Sparsame Autos:Kleiner ist feiner

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Die Zeiten der billigen Mobilität sind endgültig vorbei und da verwundert es nicht, dass die Deutschen immer mehr kleine und sparsame Autos kaufen - auch der Treibstoffverbrauch geht zurück.

Joachim Becker

Sparen die Deutschen an ihrem liebsten Kind, dem Auto? Glaubt man Umfragen, dann haben die hohen Spritpreise erhebliche Auswirkungen auf das Kauf- und Fahrverhalten. Aufgrund der steigenden Energiekosten wollen zwei Drittel der Bundesbürger im Alltag bewusster mit Strom, Gas und Benzin umgehen. Je nach Umfrage erwägen bis zu einem Drittel der Kunden den Kauf eines sparsameren Autos. Die Kosten für das Autofahren haben laut ADAC im Vergleich zum Juni 2007 um 5,7 Prozent zugelegt - fast doppelt so viel wie die allgemeine Lebenshaltung, die sich im gleichen Zeitraum um 3,3 Prozent verteuerte.

Die Neuzulassungen in dem Segment der Kleinwagen nahmen um knapp 30 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu. (Foto: Foto: Smart)

Sparsame Gemeinschaften

Die ersten Auswirkungen zeichnen sich ab, sei es durch Verzicht oder langsamere Fahrweise: Der Verbrauch von Benzin, der in Deutschland schon seit einigen Jahren langsam fällt, ist im Juni mit einem Minus von 6,6 Prozent besonders stark zurückgegangen. In dem Monat wurde auch weniger Diesel getankt. Das ist neu. Bislang war der Verbrauch dieses Kraftstoffs noch gestiegen, weil viele Autofahrer auf Selbstzünder umgestiegen sind, die sparsamer fahren als Benziner. Selbst im Autofahrerland Amerika setzt sich ein zuvor unbekanntes Verhalten durch. Zunehmend bilden Pendler sparsame Gemeinschaften für die Fahrt zum Arbeitsplatz.

Die Zeiten der billigen Mobilität sind endgültig vorbei. Autos werden auch in der Anschaffung immer teurer, weil die Sicherheits- und Umweltanforderungen steigen. Der Plan der EU-Kommission, den CO2-Ausstoß von Neufahrzeugen bis 2012 im Schnitt auf 130 Gramm pro Kilometer zu reduzieren, wird sie im Schnitt nochmals um rund 2000 Euro verteuern, schätzt Kommissions-Vizepräsident Günter Verheugen.

25.000 Euro im Durchschnitt

Dabei lag der durchschnittliche Neuwagenpreis 2007 bereits bei rund 25.000 Euro. Auch deshalb haben sich viele Deutsche im ersten Halbjahr 2008 für Kleinwagen entschieden: Die Neuzulassungen in diesem Segment nahmen um knapp 30 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu. Die Kompaktklasse konnte ihre dominante Marktposition mit dem VW Golf an der Spitze um fast 10 Prozent auf insgesamt 27,1 Prozent ausbauen.

Kleiner ist feiner - diese Devise gilt beim Autokauf mehr denn je. Viele Neuwagenkäufer legen auch bei kleinen Autos Wert auf unverwechselbare Formen und eine hochwertige Ausstattung. Kleinwagen müssen heute daher keine rollende Verzichtserklärung mehr sein. Gespart wird weniger am Fahrspaß als an Spritsparmodellen: Der ohnehin winzige Marktanteil von Hybridfahrzeugen ging im ersten Halbjahr 2008 um 13,1 Prozent bei den Neuzulassungen weiter zurück. Auch die sparsamen, aber meist relativ teuren Dieselmodelle haben in der Zulassungsstatistik bereits den Rückwärtsgang eingelegt.

Weniger vernunftbestimmt

Autokaufen und -fahren ist in der Freizeitgesellschaft Deutschland aber weit weniger vernunftbestimmt, als Umfragen glauben machen. 76 Prozent der Autofahrer haben in den vergangenen Monaten zwar häufiger darüber nachgedacht, ihren Wagen aufgrund der hohen Kraftstoffpreise stehen zu lassen. Auch die Anbieter von Carsharing erleben einen ungeahnten Zulauf - allerdings auf niedrigem Niveau. 67 Prozent der Befragten geben außerdem an, sie wollten unnötige Fahrten künftig vermeiden.

Aber was ist eine "unnötige Fahrt", wenn gut die Hälfte aller Pkw-Kilometer auf den Freizeit- und nur ein Drittel auf den Berufsverkehr entfallen? Momentan sagen zwar ein Drittel der Befragten, dass sie ihre Urlaubspläne wegen hoher Spritpreise einschränken müssen. Doch der größte Teil der Deutschen ist weiter bereit, an einem Wochenende viel Sprit zu verfahren. Dass sie dabei wenigstens langsamer fahren, lässt sich nur vermuten, aber nicht nachweisen.

Alphatiere des Straßenverkehrs

Wer einen nachhaltigen Effekt des hohen Spritpreises sucht, wird am ehesten im Segment der großen und durstigen Geländewagen fündig. Modelle von Hummer, Dodge, Toyota und Jeep verzeichnen Rückgänge von mehr als 50 Prozent - auch deshalb balanciert die US-Autoindustrie am Rande des Abgrunds. Selbst Premium-Geländewagen wie Audi Q7, BMW X5, Mercedes GL und Porsche Cayenne erleben massive Absatzeinbrüche. Die Alphatiere des Straßenverkehrs passen nicht mehr zum Bewusstsein für knappe Ressourcen. Zehn Jahre lang waren sie die Zugpferde der Automobilhersteller, jetzt sind sie die ersten Opfer von Klimawandel und hohem Spritpreis.

© SZ vom 18.07.2008/jw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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