Staatliche Förderung der Elektromobilität:Säulen-Eilige

Elektroauto wird geladen

Norwegen ist ein kaum bevölkertes Land. Trotzdem funktioniert es hier mit der Elektromobilität. (Im Bild: Ein Mercedes lädt in Sachsen-Anhalt)

(Foto: Jan Woitas/dpa)

Nirgendwo sind Elektroautos so erfolgreich wie in Norwegen. 50 000 E-Mobile auf die Straßen zu bringen, hat das Land schon zwei Jahre früher als geplant erreicht. Doch nicht alle Norweger sind begeistert.

Von Silke Bigalke

Ausgerechnet in Geiranger haben sie sich getroffen, 450 Kilometer von Oslo entfernt. Der kleine Ort liegt zwar an einem von Norwegens schönsten Fjorden, aber außer traumhafter Landschaft ist dort nicht viel los. Dort oben im Nirgendwo versammelten sich die E-Mobil-Fans. Christina Bu hat sich für die Strecke extra einen Tesla geliehen und sechseinhalb Stunden gebraucht, inklusive Ladestopp. Sie hat jedes Elektroauto, das man in Norwegen kaufen kann, schon mal getestet. Das gehört zu ihrem Job als Geschäftsführerin des Norsk elbilforening, einer Art norwegischem ADAC für E-Mobile. Mehr als 50 haben es nach Geiranger geschafft. Dort haben sie die neue Ladestation eingeweiht und sind eine Rallye durch die schöne Landschaft gefahren.

Norwegen, dieses große, zu weiten Teilen menschenleere Land, scheint auf den ersten Blick der falsche Ort für Elektroautos mit ihrer eingeschränkten Reichweite zu sein. Trotzdem sind sie dort so erfolgreich wie sonst nirgendwo. Fast jedes fünfte Auto, das heute in Norwegen neu gekauft wird, fährt elektrisch. 50 000 E-Mobile wollte die Regierung ursprünglich durch Steuervorteile auf die Straße bringen, um einen Anfang zu schaffen. Die Marke hat sie bereits vergangenen April geknackt, zwei Jahre früher als erwartet.

Die Mehrwertsteuer wird erlassen

Möglich wurde das durch eine beispiellose Förderung, die schwer zu kopieren ist. Wer in Norwegen einen Neuwagen kauft, zahlt einmalig eine hohe Registrierungssteuer, die unter anderem vom CO₂-Ausstoß und vom Gewicht des Wagens abhängt. Im Schnitt liegt sie bei 100 000 norwegischen Kronen, knapp 11 000 Euro. Beim Elektroauto fällt sie völlig weg. Auch die 25 Prozent Mehrwertsteuer werden beim Kauf eines Elektroautos erlassen. Das ist dadurch oft billiger als ein vergleichbares Modell mit Benzin- oder Dieselmotor. Bei einem E-Golf etwa kann man gegenüber einem herkömmlichen Modell mit ähnlicher Ausstattung circa 7000 Euro sparen.

Wer in Norwegen ein Elektroauto fährt, zahlt zudem meist keine Maut, keine Parkgebühren und darf die für Busse reservierten Spuren verwenden. Zur Rushhour in Oslo ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Elektroautos erkennt man an ihrem Nummernschild: EL steht darauf, dahinter passt eine fünfstellige Zahl. Für das hunderttausendste Elektroauto müssen sich die Behörden etwas Neues ausdenken. Etwa 60 000 Elektroautos gibt es in Norwegen bereits und 7000 Ladestationen.

Nicht jeder Norweger ist dafür

Der schnelle Erfolg der E-Autos sprengt nicht nur den Platz auf den Nummernschildern. Busfahrer haben sich beschwert, dass die Elektroautos ihre Wege verstopften. In Oslo gibt es daher auf einer viel befahrenen Pendlerstrecke bereits eine Einschränkung: Zur Rushhour dürfen nur Wagen die Busspuren benutzen, in denen mindestens zwei Personen sitzen. Nicht jeder Norweger ist dafür, das Autofahren über die E-Auto-Förderung weiter zu subventionieren. "Es hat viel Diskussion gegeben, als wir die 50 000-Marke erreicht haben", sagt Christina Bu. Trotzdem hielt die Regierung an der Förderung fest: Im Mai beschloss sie, die Ausnahme von der Registrierungssteuer bis 2018 beizubehalten und dann schrittweise zu reduzieren. Mehrwertsteuer zahlen Käufer auf Elektroautos ab demselben Jahr.

Norwegen fördert Elektroautos seit 1990. Damals haben Norweger ein eigenes kleines E-Mobil gebaut, den "Think". Das Unternehmen ging 2011 pleite. Geblieben ist der breite politische Konsens, was Elektromobilität angeht. 2012 setzte sich die Regierung das Ziel, die Emission von Neuwagen bis 2020 auf 85 Gramm CO₂ pro Kilometer zu senken - das sind zehn Gramm weniger, als in der EU dann erlaubt sind. "Selbst wenn die Steuern nicht mehr erlassen werden, steht in dem Beschluss auch, dass Wagen mit Null-Emission weiterhin einen wirtschaftlichen Vorteil bringen sollen", sagt Bu.

