Start der Cabriosaison:Offen für alle

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Mit dem MX-5 entdeckte Mazda 1989 die klassischen Roadster-Tugenden wieder. (Foto: Mazda)

Kann es etwas Schöneres geben, als im Auto die Sonne und den Wind zu spüren? Es gibt viele gute Gründe für ein Cabrio. Eine Verherrlichung des Fahrens ohne Verdeck.

Von Karl Forster

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt die herrliche Cabriozeit. Spätestens, wenn die ersten Schneeglöckchen sich durch den Frühjahrsfirn gen Sonne kämpfen, wird die Schutzplane von jenen Autos gezogen, deren Dach nicht aus Blech, sondern aus Stoff besteht. Zur Sicherheit kommt ein Schluck Gefrierschutzmittel in die Scheibenwaschanlage. Dann aber den Schlüssel ins Zündschloss gesteckt, kurzes Bangen, der Motor springt an. Jetzt die Dachschlösser geöffnet, mit der so lange vermissten und doch immer noch automatisierten Bewegung mit beiden Armen. Und schon ist sie da: die Luft bis hinauf zum blauen Himmel. Und der Nachbar schüttelt den Kopf. Die spinnen, die Cabriofahrer.

Ja und? Natürlich spinnen die Cabriofahrer. Schließlich bedeutet das französische Wort "Cabrioles" Kapriolen. Und die macht man eben, als Liebhaber der offenen Gefährte. Man zahlt viel Geld für ein Auto, in das meist wenig hineinpasst. Das mehr Sprit braucht. In das es hineinregnet, wenn man vergessen hat, das Dach zu schließen, und in das es auch manchmal hineinregnet, wenn man es nicht vergessen hat.

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Im Alfa Spider in den Skiurlaub

Aber wer, als schlichter Passatfahrer zum Beispiel, vor vielen, vielen Jahren das Vergnügen hatte, mit einer netten Freundin in deren Alfa Spider im Juni auf das Stilfserjoch zu fahren, die Ski zwischen den Sitzen und übers offene Dach verstaut, der verkauft am nächsten Tag seine Blechkiste und wird von nun an unvernünftig bleiben für sein Leben. Verloren für Beifahrer-Argumente wie "Mir zieht's!" oder "Saukalt heute". Das ist ja gerade der Witz: dass es zieht. Dass man Luft spürt, die nicht aus dem Heizungsschlauch ins Innere geblasen wird.

Nun ist aber Cabrio natürlich nicht gleich Cabrio. Die, deren Dach sich kunstvoll, aber blechern schließt, werden nicht einmal ignoriert - und bei den Stoffdachautos gibt es vier Klassen mit je zwei Abteilungen. Als da wären: Alte und Neue. Mit Platz für zwei und mit Platz für mehr als zwei.

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Für jeden gibt es das richtige Cabrio

Die schönsten sind natürlich die Alten mit Platz für zwei. Wer jemals in einem Triumph TR 6 (oder 4 oder 3) gesessen hat, weiß, was Abenteuer ist. Spätestens nach hundert Kilometern wird der Getriebetunnel so heiß, dass man entweder eine Pause einlegen oder den Gasfuß mit einem nassen Handtuch umwickeln muss oder beides. Dafür wird das Ohr verwöhnt mit jenem unverwechselbaren Sound, wie er nur aus einem britischen Roadster kommen kann.

Wer Wert legt auf Eleganz statt auf Geräusch, ist bestens aufgehoben in dem alten Peugeot 504 Cabrio, entworfen in der Designzauberwerkstatt Pininfarina. Und wer beides sucht, landet, wenn schon nicht gleich auf dem Stilfserjoch, so doch beim alten Alfa Spider: Der röhrt hübsch, und auch hier hatte die Firma von Battista "Pinin" Farina die Hand mit im Spiel.

