in anderen Weltgegenden den Wert des riesigen Ökosystems, das etwa 30.000 Quadratkilometer umfasst. Und viele Einheimische wissen auch um den Nutzen für den Tourismus, der Tansania wie Kenia wichtige Devisen bringt. Doch in einem armen Land wie Tansania, in dem Verkehrswege völlig unterentwickelt sind, muss es nicht verwundern, dass neue Straßenpläne immer häufiger die großen Naturparks tangieren, so wie jetzt in der Serengeti.

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