Sportwagen-Vergleich:So gleich und doch verschieden

Der neue Porsche 911 GTS.

Der Grundpreis des neuen Porsche 911 Carrera GTS liegt bei 117 549 Euro.

(Foto: WGO)

Mercedes-AMG GT-S gegen Porsche 911 GTS: Im direkten Duell zeigen die beiden Coupés, auf welch unterschiedliche Weise Sportwagen faszinieren können.

Von Georg Kacher

Der Soundcheck definiert die Charaktere. Hier das heisere Hochdreh-Kreischen des 3,8-Liter-Sechszylinder-Boxers. Dort das kehlige Brabbeln des 4,0-Liter-Biturbo-V8. Unterschiedlicher können Motorenkonzepte kaum sein. Diese Polarität der Prinzipien findet in anderen Bereichen ihre Fortsetzung. Der neue Mercedes AMG GT-S ist ein Front-Mittelmotorcoupé in Transaxle-Bauweise mit Getriebe an der Hinterachse, zwei Sitzen und großer Heckklappe. Die GTS-Version des 911 ist ein 2+2-Sitzer mit hochdrehendem Saugmotor, der seine Marktlücke zwischen Carrera S und GT3 sucht und findet.

Der 510 PS starke Mercedes GT-S (es gibt auch einen günstigeren GT mit 462 PS) ersetzt nicht nur den SLS, er übernimmt vom Flügeltürer auch das technische Layout und die breite, aber kurze Fahrgastzelle. Der 430 PS starke Neunelfer vermittelt GT3-Flair - freilich ohne wuchtigen Heckspoiler, Brutalo-Sitze, Oropax-reife Geräuschkulisse und dem deutlich höheren Einstandspreis. Das neue Modell kostet 117 549 Euro. Es ist damit 12 375 Euro teurer als der Carrera S mit 400 PS, aber wiederum 23 700 Euro günstiger als der GT3 mit 476 PS. Klingt gut, wird jedoch problemlos getoppt durch den Mercedes. Der steht als GT mit 115 430 Euro und als GT-S mit 134 351 Euro in der Liste. Wer sich einen über 500 PS starken 911 in die Garage stellen möchte, muss mehr als 30 000 Euro drauflegen.

Der neue Mercedes-AMG GT-S.

Der Mercedes-AMG GT-S kostet mindestens 134 351 Euro.

(Foto: Daimler AG)

Eindrucksvolle Zahlen auf beiden Seiten

Der GT-S ist extrovertiert, laut, grell, selbstbewusst und sehr schnell. Von null auf 100 km/h sprintet der Mercedes in nur 3,8 Sekunden. Nach 12,0 Sekunden ist die 200 km/h-Marke erreicht; erst bei 310 km/h wirft der Begrenzer das Handtuch. Mit optionalem Doppelkupplungsgetriebe und im Launch-Control-Modus schafft der 911 den Spurt in vier Sekunden, knackt 9,8 Sekunden später die 200 km/h-Schallmauer und läuft 304 km/h Spitze. Eindrucksvolle Werte - doch der Vorsprung gegenüber dem Carrera S ist mit 0,1 Sekunden und zwei km/h kaum messbar.

Trotzdem lohnt das GTS-Paket, denn es kombiniert eine Extraportion Flair mit einer klar umfangreicheren Ausstattung. Die Aerokit-Anbauteile, das Alcantara-Interieur, die schwarzen 20-Zoll-Räder, die schaltbare Abgasanlage und das Sport-Chrono-Paket relativieren den Mehrpreis. Die zusätzlichen 30 PS spürt man freilich nur zwischen 6300 und 7800/min, wenn der zweite Ansaugkanal aufmacht und den Gemischdurchsatz verbessert.

Der AMG GT-S ist ganz anders ausgelegt als der Elfer - weniger spitz, mehr auf Durchzug als auf hohe Drehzahlen bedacht, explosiv im Antritt und trotzdem mit gewaltiger Schubkraft gesegnet. Im Gegensatz zum Porsche, der für 440 Nm immerhin 5750/min bemühen muss, verwandelt der Mercedes sein maximales Drehmoment von 650 Nm in ein Hochplateau, das sich in Verbindung mit dem Dynamic-Plus-Paket von 1750 bis 5000/min erstreckt. Der V8 legt selbst jenseits von 200 km/h noch deutlich zu, empfiehlt sich aber gleichzeitig als Gleiter, der im großen Gang mit viel Verve und entsprechender akustischer Untermalung den Laufsteg Straße für sich einnimmt.

