Sportlimousine im Test:Straßenfeger mit Manieren

Sportlimousine im Test: Verkaufsschlager: 15 Millionen Autos vom Typ 3er hat BMW bis heute abgesetzt.

Verkaufsschlager: 15 Millionen Autos vom Typ 3er hat BMW bis heute abgesetzt.

(Foto: Uwe Fischer/BMW)

Erste Fahreindrücke: Der neue 3er von BMW pflegt auf der Straße klassische Tugenden, im Innenraum geht es deutlich komplexer zu.

Von Georg Kacher

Der Werkschutz hat die vier Prototypen eingewickelt in eine mit schwarz-weißen Kringeln bedruckte Folie, die dem Kameraauge einen Streich spielen soll. Doch die letzte Phase der Tarnung vor der Enthüllung auf dem Pariser Salon Anfang Oktober stellt keine hohen Ansprüche mehr an die Fantasie des Betrachters. Während die BMW-Designer beim nächsten 4er wild experimentiert haben, ist der neue 3er vom Erscheinungsbild ein evolutionäres Automobil. Wohlproportioniert, einen Touch sportlicher, minimal größer, verwindungsfester, im Detail innovativer, aber sicher kein Riesensprung in Richtung Risiko. Die Testwagenflotte des 330i ist zwar einheitlich motorisiert und bereift, aber die Tester dürfen rochieren von Schalter zu Automat, Hinterradantrieb zu xDrive, Standardfahrwerk zu M-Sportpaket.

"Auch der neue 3er steht für Fahrfreude in Reinkultur", verspricht Peter Langen, Leiter Fahrwerksentwicklung. "Um Gutes noch besser zu machen, haben wir eine steifere und leichtere Karosserie entwickelt und die Radaufhängung enger an den Aufbau angebunden. Diese in sich noch gefestigtere Einheit schafft mit ihren geringen Toleranzen die Voraussetzung für wirklich begeisternde Fahreigenschaften."

Also los. Jedes Auto ist mit einem Ingenieur bemannt, der Fragen stellt und beantwortet, Eindrücke sammelt und kommentiert, die Route auswendig kennt und Angstfreiheit vortäuscht. Auf den Landstraßen kreuz und quer durch die Eifel gibt das Baumuster G20 erste Talentproben ab. Das neue Auto wirkt im Gleitmodus gesetzter, souveräner, ausgewogener als sein Vorgänger. Sobald es darauf ankommt, dominieren wieder klassische Tugenden wie Biss, Temperament und diese ganz besondere Interaktion zwischen Mensch und Maschine.

Schon die erste Etappe macht Lust auf mehr. Die Sitzposition passt, die Übersichtlichkeit ist selbst nach schräg hinten keineswegs blickdicht, die Rückmeldung von Lenkung, Schaltung, Kupplung, Gas und Bremse schafft Vertrauen. Der Innenraum mag im Vergleich zum Vorgänger um ein paar Millimeter gewachsen sein, aber davon profitieren nur die Fondpassagiere. Langbeinige Fahrer leben dagegen mit der ungepolsterten Mittelkonsole auf Kriegsfuß.

Das Head-up-Display muss fast zwangsläufig mitbestellt werden

Der iDrive-Controller, das Head-up- Display und der fünfstufige Fahrerlebnisschalter haben auch diesen Modellwechsel überlebt. Das Bedienkonzept ist aber noch facettenreicher und komplexer geworden. Irgendwie scheint das Automobil immer mehr die Wesenszüge eines Smartphone anzunehmen, von dessen tausend Funktionen nur zehn tatsächlich genutzt werden.

Die Instrumente im allerersten 3er waren so eindeutig ablesbar wie eine Kirchturmuhr, doch im G20 sind Tacho und Drehzahlmesser derart fitzelig und verkünstelt, dass man fast zwangsläufig das klar gezeichnete Head-up-Display mitbestellen muss. Der dritte Bildschirm in der Mittelkonsole ist groß, bunt, hoch auflösend und eine Zehnerpotenz intelligenter als der Touch-zoom-drück-such-Finger, der ihn während der Fahrt bedienen soll, aber oft erst nach dem dritten Anflug Vollzug meldet.