Das meistverkaufte Elektroauto ist der Nissan LEAF

Im ersten Halbjahr 2015 war der E-Golf das meistverkaufte Auto. Das Volkswagen-Autohaus im Osloer Westen, eines von sieben in der Hauptstadt, ist neu und noch nicht so gut ausgeschildert, dafür groß. Der E-Golf steht gleich neben dem Eingang. "Oh, der sieht ja aus wie ein normales Auto", sei der häufigste Spruch seiner Kunden. Verkäufer Jonas Berthelsen öffnet die Fahrertür. Den E-Golf kann man erst seit Juni 2014 kaufen, Tesla und Nissan waren schneller. Deswegen ist das meistgekaufte Elektroauto in Norwegen seit 2011 der Nissan LEAF (34 Prozent), gefolgt vom Tesla Model S (19 Prozent). Der E-Golf landet auf Platz drei (13 Prozent). Viele, die sich in Norwegen ein Elektroauto anschaffen, haben ein zweites Auto in der Garage stehen. Sie behalten es für lange Strecken oder den norwegischen Winter, sagt Bu. Wenn es richtig kalt ist, könne dadurch die Reichweite der Batterie um die Hälfte schrumpfen. "Es ist wichtig, unseren Konsumenten das vorher zu sagen. Wenn der Weg zu ihrem Arbeitsplatz weiter ist als die halbe Reichweite, sollten sie das Auto vielleicht nicht kaufen."

Thorvald Sæby sagt, er schaffe mit seinem Tesla Model S 400 Kilometer. Seine Mutter schafft sogar 500. Aber er nutze das Auto als ehemaliger Rennfahrer eben ganz anders. Sæby ist Motorradrennen gefahren, hat in Norwegen viele Titel gewonnen, bis er 2000 einen schweren Autounfall hatte. Heute fährt er Elektro und wenn man ihn reden hört, könnte man meinen, Tesla hätte ihn dafür bezahlt. Er sagt Sätze wie "Näher kommt man an ein Flugzeug nicht heran" und "Jetzt sind Autos keine Autos mehr". Verbrennungsmotor? Die Technik sei doch hundert Jahre alt.

Niemand kauft ein Elektroauto wegen seiner Leistung

Über Elektroautos hat Sæby zum ersten Mal nachgedacht, als ihm die Ladestation vor seiner Osloer Wohnung aufgefallen ist. Die Idee einer Tankstelle direkt vor dem Haus gefiel ihm. Doch von den Elektroautos, die es damals gab, gefiel ihm keines. Über den Umweltaspekt habe er damals eher wenig nachgedacht - als Motorsportler habe er ja ohnehin nicht die größte Glaubwürdigkeit als Klimaschützer. "Niemand spricht darüber, ein Elektroauto wegen seiner Leistung zu kaufen." Den Tesla hat er vor zwei Jahren wegen seiner Leistung gekauft. Und wenn man neben Sæby auf dem Beifahrersitz sitzt, spürt man den Rennfahrer am Steuer. Am liebsten demonstriert er, wie schnell der Wagen beschleunigt.

In Oslo regnet es, Thorvald Sæby hält an einem Zebrastreifen. Einer der Passanten, die vorbeihasten, schaut ihn grimmig an. Das sei der typische Tesla-Blick, sagt Sæby. Die Förderung habe niemanden gestört, bis die großen Limousinen kamen und auch subventioniert wurden. Sæby hat für seinen Tesla umgerechnet 76 000 Euro bezahlt, in Deutschland ist das Auto deutlich teurer. Für ihn hat das alles verändert. "Das herkömmliche Auto wird nicht überleben, und das ist gut so", sagt er.

Alle Autos machen Dreck

Jemanden zu finden, der den politischen Kurs in Norwegen laut kritisiert, ist nicht einfach. Man muss dafür ins Statistische Amt Norwegens gehen, in das kleine Büro von Bjart Holtsmark. Weil er eine der wenigen Gegenstimmen zur E-Mobil-Euphorie in Norwegen ist, melden sich viele Journalisten bei ihm. Sein Argument: Alle Autos machen Dreck, egal ob elektrisch oder mit Benzin und Diesel. Sie wirbeln Asphaltpartikel von der Straße auf, das sei eine Belastung. "Die norwegische Politik macht Autofahren sehr billig, das halte ich für einen Fehler", sagt Holtsmark. Es führe wahrscheinlich zu einer größeren Zahl Autos und zu mehr Autofahrten.

Bu vom Norsk elbilforening widerspricht. Ihr Verband befragt regelmäßig seine Mitglieder, zuletzt antworteten 7800 Besitzer von Elektroautos. 54 Prozent gaben an, dass sie nun viel weniger mit ihrem Diesel oder Benziner fahren. 28 Prozent sagten, dass sie nur noch das Elektroauto nutzten. "Man darf nicht vergessen, dass die Förderung für eine kurze Zeit gedacht ist, um den Markt ins Laufen zu bringen", sagt Bu. "Wir sind nicht so verrückt zu sagen, dass es diese Anreize für immer geben sollte."

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