Specialized Roubaix:Edel-Rennrad im Pflasterstraßen-Test

Specialized Roubaix SL4 Expert Disc UDi2

Das Specialized Roubaix SL4 Expert Disc UDi2 kostet etwa 5200 Euro - und hält selbst den Belastungen der Strecken von Paris-Roubaix stand.

(Foto: Specialized)

Das Specialized Roubaix kostet 5200 Euro. Die Summe lohnt sich, wenn man - wie unser Autor - an der Amateurausgabe des Radrennens Paris-Roubaix teilnimmt. Ein Trip durch die "Hölle des Nordens".

Von Sebastian Herrmann

Rennradfahrer sind alte Angsthasen. Sie fürchten zum Beispiel, dass ihr teures Material Schaden nehmen könnte, wenn sie ein paar hundert Meter über einen geschotterten Forstweg rumpeln müssen. Der Kopf sagt dabei zwar klar und deutlich, dass etwas Kies, einige Steine und ein paar milde Schlaglöcher wirklich kein Problem für den teuren Karbon-Laufrad-Satz darstellen und auch der superleichte Rahmen die kurze Strecke durch den Forst gewiss übersteht. Trotzdem quält es den Geist des Radlers enorm, das edle Rennrad über Schotter zu scheuchen.

Das Therapiezentrum für Patienten mit Ängsten wie diesen befindet sich auf der Strecke des Frühjahrsklassikers Paris-Roubaix. Etwas mehr als 52 Kilometer des magischen Rennens verlaufen über Kopfsteinpflaster von einer Qualität, die jeden geschotterten Forstweg wie frisch asphaltiert erscheinen lässt. Eine Fahrt über die Rennstrecke mit dem etwa 5200 Euro teuren Modell Roubaix SL4 Expert Disc UDi2 des Herstellers Specialized demonstriert dem ängstlichen Radler, wie erstaunlich robust Rennräder sind. Das Material hält die Tortur auf jeden Fall besser aus, als die Handflächen des Fahrers.

Härtetest in der "Hölle des Nordens"

Das Specialized Roubaix verweist schon in seinem Namen auf das berühmte Rennen und in der Tat haben Profis es mehrmals auf Modellen dieser Art gewonnen. Der Wettkampf im Norden Frankreichs wird seit 1896 ausgetragen und trägt verschiedene Bezeichnungen: Wahlweise gilt er als "Königin der Klassiker" oder als "Hölle des Nordens". Der Mythos der Veranstaltung speist sich aus den 27 Pavés, die mit Kopfstein gepflastert sind. Die Sektionen sind zwischen wenigen hundert Metern und fast vier Kilometern lang. Wer sie durchfährt, hat eine Art Stoßwellentherapie hinter sich und ein Martyrium überstanden.

Das Roubaix war eines der ersten sogenannten Endurance-Modelle auf dem Rennradmarkt. Die Rahmengeometerie dieser Räder gestaltet sich derart, dass der Radler nicht gar so langgestreckt auf dem Renner sitzt und so lange Touren mit etwas weniger Schmerzen überstehen kann. In der "Hölle des Nordens" lassen sich Schmerzen jedoch nicht vermeiden, allerhöchstens minimal mindern. Wer sich bei der Paris Roubaix Challenge - so heißt die Jedermann-Veranstaltung am Tag vor dem Profirennen - als Novize auf die Kopfsteinpflaster-Abschnitte wagt, lernt erst einmal Demut.