Der Ausweg aus dem Ergonomiedilemma führt über die erstaunlich talentierte, weil lernfähige Sprachsteuerung, die mit Ein-Wort-Kommandos ebenso klarkommt wie mit komplexen Eingaben in Mundart. Während die Modi Comfort, Sport, Sport Plus, Individual und Eco Pro fünf verschiedene Grundprofile abdecken, ermöglicht das Adaptiv-Fahrwerk weiteres Nachschärfen im Detail. Erster Eindruck: Vor allem im Sportmodus ist auch dieser 3er ein Straßenfeger mit Manieren.

Obwohl BMW auf Wunsch jetzt 19-Zoll-Räder montiert, ist der G20 alles andere als unkomfortabel. Selbst in Sport Plus hat er genug Restgeschmeidigkeit, um nervöses Versetzen und unhöfliches Nachtreten zu unterbinden. Hinterradlenkung, aktive Stabilisatoren und Luftfederung sind für den neuen 3er zwar tabu, aber dafür werden hub- statt frequenzabhängige H-Stoßdämpfer verbaut, die präziser ein- und ausfedern - vorne als Elemente der klassischen Federbeinachse, hinten eingebettet in ein Mehrlenker-Arrangement.

Subtiles Zusammenspiel von Lenkung und Gaspedal

Im aufpreispflichtigen M-Paket enthalten ist auch eine Sportbremse, die schneller reagiert und nachhaltiger verzögert. Neu ist der integrierte Bremskraftverstärker, der es erstmals ermöglicht, Eigenschaften wie Kraftaufwand, Pedalweg und Ansprechverhalten zu variieren. Lob verdient auch die Lenkung, deren Fahrbahnkontakt an Barfußgehen im Sand erinnert.

"Der neue 3er ist mechanisch ein sehr ehrliches Auto," erzählt Peter Langen. "Nicht einzelne Elemente, sondern die homogene Integration aller Systeme machen ihn zu dem, was er ist. Das gilt natürlich primär für die Fahrdynamik, die einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht hat." Der 330i mit Basisfahrwerk und Schaltgetriebe ist rundum ausgewogen, den Achtgang-Automat empfindet man zu gleichen Teilen als Spaßbringer und Komfortbonus, das M-Paket mit Verstellfahrwerk verwandelt den G20 in eine sortenreine Sportlimousine.

Dieses Prädikat hat sogar auf der Nordschleife des Nürburgrings Bestand, wo der Viertürer mit unerschütterlicher Richtungsstabilität und weitgehend neutralem Eigenlenkverhalten punktet. Selbst als Vierzylinder zieht der getarnte Vorserien-Testwagen eine ebenso schnelle wie ambitionierte Spur, definiert sein Handling über das subtile Zusammenspiel von Lenkung und Gaspedal und vermittelt dem Fahrer auch im Grenzbereich viel Vertrauen.

Der 2,0 Liter-Vierzylinder leistet 260 PS und 400 Newtonmeter (Nm), ein Plus von 50 Nm. Trotz Otto-Partikelfilter (OPF) trübt keine Anfahrschwäche das Bild, nimmt der Motor auch im großen Gang anstandslos Gas an, hat sich die Maschine vor allem bei hohen Drehzahlen ihre akustische Spritzigkeit bewahrt. Weil der neue 3er 50 Kilogramm abgespeckt hat, darf mit geringfügig besseren Fahrleistungen gerechnet werden - am Ende der Döttinger Höhe standen für einen Moment 262 km/h auf der Uhr.

Wer Sprit sparen will, aber keinen Diesel möchte, der sollte sich den 180 PS starken 320i Efficient Dynamics näher ansehen, dessen Normverbrauch mit 4,95 Liter angegeben wird. Noch ein paar Gramm CO₂ grüner ist der 325e i Performance, dessen 150 PS starker Benziner in Verbindung mit dem 60 kW starken Elektromotor eine Systemleistung von 230 PS auf die Straße bringt. Der erste voll elektrische 3er heißt i4 und dürfte erst 2020 in Serie gehen. Während der 3er Touring schon im nächsten Frühjahr zu den Händlern rollt, muss man auf den M 3 noch zwei Jahre warten. Nicht mehr auf dem Spielplan steht der ebenso geräumige wie erfolglose 3er GT, der vom neuen 4er Gran Coupé abgelöst werden soll.

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