Gravelbike-Test:Federleicht durchs Gelände

Lesezeit: 4 Min.

Das Specialized S-Works Crux kostet fast 10 000 Euro. (Foto: Jake Stangel/Specialized)

Das S-Works Crux von Specialized fährt sich äußerst spritzig. Was auch daran liegt, dass es weniger wiegt als manches Profi-Rennrad bei der Tour de France.

Von Sebastian Herrmann

Frühmorgens treibt die kalte Luft Tränen aus den Augenwinkeln. Dampf steigt im Morgenlicht über taunassen Wiesen auf. Das Braun abgeernteter Äcker kontrastiert das Grün hochstehender Maispflanzenkolonnen, die auf den Feldern daneben noch auf ihre Verabredung mit dem Mähdrescher warten. Der Sommer befindet sich auf dem Rückzug und kommt früh am Morgen nicht mehr so richtig aus dem Bett. Es dauert, bis die Temperaturen steigen. Nach den ersten drei, vier Kilometern verdrängt die Anstrengung auf dem Rad das Frösteln und macht Platz für Zufriedenheit. Mit einem kleinen Schlammbad auf dem Gravelbike früh am Morgen in den Tag zu starten, zählt zu den erfrischenderen Freuden eines Radlerlebens. Wenn diese Runde dann auch noch auf einem Highend-Gravelbike wie dem S-Works Crux von Spezialiced stattfindet, so viel Ehrlichkeit muss sein, steigert das den Spaß doch noch mal um mindestens ein paar Prozentpunkte.

Das Rad fühlt sich an, als säße man recht hoch über dem Boden. (Foto: Specialized)

Die ersten paar Kilometer dieser kleinen Morgenrunde führen über asphaltierte Vorstadtstraßen, auf denen das Crux einen Fahreindruck mit großem Rennradrestgefühl hinterlässt. Das mag daran liegen, dass der Rahmen des Rades auch auf der Entwicklung des Aethos basiert, des leichtesten Rennrads im Portfolio der Firma Specialized. Optisch gleicht der klassisch gestaltete Rahmen des Crux dem des Aethos stark. Und auch das minimale Gewicht verbindet die beiden Modelle: Der Carbonrahmen des S-Works Crux wiegt lediglich 725 Gramm, also weniger als eine gefüllte Trinkflasche von gängiger Größe im Flaschenkäfig am Rahmen. Komplett, aber wie immer: Ohne Pedale bringt das Specialized S-Works Crux in der Rahmengröße 56 lediglich 7,28 Kilogramm auf die Waage. Das ist weniger als manche Rennradmodelle, mit denen die Profirennfahrer dieses Jahr zum Beispiel bei der Tour de France unterwegs waren.

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Das Crux gleitet über den Asphalt und lässt sich für ein Gravelbike erstaunlich leicht auf Geschwindigkeit treten. Dann biegt die Route ab von der Straße auf einen Wirtschaftsweg durch den Wald. Schotter knirscht nun unter den 38 Millimeter breiten Pathfinder Pro 2Bliss Ready Reifen – eine Eigenkreation aus dem Hause Specialized, ebenso wie die Roval Terra CLX I Laufräder.

Auch auf Schotter rollt das Rad schnell voran, was mit an der sehr schmalen und profillosen Lauffläche in der Mitte der Reifen liegen könnte. Auf Asphalt reduziert das im Vergleich zu profilierten Reifen gewiss den Rollwiderstand. Ob das auf Schotter auch so ist? Wer weiß, jedenfalls reicht das Profil der Mäntel links und rechts neben der schmalen Lauffläche aus, um auch in ruppigerem, schlammigem Gelände mit dem Rad ausreichend Grip zu haben.

Schließlich endet der Schotterweg in einem schmalen Pfad über eine morgennasse Wiese. Der Untergrund ist deutlich schwerer und holpriger als eben noch auf dem Schotterweg, lässt sich aber mit den breiten Reifen, die Stöße ordentlich absorbieren, ebenso geschmeidig fahren.

