Stau in Zeiten von CoronaIn München stehen Autofahrer am längsten

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Für Münchner ein bekanntes Bild: Stau auf der Effnerstraße.
Für Münchner ein bekanntes Bild: Stau auf der Effnerstraße. (Foto: Florian Peljak)
  • Mit 65 Stunden pro Jahr verbringen in Deutschland Autofahrer in München die meiste Zeit im Stau.
  • Internationaler Spitzenreiter ist Bukarest mit 134 Stunden, München rückt auf Platz 20 vor.
  • Das Verkehrsaufkommen liegt aber nach einem Jahr Pandemie noch immer 40 Prozent unter Vorkrisenniveau.

Von Felix Reek

Der Beginn der Corona-Pandemie vor einem Jahr hatte auch dramatische Auswirkungen auf das Verkehrsaufkommen in Deutschland. Die alltäglichen Staus von oder zur Arbeit? Gab es nicht mehr. Stattdessen wurden in größeren Städten Fahrbahnen in Pop-up-Radwege umgewandelt, um mehr Platz für Radler zu schaffen. Gleichzeitig sank die Schadstoffbelastung. Heute, ein Jahr nach dem ersten Lockdown, mit Beschränkungen und hohem Home-Office-Anteil, sind die Folgen noch immer zu spüren, wenngleich der Verkehr wieder deutlich gestiegen ist im Vergleich zu 2020.

Zu diesem Ergebnis kommt das amerikanische Unternehmen Inrix, das jährlich seine "Global Traffic Scorecard" veröffentlicht. Deutsche Stau-Hauptstadt 2020 ist demnach erneut München. Hier verlieren Verkehrsteilnehmer im Schnitt 65 Stunden im Jahr. Die bayerische Landeshauptstadt landete bereits 2019 auf dem ersten Platz. Direkt dahinter folgt der Spitzenreiter des Jahres 2018, Berlin. 46 Stunden stehen Autofahrer hier im Stau, gefolgt von Hamburg mit 33 Stunden.

München sprang damit im internationalen Vergleich von Platz 47 auf den 20. Rang. Das liegt auch daran, dass der Verkehr in der bayerischen Landesshauptstadt schnell wieder auf Vorkrisen-Niveau stieg. Die deutsche Großstadt steht allerdings noch verhältnismäßig gut da. In Bukarest verbrachten Autofahrer pro Jahr 134 Stunden im Stau - das sind fünfeinhalb Tage. Dicht dahinter folgt Bogota mit 133 Stunden, in Moskau und New York waren es jeweils 100 Stunden.

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Jeder und jede Deutsche verbrachte im Schnitt 20 Stunden im Stau

Die Methodik, die Inrix für seine Global Traffic Scorecard verwendet, ist dieselbe wie bereits 2019. Das Unternehmen untersuchte weltweit anonymisierte GPS-Daten aus 1000 Städten in 50 Ländern. Die Quellen zur Ermittlung der Verkehrsbewegungen einer ganzen Region sind unter anderem vernetzte Fahrzeuge, Smartphones und Navigationsgeräte. In Deutschland wurden 74 Städte untersucht. Hierzu zählen nicht nur die Zentren, sondern auch die meistbefahrenen Strecken über die Innenstadt hinaus. So ergibt sich ein genaues Bild, das Stoßzeiten und Zeitverluste darstellt.

Im Durchschnitt standen die Deutschen im vergangenen Jahr 26 Stunden im Stau, das entspricht bundesweiten Verlusten von 2,3 Milliarden Euro beziehungsweise 235 Euro pro Fahrer. Als Berechnungsgrundlage setzen die Verkehrsanalysten den durchschnittlichen Stundenlohn pro Kopf an, unter Berücksichtigung der durch die Verschwendung von Zeit und Benzin entstehenden Kosten sowie indirekte Kosten, die Unternehmen entstehen - und die sie in Form von höheren Preisen an die Haushalte weitergeben. Auch hier hat die Pandemie Spuren hinterlassen: 2019 waren es noch pro Fahrer 46 Stunden Stau. Das entspricht einer bundesweiten Ersparnis aufgrund des eingeschränkten Verkehrsaufkommens von 500 Millionen Euro. In der Stau-Hauptstadt München harrten Autofahrer 2019 noch 87 statt 65 Stunden im zäh fließenden Verkehr aus, in Berlin 66 statt 46 Stunden.

Die staureichste Straße liegt in Berlin

Dort liegt laut Datenanalyse auch die Straße mit der längsten Wartezeit. Spitzenreiter ist der Tempelhofer Damm / Mehringdamm (B96) in Berlin auf dem Abschnitt zwischen Borussiastraße und Tempelhofer Ufer. Der Zeitverlust liegt hier in Stoßzeiten im Schnitt bei vier Minuten. Das klingt nach nicht viel, summiert sich aber im Jahresschnitt auf 14 Stunden. Knapp dahinter folgt die Schleißheimer Straße in München mit insgesamt 13 Stunden und der Ratsmühlendamm / Fühlsbüttler Straße in Hamburg, der auf zwölf Stunden kommt. 2019 fanden sich unter den Top drei ausschließlich Straßenabschnitte in Berlin.

Ableiten lässt sich aus der Global Traffic Scorecard auch, wie 2020 die Verkehrsströme durch die Corona-Pandemie und die getroffenen Maßnahmen beeinflusst wurden. Im April 2020, dem ersten vollen Monat mit strengen Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen, gab es deutlich weniger Fahrten in Innenstädte. In Köln und München brachen diese im Vergleich zum Februar um fast zwei Drittel ein. Mit den Lockerungen im Sommer nahm der Verkehr wieder zu und näherte sich dem Vorkrisenniveau an. Spitzenreiter ist wieder München, das im September 2020 schon den Stand vom Februar erreichte, in Berlin lagen sie zu diesem Zeitpunkt noch acht Prozent niedriger.

Zu erkennen ist in der Studie auch, dass sich das Verkehrsaufkommen im "soften" Lockdown im November und den darauffolgenden härteren Beschränkungen nicht mehr so stark verringerte wie im März und April 2020. Insgesamt verbrachten Pendler bei der mehr oder weniger flüssigen Fahrt in die größten deutschen Städte 2020 zwischen einem Viertel und einem Drittel weniger Zeit im Stau, auch die durchschnittliche tägliche Fahrleistung sank.

Weniger Fahrten in die Innenstädte

Das setzt sich in diesem Jahr fort. Die Anzahl der Fahrten in deutsche Innenstädte im Februar 2021 liegt noch immer 40 Prozent unter dem Vorkrisen-Niveau 2020. Dieses Bild zeigt sich in allen Industrienationen. In den USA beträgt das Minus 44 Prozent, in Großbritannien sind es 52 Prozent weniger verglichen mit dem Vor-Corona-Niveau.

In den Innenstädten nahm der Verkehr besonders ab - aufgrund der hohen Zahl an Menschen, die ins Home-Office ausgewichen sind und weil so viele Restaurants und Museen geschlossen sind und es nach wie vor wenig Unterhaltungsangebote gibt. "Das Corona-Virus verändert die Art und Weise, wann, wo und wir uns bewegen", erklärt Verkehrsanalyst Bob Pishue von Inrix. "Staatliche Beschränkungen und die zunehmende Verbreitung des Virus haben quasi über Nacht zu einem veränderten Reiseverhalten geführt." Das dürfte sich voraussichtlich auch nicht in diesem Jahr ändern.

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