Der AMG GT-S ist eine Trutzburg

Der neue Mercedes-AMG GT-S.

Der V8-Biturbo-Motor des Mercedes' ist vorn eingebaut und leistet 510 PS.

(Foto: Daimler AG)

Seine absolute Domäne sind Autobahnen und großzügig angelegte Überlandstrecken. Hier vermitteln LED-Signatur und Diamantgrill ein gewaltiges Überholprestige, hier kommt die turbinenartige Leistungsentfaltung optimal zur Geltung, hier glänzen die flinke Lenkung und die präzise Straßenlage als vertrauensbildende Maßnahmen. Wer mag, kann Lenkungskennung, Motor-Ansprechverhalten, Getriebe-Strategie, Auspuffmelodie, Dämpferhärte und ESP-Eingriff in vier Stufen variieren. Wir waren bevorzugt im Sport-Plus-Modus unterwegs - mit Zwischengas-Fanfare beim Zurückschalten, Extra-Kick beim Hochschalten, mehr Biss beim Einlenken und weniger ESP-Intervention beim Beschleunigen.

Auf schlechten Straßen und bei schnellen Richtungswechseln spielt der 911 seine Trümpfe aus

Im Porsche belebt zwar ein Druck auf die Sport-Plus-Taste die Fahrdynamik-Sinne, doch ein individueller Modus-Mix ist ebenso wenig vorgesehen wie eine dezidierte ESP-Zwischenstufe. Außerdem fehlt es dem 911 an Assistenzsystemen, das Bedienkonzept mit kleinem Touchscreen und der verwirrenden Tastenflut bedarf dringend der Überarbeitung. Ein Head-up-Display sucht man in beiden Autos leider vergebens.

Der neue Porsche 911 Carrera GTS.

Der Sechszylinder-Boxermotor des 911 GTS kommt ohne Aufladung aus und leistet 430 PS.

(Foto: WGO)

Der GT-S ist eine Trutzburg mit hoher Gürtellinie, ungemütlich steiler Schottwand und schlechter Sicht nach schräg hinten. Der GTS wirkt luftiger, geräumiger, übersichtlicher, kompakter. Trotz der etwas breiteren Bereifung rollt er geschmeidiger ab, federt besser und hat etwas angenehm Unaufgeregtes. In engen Kurven, auf schlechten Straßen und bei raschen Richtungswechseln kommen Neunelfer-Tugenden wie Traktion und ausgeprägte Wendigkeit besonders zur Geltung.

Stark auf der Rennstrecke, gut im Alltag

Der Mercedes bringt die Kraft manchmal nur mit Mühe auf den Boden, sein Aufbau neigt bei forcierter Gangart zu großen Gesten, und die Richtungsstabilität steht und fällt mit der Qualität der Fahrbahn. Der GT-S braucht Platz, um sein Leistungsplus optimal umsetzen zu können. Er ist auf der Rennstrecke eine Klasse für sich, erweist sich aber auch im harten Alltagseinsatz als reizvolle Synthese aus Herausforderung und Erfüllung. Anders als der Porsche, der stoisch seine Kreise zieht und erst relativ spät in den Grenzbereich vordringt, spürt man im Mercedes trotz heckbetonter Achslastverteilung Hummeln im Hinterachs-Differenzial und Adrenalin im Lenkgetriebe. Beide Autos verzögern schon mit den serienmäßigen Stahlbremsen nachhaltig, beide brauchen in der Praxis deutlich mehr als auf dem Papier (Porsche 13,9 statt 8,7 Liter, Mercedes 15,1 statt 9,4 Liter), beide sind überragend verarbeitet und ordentlich ausgestattet.

Der GTS wirkt aller Dynamik zum Trotz unerwartet handzahm und verbindlich. Der GT-S dagegen ist vergleichsweise günstig, macht viel her und rangiert auf der Erlebnisskala nur ganz knapp unter Wolke sieben. Der Mercedes mag der etwas weniger perfekte Sportwagen sein. Aber die Kombination aus Gran Turismo, Autobahnkurier und Quertreiber könnte kaum unter einem besseren Stern stehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: