Sportwagen im Test:Audi R8 V10 plus - Perfektion ist nicht genug

Er ist schnell, er ist auf Wunsch laut, er sieht gut aus: Der neue Audi R8 macht alles richtig. Er macht sogar zu viel richtig.

Test von Felix Reek

"Ja, wo parken wir denn?", ist die Frage, die sich vor dem ersten Zusammentreffen mit dem Audi R8 stellt. Der Sportwagen steht im Parkhaus, in seiner aktuell stärksten Variante, als V10 5.2 FSI mit dem Namenszusatz "plus". Und ist dabei so flach, dass er hinter anderen Autos einfach verschwindet. 124 Zentimeter, um genau zu sein, misst der Sportwagen vom Boden bis zum Dach. Hinter einem Q5 geparkt scheint es, als existiere der R8 gar nicht. Was schade wäre. Denn er ist im Portfolio der Ingolstädter das Auto, das am meisten Begehrlichkeiten weckt. Ein Supersportwagen, der 610 PS ohne Hybridtechnik auf die Straße bringt.

Natürlich hat der Flachbau Konsequenzen. Für große Menschen ist der R8 nicht geschaffen. Eine bequeme Sitzposition scheitert am Motor. Der liegt direkt hinterm Fahrer, der beim Verstellen seines Sitzes zu früh an die entsprechende Trennwand stößt. Mangelnde Kopffreiheit macht der Sportwagen durch ein gewölbtes Dach wett. Was nichts daran ändert, dass der Blick an der Oberkante der Scheibe hängen bleibt. Doch das ist bald egal. Ein solches Auto ist eben nicht als bequemes Reisemobil gedacht. Es will gefahren werden, und zwar schnell. Also, Motor starten und erleben, dass der R8 laut ist. Wirklich laut. Der V10 lärmt in der Tiefgarage so penetrant, dass man sich dabei ertappt, peinlich berührt den Blick wandern zu lassen, ob das irgendjemand mitbekommen hat.

Das ist für einen Sportwagen natürlich nichts Ungewöhnliches. Zum tiefergelegten Erscheinungsbild gehört die entsprechende Soundkulisse. Erwähnenswert ist es aber deshalb, weil der R8 nach einigen Sekunden merklich leiser wird. Das kennt man vom neuen 911er, beim R8 ist es aber noch auffälliger. Heißt: Hier soll dem Fahrer bei jedem Start ein wohliger Schauer über den Rücken gejagt werden. Er wird wenig subtil daran erinnert, dass es sich gelohnt hat, mindestens 187 400 Euro in dieses Auto investiert zu haben. Oder im Fall unseres Testwagens satte 212 410 Euro.

Maximale Aufmerksamkeit

Wer diesen Klang des Startprozederes auch während der Fahrt hören will, muss einen kleinen Knopf am Lenkrad drücken. Die Auspuffklappen öffnen sich und der R8 macht auch akustisch klar, dass er auf dem Lamborghini Huracán basiert. Wer dann auf das Gaspedal tritt, bekommt nicht nur einen Schlag in den Nacken durch die ruckartige Beschleunigung, er hört den 5,2-Liter-Motor hinter dem Fahrersitz förmlich arbeiten. Das ist nicht nur Zurschaustellung von Kraft, sondern auch Kalkül. Der Audi R8 ist ein Auto, das maximale Aufmerksamkeit generieren soll. Und es funktioniert.

"Ob man mit einem Golf oder einem Supersportwagen im Stau steht, ist doch egal", hatte ein Kollege vorher noch prophezeit, als es darum ging, den Audi am Oster-Wochenende zu testen. Er hat unrecht. Der Satz müsste lauten: "Es ist egal, in welchem Auto man im Stau steht. Es sei denn, es ist ein R8." Zwischen München und Nürnberg verdrehen Kinder auf der Rückbank ihre Köpfe, ein Mercedes-Fahrer lässt das Fenster herunter, um den Motorensound zu hören. Die Fahrerin eines Renault Clios kommt dem Audi sogar gefährlich nahe beim Versuch, ihn zu fotografieren. Bei Tempo 140. Durch die Seitenscheibe.