Die Vorteile der hydraulischen Scheibenbremsen

Am frühen Morgen sind die alten, an der Oberfläche glatten Steine noch nass und glitschig. Auf den ersten Metern ereignen sich die ersten Stürze. Und zugleich wird schon im ersten Drittel der Fahrt klar, welchen Vorteil die hydraulischen Scheibenbremsen am Roubaix Expert SL 4 bieten. Auf den Pavés schüttelt es den Radler so arg durch, dass es oft schwer ist, kontrolliert am Lenker umzugreifen. Gleichzeitig schmerzt es irgendwann zu sehr, die Hände die ganze Zeit an den Bremsgriffen zu lassen. Da bietet es einen Vorteil, wenn schon wenig Kraft reicht, um kontrolliert bremsen zu können. Und nach den ersten Rüttelsegmenten müssen vor allem viele andere Radler mit den klassischen Felgenbremsen anhalten und diese vom Dreck befreien. Der Schlamm von den Kopfsteinpflasterwegen sammelt sich bei manchen Rädern an der Bremse, verkrustet und blockiert diese irgendwann. Mit den Scheibenbremsen am Specialized Roubaix passiert das nicht.

In den Rahmen hat der Hersteller an der Gabel und an den hinteren Streben Dämpfungselemente eingefügt. Auch in der direkt unter der Sitzposition gekrümmten Sattelstange befindet sich einer dieser sogenannten Zertz-Einsätze. Wie viel Stoßenergie diese Kunststoffteile tatsächlich absorbieren? Während man über den Trouée d'Arenberg, den Mons-en-Pévèle oder eines der anderen berüchtigten Pavé-Segmente rumpelt, ist diese Frage nicht zu beantworten. Wenigstens lindert der Gedanke, dass es noch viel schlimmer schütteln könnte, ein ganz kleines bisschen den Schmerz.

Komfortable Griffe, stabiler Flaschenhalter

Auch die elektronische Di2-Ultegra-Schaltung von Shimano, die an dem Roubaix verbaut ist, erleichtert die Fahrt über die Foltersteine. Das Schütteln ist so arg, dass der Gangwechsel so oder so schwer ist. Aber einfach nur die beiden Hebel antippen zu müssen, ist doch etwas leichter, als die üblichen mechanischen Schalthebel unter diesen Bedingungen zu bedienen. Das gelartige Griffband am Lenker passt im Übrigen perfekt zur Gelegenheit. Viele andere Fahrer kamen mit offenen Blasen an den Händen im Radstadion von Roubaix an. Die guten Griffe am Testrad haben das hingegen womöglich verhindert.

Und sogar die einfachen Plastikflaschenhalter von Specialized passen an diesem Tag: Die Pavés sind schon nach den ersten Metern mit Trinkflaschen übersät, die anderen Radlern aus den Haltern gehüpft sind. Am Roubaix bewegen sich die Flaschen hingegen den ganzen Tag keinen Millimeter aus ihrem festen Halt.

Ohne Plattfuß ins Ziel

Die Fullcrum Racing S-19 Laufräder ertragen Stöße und Gerumpel ebenfalls ohne Murren. Genauso die 26 Millimeter breiten Specialized Turbo Pro Reifen. Wer richtig viele Fahrer mit einem oder mehreren Platten erleben will, der möge Paris-Roubaix fahren. Das Testrad hingegen ist ohne Loch im Schlauch durch die Tortur gekommen. Und auf den sanfteren Abschnitten der Rennstrecke fährt das Roubaix trotz der Endurance-Geometrie des Rahmens geschmeidig und spritzig über die asphaltierten Nebenstraßen, die es hier im Nordosten Frankreichs auch gibt.

Das Specialized Roubaix SL4 Expert Disc UDi2 ist das perfekte Rad für die üble Schinderei auf den garstigen Foltersteinen des Nordens. Nach den 52 extrem schmerzhaften Kilometern über die Pavés ist jede Angst um das Material verloren - obwohl einige andere Radler mit gebrochenen Gabeln oder kaputten Laufrädern neben der Strecke stehen. Das Roubaix erträgt die Tortur ohne Probleme. Damit traut man sich danach ohne den geringsten Anflug von Zweifel oder Furcht, mit hoher Geschwindigkeit über den nächsten Forstweg zu brechen. Wer diese Stoßwellentherapie nicht selbst über sich ergehen lassen möchte, der kann diesem Rennrad auch ohne persönliche Kopftsteinbehandlung vertrauen.

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