Sportwagenhersteller Aston Martin:Optimistisch wie nie zuvor

Aston Martin, gegründet 1913, gehört zu den bekanntesten Marken der Automobilgeschichte. Oft standen die Briten am Abgrund. Doch die Gegenwart ist vielversprechend. Aston Martins Philosophie: Konzentration auf das Wesentliche.

Von Georg Kacher

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Viertüriges Coupé: der Aston Martin Rapide.

(Foto: dpa-tmn)

Konkurse, Beinahe-Pleiten und Besitzerwechsel ziehen sich wie ein roter Faden durch die ereignisreiche Geschichte von Aston Martin. Schon sieben Jahre nach der Gründung warf 1920 mit Robert Bamford die eine Hälfte des Urgestein-Duos das Handtuch. Fünf Jahre später musste auch Lionel Martin Konkurs anmelden. So ging es munter weiter: Lord Charnwood verkaufte 1932 an Sir Arthur Sutherland, dessen Sohn Gordon das malade Unternehmen nach dem Krieg für 20.000 Pfund an den Landmaschinen-Krösus David Brown abtrat. Kaum zu glauben, aber wahr: In den ersten 30 Jahren baute Aston Martin nur 700 Autos, die meisten davon längst vergessene Renn- und Sportwagen.

Mit dem Geld von David Brown ging es endlich aufwärts mit der Marke, die unter dem Zepter von John Wyer bei Langstreckenrennen von Sieg zu Sieg eilte. Zwischen 1948 und 1965 entstanden allein sechs verschiedene Sportwagenmodelle (DB1 bis DB6), Kreationen, die heute teilweise zu Höchstpreisen gehandelt werden. Doch just als der geniale Konstrukteur Tadek Marek seinen Reihensechszylinder durch einen V8 ersetzen wollte, brach der Absatz dramatisch ein. Das lag nicht zuletzt am Design von William Towns, dessen entweder wuchtige oder keilförmige Entwürfe bei den Kunden auf weniger Gegenliebe stießen, als die eleganten Leichtbaukarossen der 50er- und 60er-Jahre.

1972: Verkauf für 100 Pfund

Es kam wie es kommen musste: am Ende fuhr auch David Brown die Firma gegen die Wand. Für 100 Pfund ging Aston Martin 1972 an ein britisches Konsortium - das prompt Anfang 1975 Konkurs anmeldete. Erst zwei Jahre später sorgten vier Männer wieder für positive Schlagzeilen: der US-Autohändler Peter Sprague, der Kanadier George Minden, der englische Ölbaron Victor Gauntlett und der griechische Reeder Peter Livanos. Nacheinander bestimmten vor allem Gauntlett und Livanos die Geschicke des inzwischen nach Newport Pagnell übersiedelten Unternehmens, das 1987 von Ford übernommen wurde. Mehr als fünfzehn Jahre hatte sich die Marke allein mit den sogenannten V-Cars über Wasser gehalten. Das V stand für den V8 und für die übergewichtigen Typen Vantage und Virage, die sich viel besser verkauften als die kantige Lagonda-Limousine. Unter Ford-Regie entstand als erster neuer Aston Martin der DB7, der ursprünglich als Nachfolger des Jaguar XJ-S vorgehen war. Ebenfalls aus dem Jaguar-Fundus stammten der Reihensechszylinder-Kompressormotor sowie die im Vanquish (2000) und DB9 (2004) verbauten Zwölfzylinder.

Seit 2000 hat der frühere Porsche-Entwicklungsvorstand Ulrich Bez das Sagen bei Aston Martin. Daran änderte sich auch nichts, als Ford 2007 sein Aktienpaket an zwei kuwaitische Investoren verkaufte. Im Dezember 2012 erwarb die italienische Investindustrial einen 37,5 Prozent-Anteil am unterfinanzierten Sportwagenhersteller. Neue Chance, neues Glück? "Wir bleiben unabhängig, wir halten am Standort England fest, und wir sind zuversichtlich was die nächsten 100 Jahre angeht," sagt Ulrich Bez. Zumal der Investor angeblich mehr als 600 Millionen Euro bereitstellen will, um neue Modelle zu entwickeln und die Produktion von rund 4000 auf mehr als 7000 Fahrzeuge zu erhöhen.

Basis ist die modulare VH-Architektur

Bez präzisiert: "Wir sind eine sehr effiziente Firma. Jeder Cent, den Aston Martin in den letzten sechs Jahren verdient hat, wurde sofort reinvestiert. " Und was ist mit neuen Modellen? "Die entstehen mit minimalem Aufwand auf Basis der modular aufgebauten VH-Architektur. Dank VH", erklärt Bez, "stehen uns alle Optionen offen. Wir können die Kohlefaserkarte ziehen wie beim One-77. Wir könnten einen Spaceframe aus Stahl bauen. Und wir könnten sogar Kleinstserien auflegen wie einen V12 Speedster. "

Bez hat aus dem VH-Baukasten vier Modellreihen gezaubert: den auf Anhieb erfolgreichen V8 Vantage, das viertürige Rapide Coupé, den gerade runderneuerten DB9 und den Mitte 2012 vorgestellten Vanquish. Dazu kommen Exoten wie der Zagato V12 und der eigentlich überflüssige Cygnet, ein verkleideter Toyota iQ, der nur als E-Auto wirklich sinnvoll wäre. DB9 und Vanquish streiten sich um die gleiche Marktnische - neben dem verwechselbaren Design ein Indiz dafür, dass ausgeprägte Differenzierung nicht zu den Stärken von Aston Martin gehört.

Luxuslimousine und Crossover fehlen im Programm

Was fehlt noch im Modellprogramm? "Eine sehr sportliche Luxuslimousine und ein wirklich dynamischer Crossover," zählt Bez auf. "Der Rapide ist eher ein viertüriger Sportwagen als ein eleganter Cruiser. Für Wachstumsmärkte wie China und Russland wäre eine Limousine besser geeignet. Wenn man es geschickt anstellt, könnte man bei dieser Gelegenheit sogar die Marke Lagonda wiederbeleben." Die Suche nach einem Königsweg für den Crossover ist noch in vollem Gang. Theoretisch könnten die Engländer eine Hochbodenvariante des VH-Baukastens mit großen Rädern versehen, doch das über viele Jahre gepflegte Transaxle-Getriebe würde mit dem Allradantrieb kollidieren, und die Karosseriestruktur müsste von Grund auf neu konzipiert werden. Eigentlich gibt es nur zwei echte Alternativen: ein als Plug-in Hybrid ausgelegtes VH-Derivat mit elektrisch angetriebenen Vorderrädern oder eine Kooperation mit einem anderen Hersteller.

Wir erinnern uns: Noch vor einem Jahr schien sich ein Deal zwischen Mercedes und Aston Martin anzubahnen, der Motoren, Getriebe und die Geländewagen-Matrix der nächsten GL-Klasse beinhaltet hätte. Doch spätestens als Maybach eingestellt wurde, verliefen die Gespräche im Sand. Weil Aston Martin dem Partner nicht genug bieten konnte? Bez dementiert: "Wir punkten mit Leichtbau-Kompetenz, Handwerklichkeit, Top-Design und mit viel Erfahrung in der Kleinserienfertigung - ganz zu schweigen von unserem guten Namen."

Aston Martin macht aus der Not eine Tugend

Die dünne Finanzdecke hat in der Vergangenheit den Anstoß neuer Projekte erschwert. Eigentlich müsste der 2004 vorgestellte V8 Vantage demnächst ersetzt werden, doch Aston Martin macht aus der Not eine Tugend und setzt stattdessen auf kontinuierliche Evolution. Ähnlich wie der Porsche 911 sollen die Sportwagen aus Gaydon Schritt für Schritt verbessert und weiterentwickelt werden. Die Alu-Bauweise ist ideal für regelmäßige Design-Updates, die Modultechnik erleichtert das Optimieren von Fahrwerk, Antrieb und Infotainment, die hochflexible Fertigung schafft beste Voraussetzungen für zusätzliche Varianten wie Spider, Speedster oder GT3.

Während die VH-Struktur noch lange nicht ausgereizt ist, bestimmt die zunehmend schärfere Abgasgesetzgebung die Halbwertzeit der Motoren. Alternativen gibt es kaum. Der vor allem für den Crossover geeignete Diesel gilt vor allem in China und Amerika als schwer vermittelbar, der Plug-in Hybrid krankt an kleinen Stückzahlen und hohen Kosten, auch grüne Kraftstoffe wie Bi-Fuel oder CNG lösen nicht das antriebstechnische Grundsatzproblem.

Auf die Frage, ob es nicht an der Zeit sei, die Palette nach unten zu erweitern, nickt Ulrich Bez. "Wir bewegen uns da aber auf ganz dünnem Eis. Natürlich würde ein leichter und kompakter Sportwagen mit einem effizienten Antriebsstrang gut zu uns passen. Aber Aston Martin könnte so ein Projekt nur zusammen mit einem Partner stemmen." Auch ein Sportwagenhersteller kann sich dem Paradigmenwechsel nicht entziehen, der uns leichtere und sparsamere Autos bescheren wird. Bez kündigt an: "Zwischen 2020 und 2025 dürfte die Ära der hoch drehenden kurzhubigen Saugmotoren endgültig zu Ende gehen. Deshalb werden wir uns irgendwann mit drehmomentstarken aufgeladenen Aggregaten beschäftigen müssen. Dabei könnte der V8 durch einen Reihensechszylinder ersetzt werden, und der V12 durch einen Biturbo-V8. Doch noch ist nichts entschieden."

Bei Lotus gehen langsam die Lichter aus

Anders als Lotus, wo langsam aber sicher die Lichter ausgehen, fährt Aston Martin einen stabilen Konsolidierungskurs. Trotz der vielen Eigentümerwechsel und Beinahe-Insolvenzen haben sich die Prioritäten des Traditionsunternehmens im Laufe der letzten 100 Jahre nicht grundlegend verändert. Der Motorsport ist nach wie vor das mit Abstand wichtigste Marketing-Element, das Portfolio besteht wie gehabt aus attraktiv gestylten aber im Grunde minimalistischen Hardcore-Sportwagen, die Kleinserienfertigung bietet auch heute noch genügend Spielraum für Sonderwünsche und Sondereditionen. Die aktuellen Kernwerte heißen Design und Dynamik, technischer Fortschritt ist ein elementarer Baustein und keine Modeerscheinung.

Ulrich Bez lebt diesen Fundamentalismus mit puristischer Überzeugung. "Nein, wir haben keinen Allradantrieb, und wir brauchen ihn auch nicht. Genauso wenig wie die inflationären Assistenzsysteme, die nichts anderes tun, als die Verantwortung vom Fahrer auf das Fahrzeug zu übertragen. Muss ich im Auto wirklich E-Mails lesen können? Wozu braucht es ein zusätzliches Head-Up-Display, wenn sich die Instrumente auf einen Blick erfassen lassen? Wir müssen wieder lernen, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren."

Nobelkarossen boomen. Lesen Sie hier, wie die Hersteller darauf reagieren.

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