Das Specialized S-Works Crux bringt lediglich 7,28 Kilogramm auf die Waage. (Foto: SBCT/Specialized)

Nach der Passage durch den Wald führt die Route abermals zwischen Feldern hindurch. Langsam gerät die Sonne etwas in Schwung. In einer Ackerfurche hockt, gut getarnt mit seinem braunen Gefieder, ein Fasan und dreht den Kopf in Richtung des Radlers. Die Wege verlaufen hier flach und verleiten dazu, tüchtig in die Pedale zu treten. Der Rahmen des Crux bietet eine sportliche Sitzposition, was für ein Rad, das heute wohl in die Kategorie Race-Gravelbike einsortiert gehört, ja quasi verpflichtend ist.

Zugleich drängelt sich ein Fahreindruck in die bewusste Wahrnehmung, der nicht ganz zu greifen ist. Es fühlt sich an, als säße man auf diesem Rad recht hoch über dem Boden, oder anders formuliert: als befände sich da viel Rad unter dem Hintern auf dem Sattel. Diesen Fahreindruck hinterlassen sonst Aero-Rennräder, deren auf Windschlüpfrigkeit getrimmte Rahmen oft auch optisch wuchtig sind. Das zumindest trifft auf das ehe filigrane Crux nicht zu. Woraus sich dann dieser Fahreindruck speist? Wer weiß.

Vielleicht – auch das ist eine Mutmaßung – tragen die üppigen Schaltbremsgriffe der Red-eTap-AXS-zwölffach-Schaltgruppe von Sram ein wenig zu diesem Gefühl bei. Diese greifen sich gut, wirken aber im Vergleich zu den Griffen anderer Hersteller fast etwas klobig. Doch es sei betont: Auch hier handelt es sich um Nuancen, die sich schwer packen und beschreiben lassen. Die kabellose, elektrische Schaltung wechselt die Gänge jedenfalls gewohnt geschmeidig. Das Kettenblatt an der mit einem Leistungsmesser ausgerüsteten Einfachkurbel verfügt über 40 Zähne, die Zwölffach-Kassette am Hinterrad stellt ein Spektrum von zehn bis 44 Zähnen zur Verfügung. Auf einer kurzen steilen und geschotterten Kletterpassage an diesem Morgen ist der leichteste Gang die beste Wahl. Mit dieser Ausstattung lässt sich mit dem Crux auch gut in welligem Gelände mit Rampen bestehen. Die Sram-Scheibenbremsen drosseln zuverlässig das Tempo und erzeugen dabei das Sram-typische leichte Gurgelgeräusch, bei Trockenheit sehr dezent und nicht lauter als Scheibenbremsen eben laut sind. Aber jede Bremse klingt ein bisschen anders.

Abschließend geurteilt, vereint das Crux viele Eigenschaften. Es ist ein spritziges Rennrad im Gewand eines Gravelbikes, das viel Tempo zulässt. Es ist ein agiles Rad, mit dem auch steiles und ruppiges Gelände fahrbar ist. Und es lässt sich dank der breiten Reifen auch gemütlich wie eine kleine Sänfte fahren. Der einzige Nachteil, wie immer bei Highend-Rädern, es ist halt mit knapp 10 000 Euro sündhaft teuer.

Technische Daten

Rahmen: Carbon

Schaltung: Sram Red eTap AXS 12-fach

Übersetzung: vorn: 40 Zähne, hinten: 10-44 Zähne

Laufräder: Roval Terra CLX I

Gewicht: 7,28 Kilogramm

Preis: 9775 Euro

Hinweis der Redaktion: Ein Teil der vorgestellten Produkte wurde der Redaktion von den Herstellern zu Testzwecken zur Verfügung gestellt und/oder auf Reisen präsentiert, zu denen Journalisten eingeladen wurden.

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