Spätestens jetzt gerät die Karosserieschmiede von Porsche ins Blick- und Hörfeld. Das 911er Cabrio, im Jahr 1980 erstmals ausgeliefert, wäre eigentlich das Cabrio aller Cabrios, hat aber leider wegen spezieller Charakteristika einiger seiner Fahrer den etwas zweifelhaften Leumund als wie auch immer eingefärbter Penisersatz. Deswegen kommt er als Lieblingsmodell nur bedingt infrage. Dann schon eher einen Morgan Plus 8 mit Original-Ledergürtel um die Motorhaube. Oder einen Ferrari 308, mit dem der Privatdetektiv Thomas Magnum auf Hawaii herumfuhr.

Es waren die Japaner, die damals, als Ende der Achtzigerjahre weltweit eine gewisse Cabriomüdigkeit herrschte, die Reanimation der Open-Air-Autos einleiteten. Man schrieb das Jahr 1989, als auf dem Autosalon in Chicago die Hülle von einem neuen Wagen gezogen wurde: Mit dem MX5 war Mazda ein großes Risiko eingegangen. Und das wurde belohnt. Die klassischen Roadster-Tugenden - Platz für zwei, altmodisch im Schnitt, Stoff über dem Kopf - bescherten dem Japaner einen fulminanten Erfolg. Binnen weniger Tage war die Jahresproduktion von 75 000 Stück verkauft.

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Es gibt viele Gründe, ein Cabrio zu fahren

Heute nähert sich der MX5 der Millionengrenze. Und die wird wohl spätestens diesen Herbst gerissen, wenn das überarbeitete Modell auf den Markt kommt, von dem die ersten Tester heute schon schwärmen. Neulich fuhr einer auf Münchens Donnersbergerbrücke an einem Mini Cabrio vorbei. Und der Mini-Cabrio-Fahrer dachte: ups, sehr schön unvernünftig!

Der Cabriofahrer also, was ist er? Ein "Cabriot", wie der Passatfahrer gern lästert? Sind sie alle "Porschlöcher", wie der Besucher des Wirtshauses Fischmeister zu Ambach schimpft, wenn Starnbergs Hautevolee den Uferweg wieder einmal zugeparkt hat? Nun, ein bisschen Hedonismus darf schon sein. Auch einen dezenten Hang zur Egozentrik attestieren ihm manche. Und natürlich die Lust, einerseits den Neid der anderen zu wecken, andererseits eine gewisse Sehnsucht, bei ihm einzusteigen.

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Die Sucht nach dem Besonders-Sein

Vielleicht ist es aber vor allem die Neigung, einfach anders sein zu wollen, aus der Masse der Blechkastenlenker irgendwie herauszuragen mit wehendem Haar oder Vintage-Ledermütze. Schaut her, ich pfeife auf Grippeviren, ich trotze Husten, Schnupfen, Heiserkeit. Ich bin cool, so cool wie "Thelma und Louise" auf ihren Beutezügen in ihrem 1966er Ford Thunderbird convertible. So verführerisch wie Dustin Hoffman in seinem Alfa Spider Rundheck in "Die Reifeprüfung", so verrückt wie Hunter S. Thompsons skurriler Dr.Gonzo im offenen Chevrolet Impala in "Fear and Loathing in Las Vegas". Oder so avantgardistisch wie einst der Fußballer und spätere Fußballtrainer Jürgen Klinsmann in seinem blauen Käfer Cabrio Baujahr 1967 mit stolzen 44 PS, das später bei Ebay für den Gegenwert eines neuen Porsche den Eigentümer wechselte.

Natürlich haben die Hersteller genau diese Sucht nach dem Besonders-Sein längst erkannt und ihre Werbung darauf abgestellt. "Zwei Buchstaben und eine Ziffer, mehr sollte Sie nicht von der Straße trennen", so wirbt Mazda für seinen MX5. "Beschleunigt den Puls", verspricht Audi für sein TTS-Cabrio. Und BMW empfiehlt potenziellen Freiluftfreaks schlicht: "Be Mini!" und lobt den Kleinen als "Gokart" und "Wirbelwind". Klingt doch putzig. Also: Wo ist das erste Schneeglöckchen?

© SZ vom 07.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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