Das zeigt: Der Audi R8 lässt kaum jemanden kalt. Er ist der Supersportwagen des Durchschnittsdeutschen, dem ein Ferrari oder ein Lamborghini zu viel des Guten ist. Der sich eigentlich nicht für solche Fahrzeuge interessiert. Der beim R8 dann aber doch schwach wird.

Etwas fehlt

Trotzdem packt einen der Supersportwagen nicht emotional, wenn man hinterm Steuer sitzt. An den Voraussetzungen liegt das nicht. Zwar hat sich der R8 rein optisch kaum verändert, doch er macht vieles besser als sein Vorgänger. Der Sportwagen ist eine komplette Neuentwicklung. Etwas leichter, etwas breiter, tieferer Schwerpunkt. Das Fahrgefühl ist direkter. Das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe schaltet fließend, der V10 reagiert geradezu explosiv. Die Straßenlage ist selbst in engen Kurven perfekt.

Die Schwächen, wenn man das so nennen kann, zeigen sich in den Dynamikprogrammen. Im Komfort-Modus fährt sich der R8 geradezu entspannt. Der Motor brummt angenehm vor sich hin, die Härte des Fahrwerks ist erträglich, die Automatik wählt für Tempo 50 in der Stadt entspannt den siebten Gang. Es gibt sogar eine Start-/Stopp-Automatik, um Sprit zu sparen - bei 610 PS! Der Audi ist fast ein alltagstaugliches Auto. Abgesehen von der fehlenden Rückbank und einem kaum vorhandenen Kofferraum.

Eine Intensitätsstufe höher wird es zwar sportlicher, doch es bleibt entspannt. Selbst ungeübte Fahrer haben keine Probleme, den R8 perfekt durch Kurven zu zirkeln. Was zum permanenten Rasen verführt. Nicht ganz ungefährlich, wenn das Auto, in dem man sitzt, innerhalb von 3,2 Sekunden von 0 auf Tempo 100 beschleunigt, nicht elektronisch abgeregelt ist und erst bei 330 km/h seine Höchstgeschwindigkeit erreicht.

Zu laut für die Autobahn

Richtig brachial wird es erst im "Dynamic"-Modus. Durch die Stadt geht es heiser röchelnd im zweiten Gang, jeder Druck aufs Gaspedal presst den Rücken tief in den Sitz. Beim automatischen Herunterschalten heult sogar jedes Mal das Zwischengas auf. Ein Detail, das des R8 nicht würdig, zu albern, fast schon prollig ist. Bei höherem Tempo wird der Audi so laut, dass es unangenehm ist. Längere Strecken auf der Autobahn sind so nicht auszuhalten.

Indes, emotional packen will einen der R8 einfach nicht. Es fehlt etwas, das sich gar nicht so genau benennen lässt. Das Unberechenbare eines Lamborghinis. Die Aura eines Ferraris. Das Understatement des Porsche 911. Alltagssportler oder brachiale Rennmaschine? Der R8 ist beides, in seiner Perfektion aber nicht zwingend genug. Und er verliert dabei aus den Augen, was er eigentlich sein könnte: der ultimative Sportwagen.

Technische Daten Audi R8 V10 plus 5.2 FSI quattro:

V10-Benzinmotor mit 5,2 Litern Hubraum; Leistung 449 kW (610 PS); max. Drehmoment: 560 Nm bei 6500/min; Leergewicht: 1630 kg; Kofferraum: 112 - 226 l; 0 - 100 km/h: 3,2 s; Vmax: 330 km/h; Testverbrauch: 14,9 l / 100 km (lt. Werk: 12,3; CO2-Ausstoß: 287 g/km); Euro 6; Grundpreis: 187 400 Euro (Testwagenpreis: 212 410 Euro)

Das Testfahrzeug wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: